Protocol of the Session on June 21, 2006

Denn dieser Eilantrag titelt unter der Überschrift „Schon im Frühsommer Herbstchaos bei der Bahn! Landesregierung sprachlos?“ und gipfelt dann in dem ersten Absatz, der heißt:

„’Die Welt zu Gast bei Freunden’ – das Motto der Fußball-Weltmeisterschaft beantwortet der ‚Official Carrier der Fifa-WM 2006’ mit Verspätungen und Zugausfällen in dem größten Bundesland mit drei Spielorten.“

Der Antrag schließt schließlich in der Forderung, die Landesregierung möge

„kurzfristig ein Handlungs-, Umsetzungs- und Finanzierungsprogramm zur Sicherstellung der Pünktlichkeit in Bussen und Bahnen vorzulegen …“.

Es fehlt an dieser Stelle völlig der Dank an die Deutsche Bahn, an die Verkehrsverbünde, an die Zweckverbände, an die Verkehrsbetriebe für die außerordentliche Leistung, die sie anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in diesem Land erbringen.

(Beifall bei der CDU)

Es hat sicherlich hinlänglich Verspätungen gegeben, wie sie hier auch dargestellt wurden. Aber daraus eine Chaostheorie zu entwickeln, mag sich nur dem Kollegen Keymis erschließen.

(Frank Sichau [SPD]: Aus der Praxis!)

Wir erleben heute hier im Landtag unter der Leitung des Regisseurs Oliver Keymis die Welturaufführung eines bahnpolitischen Sommertheaters. Das ganze Szenario spielt sich wie folgt ab: In dem Stück werden leere Fußballstadien, leere Marktplätze, leergefegte Straße gezeigt, und es finden auch keine Partys statt. Die Schuld daran hat allein der nordrhein-westfälische Verkehrsminister,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Richtig!)

weil all die Kunden im Stau der Bahn stehen und nicht in die Stadien kommen.

Fakt ist aber, dass das Fernsehen und die Rundfunkanstalten tagtäglich über volle Stadien, über viele Partys auf den Straßen und über gute Stimmung auf den Plätzen berichten. Sie sehen hieran, dass dieses Szenario, das hier dargestellt wird, nicht in diesem Land stattgefunden haben kann. Die Beschreibung ist völlig neben der Realität.

(Beifall von der CDU – Oliver Keymis [GRÜ- NE]: Das ist das falsche Stück!)

Ja, es ist das falsche Stück im falschen Saal vom falschen Regisseur, Herr Keymis. Das ist bei Ihnen grundsätzlich so. Allerdings ist das weit an der Realität vorbei. Es hat sicherlich Probleme gegeben. Aber daraus dieses Bahnchaos zu prognostizieren, ist der Sache völlig unangemessen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Hier werden in Ihrem Antrag alle Dinge zusammengemixt, die Ihnen gerade so passen: die Verhandlungen in Berlin, die Frage der Neuordnung

des Regionalisierungsgesetzes und die daraus resultierenden Bahnverspätungen. Und für das Ganze sei die Landesregierung verantwortlich. Schuld daran trage aber nicht Ihre hervorragende Agentur Nahverkehr, die Sie hier zitieren. Sie gibt es schon, und sie sollte eigentlich dazu beitragen, diese Pünktlichkeit herzustellen. Das hat sie nicht geschafft. Insofern ist sie überflüssig. Das als kleine Randbemerkung.

Wir werden im Ausschuss, aber auch im Landtag über die Neustrukturierung der Regionalisierungsmittel zu diskutieren haben, aber bitte vor einem anderen Hintergrund: mit besseren Vorlagen und nicht mit einem solchen Theaterstück, das Sie im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft zu inszenieren versuchen. Das ist der Angelegenheit völlig unangemessen.

Ich darf die „taz“ zitieren. Ihr segensreicher Hinweis, wie man aus Landesmitteln die möglicherweise ausbleibenden Regionalisierungsmittel aufstocken könnte, indem man die noch nicht vorhandenen Mittel aus der Mehrwertsteuererhöhung einkalkuliert, ist wieder einer Ihrer üblichen untauglichen Versuche, Geld auszugeben, das wir noch nicht haben. Diese Mittel werden im Zusammenhang mit der Sanierung des Landeshaushalts, den Sie mit ruiniert haben, eingesetzt, um die Schulden abzubauen, und nicht nach der Vorstellung der Grünen neu verteilt.

Insofern können wir Ihren Antrag heute sehr kurz behandeln und darüber abstimmen. Wir werden ihn selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lorth. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Wißen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fußball ist ein Teamspiel. Dabei bilden nicht nur die elf Mannen auf dem Spielfeld das Team. Nein, alle, die sich in vielfältiger Weise für dieses wunderbare Fest engagieren, gehören zum Team, darunter nicht wenige, die sich ehrenamtlich betätigen und denen von hier aus besonders gedankt sei.

