Das heißt, meine Damen und Herren: Notwendig ist eine gestaltende Generationenpolitik, in der sich Kinder und Jugendliche, Familien und andere Lebensgemeinschaften, ältere und behinderte Menschen gleichermaßen wiederfinden. Wir brauchen neue Strategien, um neue Wohn- und Versorgungsformen zu entwickeln, die tatsächlich alle Generationen und Zielgruppen einbeziehen; denn es geht zentral um die Verbesserung der Lebensqualität für alte Menschen, Familien, Kinder und Jugendliche.
müssen sie zukünftig sehr viel stärker auf die Lebensqualität, die sie vor allen Dingen Familien mit Kindern und alten Menschen bieten, achten. Das wird zukünftig als Standortfaktor an Bedeutung gewinnen. Wir sehen das heute schon in einigen Kommunen, wo günstiges Bauland für Familien ausgewiesen wird, wo also um junge Familien geworben wird.
Die Wohngebiete müssen attraktiver werden. Dazu muss eine Infrastruktur entwickelt und erhalten werden, die das Zusammenleben und den Zusammenhalt der Generationen fördert und sichert. Meine Damen und Herren, dieser Zusammenhalt gelingt dann am besten, wenn vor Ort ein Klima erzeugt werden kann, das auch die Bereitschaft zur Mitgestaltung der eigenen Lebensräume unterstützt.
Die Kommunen haben eine wichtige Ausgleichsfunktion, wenn es darum geht, zwischen den unterschiedlichen Interessen von Kindern, Familien und älteren Menschen zu vermitteln und eine Balance zu schaffen. Sie müssen dabei – das ist ganz wichtig – Beteiligungs-, Mitgestaltungsmöglichkeiten schaffen; denn die Identifikation mit dem Stadtteil, mit dem Quartier ist immer dann am stärksten, wenn die Bürgerinnen und Bürger in die Planung und Entscheidung einbezogen werden, wenn sie partizipieren können.
Eine wichtige Voraussetzung für die gelingende Entwicklung sozialer Netzwerke im Wohnquartier ist ein guter Generationenmix. Wir wollen deshalb die Entwicklung von generationsübergreifenden Angeboten und sozialen Netzen, zum Beispiel Nachbarschaftstreffs, unterstützen.
Das Konzept „Mehrgenerationenhäuser“ der Bundesregierung hat Herr Lindner, der jetzt offenbar nicht mehr unter uns weilt, zwar in seiner Rede erwähnt
er weilt unter uns, ja, aber ich sehe ihn nicht; er weilt nicht mehr im Plenarsaal –, aber in dem Antrag von CDU und FDP ist davon mit keinem Wort die Rede. Wir halten es für wichtig, solche bundesweiten Konzepte, wie sie von der Bundesfamilienministerin aufgrund der Erfahrungen, die sie in Niedersachsen damit gemacht hat, ins Gespräch gebracht wurden, auf Landesebene herunterzubrechen und zu prüfen, inwieweit diese Konzepte nutzbar gemacht und eventuell auch mit Familienzentren zusammengeführt werden können. Wir halten es für fahrlässig und verkürzt, wenn das in dem Antrag von CDU und FDP mit keinem Wort erwähnt und darauf nicht eingegangen wird.
Wir wollen, wie gesagt, die sozialen Netzwerke und Nachbarschaftstreffs unterstützen. Wichtig ist dabei die Zusammenarbeit und Vernetzung mit Selbsthilfegruppen, mit Initiativen, die vor Ort arbeiten, mit Vereinen und auch die Einbeziehung der örtlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen. Grundsätzlich geht es darum, Angebots- und Einrichtungsformen flexibler und überschaubarer auszurichten, damit die aktuellen Entwicklungen besser aufgegriffen werden und sich die Kommunen besser an den Bedarfslagen ausrichten können.
In diesem Themenkomplex kommt dem Bereich Wohnen eine sehr wichtige Bedeutung zu. Hier müssen bedarfsgerechte Wohnmodelle für die Zukunft entwickelt werden. Wir haben, wie Sie wissen, dazu bereits vor einem Jahr einen sehr umfassenden Antrag gestellt, der sich mit dem Wohnen im Alter beschäftigt, aber auch den Generationenaspekt einbezieht.
Ziel ist es, dass wir landesweit ein differenziertes und auf verschiedene Lebenssituationen ausgerichtetes Wohn- und Infrastrukturangebot schaffen. Dazu gehört das generationsübergreifende Zusammenleben als wichtige Grundlage für die Verbesserung des Verständnisses von Jung und Alt. Die selbst bestimmten Wohnformen werden den individuellen Lebensbedürfnissen älterer wie jüngerer Menschen eher gerecht als isolierte Großeinrichtungen am Rande unserer Städte und Gemeinden.
Zur nachhaltigen Förderung von sozialen Netzen, Nachbarschaftshilfen und bürgerschaftlichem Engagement hat es sich als sinnvoll erwiesen, Angebote der offenen Altenhilfe auch mit denen anderer Generationen zu verknüpfen und generationsübergreifend auszurichten. Denkbar ist eine Zusammenarbeit und Vernetzung von Selbsthilfegruppen, Vereinen usw. Notwendig ist ein breites, differenziertes und vor allen Dingen auch flexibles Angebot. Hier liegt eine wichtige ressortübergreifende Zukunftsaufgabe für die Stadt-, Quartiers- sowie auch der Sozial- und Verkehrsplanung.
Selbstbestimmung, Mitgestaltung und Partizipation erhalten dabei zukünftig eine zentrale Bedeutung. Es gilt deshalb auch zukünftig die Möglichkeiten der integrierten Stadtentwicklung zu nutzen, um Freiräume für Gestaltung und Mitwirkung im direkten Wohnumfeld zu ermöglichen. Denn, meine Damen und Herren, die Menschen müssen in die Gestaltung und Entwicklung von Angeboten und Projekten einbezogen werden, und es müssen Beteiligungsmöglichkeiten entwickelt werden.
Wir wissen: Gerade für Kinder und Jugendliche sind diese Gestaltungs- und Identifikationsmöglichkeiten im Wohnquartier und Stadtteil wichtig für die persönliche Entwicklung und da von besonderer Bedeutung.
Meine Damen und Herren, wir haben mit unserem Antrag eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wie die Landesregierung, wie das Land diesen Prozess aktiv gestalten und befördern kann. Uns reicht es nicht – was von der Koalition vorgelegt wurde –, dass lediglich bereits bestehende Angebote, Best-Practice-Beispiele aus den Kommunen ausgezeichnet werden. Diese Auszeichnung gibt es bereits. Wir haben die Stadtnetzwerke NRW. Wir haben das Landesseniorenvertretungsprojekt „Generationengerechte Stadt“. Wir haben ein wenig das Gefühl, dass mit Ihrem Antrag ein Inhalt für einen Haushaltstitel gefunden werden soll, der „Generationenübergreifende Fragen – Demographischer Wandel“ heißt und mit läppischen 75.000 € ausgestattet ist. Für diese große Aufgabe 75.000 € einzustellen, ist per se schon etwas wenig. Offenbar wollen Sie diesen Haushaltstitel einer sinnvollen Verwendung zuführen. Uns ist das zu wenig.
Wir können darüber gemeinsam im Ausschuss diskutieren, wie wir auch von Landesseite aktiv diesen generationenübergreifenden Prozess gestalten. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Bevor nun Herr Haseloh als Vertreter der SPDFraktion das Wort nimmt, halte ich es für meine Pflicht, das Hohe Haus davon zu unterrichten, dass das Halbzeitergebnis im Spiel Mexiko gegen Portugal 1:2 lautet. – Bitte schön, Herr Haseloh.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist eigentlich schon alles gesagt worden, nur noch nicht von allen. Mit den beiden Anträgen, haben wir ein Thema, das uns langfristig beschäftigen wird.
Die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung sind eindeutig. Die Anzahl der jungen Menschen wird in den meisten Städten und Gemeinden des Landes sinken. Die Anzahl der älteren Menschen –
Geburtenrate, Lebenserwartung und Wanderung sind – so haben es alle Redner eben dargestellt – die drei wesentlichen Faktoren, die die demographische Entwicklung bestimmen. Eine wachsende Heterogenität nicht nur in der Zusammensetzung unserer Gesellschaft, sondern auch hinsichtlich der Lebensverhältnisse wird die Folge sein. Die Fragen, die sich stellen, könnten drängender kaum sein. Und doch ist Verzagtheit das Letzte, was wir uns leisten können und sollten. Aus vielerlei Gründen haben wir keinen Anlass dazu.
Die SPD hat in den zurückliegenden Jahren bereits erste Weichenstellungen vorgenommen. Deshalb stehen wir heute noch in der besonderen Verantwortung, unsere Städte und Gemeinden dabei zu unterstützen, Lösungen für die Zukunftsprobleme zu finden. Auch das haben eben alle Redner gesagt. Zu prüfen ist, welche Rahmenbedingungen und Hilfestellungen seitens des Landes NRW den Kommunen an die Hand gegeben werden können und welche Unterstützung des Bundes eingefordert werden sollte.
Da in den Städten und Gemeinden in der Regel keine vernetzte „Altenplanung“ vorhanden sowie Seniorenpolitik schon gar keine kommunale Pflichtaufgabe ist und sich die Kommunen auch nicht dazu verstehen, fehlen in den Städten geeignete Verfahren und Instrumente. Die Bertelsmann-Stiftung hat besonders darauf hingewiesen, dass man sich dieser Sache annehmen muss.
Angesichts der demographischen Herausforderungen und der wachsenden Individualisierung der Lebensentwürfe und der engen finanziellen Handlungsspielräume in den Kommunen werden diese Probleme zukünftig eher wachsen. Die Lebensqualität jüngerer und älterer Menschen wird sich verschlechtern können, wenn keine wirksamen Konzepte entwickelt und umgesetzt werden.
Ich meine, in den einzelnen Anträgen sind viele Gesichtspunkte vorhanden. Aber der im Antrag von CDU und FDP geforderte Wettbewerb, in dem generationenfreundliche Städte und Gemeinden ausgezeichnet werden sollen, springt zu kurz. Frau Asch hat es eben bereits angesprochen: Das Bundesprogramm „Alle unter einem Dach“ und das Aktionsprogramm für Mehrgenerationenhäuser gibt auf 17 Seiten bereits einige Anregungen zu konkretem Handeln. Wir werden im Ausschuss noch Zeit haben, dieses Thema nicht nur einmal zu besprechen.
len – das halte ich für geboten –, sollten wir uns auch fragen, ob wir uns eigentlich schon wirklich damit auseinander gesetzt haben, warum immer mehr junge Menschen bei uns kinderlos bleiben, und das, obwohl sie in Umfragen durchaus den Wunsch nach Familie und Kindern äußern. Denn die älter werdende Gesellschaft hat ihren Ursprung auch darin, dass die Zahl der Kinder dramatisch abnimmt.
Wenn Frauen und Männer in Deutschland gerne mehr Kinder hätten als sie bekommen, dann müssen wir vor allem ganz direkt danach fragen, was sie daran hindert und wie diese Hindernisse beiseite geräumt werden können. Wie tragen wir den veränderten Lebenswünschen gerade besonders qualifizierter junger Leute besser Rechnung? Welche Chancen eröffnen wir jungen Frauen und Müttern, die heute vielfach dasselbe wollen wie die Männer, nämlich Eigenständigkeit im Beruf und Kinder?
Wie können wir Familienpolitik im umfassenden Sinne zur Investitionspolitik in die Zukunft unseres Landes machen? Das meine ich nicht im ökonomischen Sinne, sondern im Sinne der Zukunftsgestaltung, -vorbereitung und -unterstützung. Wie beweisen wir über das Materielle hinaus mehr Achtung und Anerkennung dafür, was die Eltern indirekt für alle anderen leisten?
Sicherlich sind der von der CDU und FDP verabschiedete Landeshaushalt 2006 und die für den Landeshaushalt 2007 vorgestellten Eckpunkte nicht der richtige Umgang mit diesen Herausforderungen. Darüber werden wir aber noch weiter reden können.
Familienpolitik ist das eine. Darüber hinaus wird es zukünftig immer wichtiger werden, vorrangig Wohn- und Hilfsangebote für pflege- und hilfsbedürftige Menschen im normalen Wohnumfeld zu verankern. Es gilt, Wohnraum für alle Lebenslagen zu schaffen, ausgerichtet auf die Lebens- und Bedürfnislagen der betroffenen Menschen als Alternative zum Heim. Die Stichworte lauten: „Zusammenleben der Generationen“ und „Generationengerechtigkeit“.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das Zusammenwohnen verschiedener Generationen kann bedeuten, am Beispiel der Freien Scholle in Bielefeld zu lernen. Das umfassende Angebot der Freien Scholle ermöglicht es den hilfs- und pflegebedürftigen Mitgliedern, in ihrer vertrauten Umgebung selbst bestimmt wohnen zu können.
Der mobile soziale Dienst des Nachbarschaftshilfevereins kann beispielsweise gegen Gebühr angefordert werden, wenn Hilfen zur Bewältigung des Alltags erforderlich sind. In den Einrichtungen wird weiterhin das betreute Wohnen mit Betreuung und Pflege rund um die Uhr angeboten. Die Pflege wird von qualifiziertem Pflegepersonal geleistet. Alle Wohnungen in den Einrichtungen sind barrierefrei. Organisiert werden diese Angebote vom Nachbarschaftshilfeverein. Mit seinen Gemeinschaftseinrichtungen fördert und stärkt dieser Verein außerdem das Zusammenleben in den Stadtteilen.
Damit komme ich zum Stichwort „Zusammenleben“. – Die Nachbarschaftstreffs in den Siedlungen der Freien Scholle bieten allen Altersgruppen Raum für Aktivitäten, die sie selbst organisieren. Zum Angebot gehören Kindernachmittage genauso wie ein Mittagsnachtisch oder ein Kaffeetreff für Ältere. Darüber hinaus können die Nachbarschaftstreffs für kleinere Familienfeiern angemietet werden.
Ich will deutlich machen, generationsübergreifendes Wohnen und Zusammenleben muss wachsen. Es darf nicht zum Zwang werden.
Der Staat kann an dieser Stelle durch Förderung, Unterstützung und Beratung hilfreiche Rahmenbedingungen setzen. Dies muss auch unbedingt geschehen. Doch dann müssen wir uns fragen: Was ist vom Bund zu leisten? Welche Aufgaben muss das Land dabei erfüllen? Was können die Städte und Gemeinden überhaupt leisten?
Der Bund geht in diesem Punkt bereits einen Schritt weiter. Er will zur bundesweiten Umsetzung in den kommenden fünf Jahren 88 Millionen € für Modelle generationsübergreifender Treffpunkte zur Verfügung stellen. In jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt soll ein Mehrgenerationenhaus gefördert werden. Vorbild ist das Land Niedersachsen, in dem es bereits 25 Mehrgenerationenhäuser gibt.
Wie in den Anträgen immer wieder gefordert, ist es dabei das Ziel, Orte zu schaffen, an denen alle Generationen ihren Platz haben, an denen neue soziale Netze geknüpft werden und wo Jung und Alt zusammengebracht werden. Das soll nicht als Wohnform geschehen, sondern in Form von Tagestreffpunkten realisiert werden.
Wir müssen aufpassen, dass die Diskussion nicht zu idealtypisch geführt wird. Ich sehe eine Gefahr darin, dass wir es überfrachten. Wir müssen die unterschiedlichsten sozialen Wirklichkeiten zur
Kenntnis nehmen. Darüber gilt es zu diskutieren. Wir müssen sicherstellen, dass es bei Mehrgenerationenkonzepten keine gesellschaftlichen Verlierer gibt.
Wir müssen aufpassen, damit Jung nicht gegen Alt ausgespielt wird. Es dürfen auch nicht diejenigen gegeneinander ausgespielt werden, die es sich leisten können, gegen jene, die nicht die materiellen Möglichkeiten haben, um in generationsübergreifenden Wohn- oder Treffpunktformen zu leben oder daran teilzunehmen.