Ganz wesentlich für den Erfolg unserer FußballWM sind also nicht allein die Spieler, Funktionäre und Sicherheitskräfte. Entscheidend ist auch, dass scheinbare Nebensächlichkeiten, die in Wahrheit Hauptkomponenten einer gelungenen WM sind, funktionieren.

Eine dieser Hauptkomponenten ist zweifelsohne die verkehrliche Situation während der WM im ÖPNV. Denn wir wollen, dass unsere Gäste und wir selbst gut, sicher, pünktlich und insgesamt qualitativ hochwertig zu den Spielorten kommen. Ich bin sehr beeindruckt von dem, was hier während der WM von unseren Verkehrsunternehmen in NRW geleistet wird.

(Beifall von SPD und FDP)

Wer unsere Verkehrsmittel im ÖPNV mit offenen Augen benutzt, wird feststellen, dass der äußerst positive Geist dieser WM auch die Schaffnerinnen und Schaffner, Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter und insgesamt die absolute Mehrheit der Beschäftigten im ÖPNV erfasst hat. Das sieht man bei dem Lächeln an der Reiseinformation oder an den englischsprachigen Auskünften, die rüstige Straßenbahnfahrer erteilen. Sie haben teilweise in ihrer Freizeit die Sprache unserer Gäste erlernt. Mitunter wurden Urlaube verschoben und Überstunden geleistet. Viele weitere Beispiele überdurchschnittlichen Engagements der Beschäftigten wären hier zu nennen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die öffentlichen Verkehrsmittel erfüllen in Zeiten des kollektiven Fußballjubels eine besonders schwierige Aufgabe. Als Bestandteil guter Gastfreundschaft müssen sie der erhöhten Mobilitätsnachfrage gerecht werden und sich veränderten Nutzerbedingungen schnellstmöglich anpassen. Von den übrigen Betroffenen im gastgebenden Land muss unabhängig davon, wie stark sie selber von dem Fußballereignis angesteckt sind, ein außerordentliches Maß an Toleranz erwartet werden können. Dies gilt in gewissem Maße auch für Lärmbelästigungen oder andere Begleiterscheinungen, die üblicherweise mit Massenphänomenen einhergehen.

Dass der Nahverkehr für solche Begleiterscheinungen sehr empfindlich ist, konnten wir in den vergangenen Tagen wiederholt beobachten. Das liegt aber in seinem Wesen; denn er findet dort statt, wo sich Massen bewegen. Treten unvorhergesehene Einzelereignisse auf, so können deren Konsequenzen alle ÖPNV-Nutzer in Mitleidenschaft ziehen. Dies stellt jedoch nicht die ÖPNVStruktur grundsätzlich infrage. Auch ein Autounfall kann als Einzelereignis zur Vollsperrung einer Autobahn führen und damit zu einer fast unüberschaubaren Anzahl von Betroffenen führen.

Störereignisse wie Personen im Gleis, widerrechtliche Nutzung der Notbremse, Suizidversuche, Böschungsbrände oder strafrechtlich zu verfolgende Eingriffe in den Bahnbetrieb sind solche Einzelereignisse, die im Rahmen der Fußball

weltmeisterschaft geballt aufgetreten sind. Aber trotz erheblicher Beeinträchtigung des ÖPNV ist dort schnellstmöglich und weitestgehend erfolgreich reagiert worden, um den Normalbetrieb wiederherzustellen.

Es ist wirklich schade, dass Sie diese Einzelergebnisse aufgreifen, mit dem Ereignis der WM verknüpfen und dann auch noch den Bogen zum Herbstchaos der Bahn des vorvergangenen Jahres schlagen. Damit tun Sie den Beschäftigten in diesen Betrieben Unrecht.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Anlass des vorliegenden Eilantrags der Grünen wird den tatsächlichen Geschehnissen in unserem Lande in keiner Weise gerecht. Dies gilt verschärft für die im Antrag formulierten Forderungen.

Zum einen hat die SPD-Fraktion die Landesregierung bereits vor mehreren Wochen zu einem umfassenden Zukunftsprojekt für den öffentlichen Personennahverkehr aufgefordert, das sich zum Beispiel mit den Fragen der zukünftigen Finanzierung der Struktur, der Qualität befassen soll. Sie laufen also mit Ihrer Forderung unserem damaligen Antrag weit hinterher – und das auch noch schlecht.

Mit ihrer zweiten Forderung akzeptiert die Grünen-Fraktion bereits Mittelkürzungen für den ÖPNV. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Denn die Mehreinnahmen des Landes aufgrund der Umsatzsteuererhöhung übersteigen die Kürzungen der Regionalisierungsmittel um ein Vielfaches. Diese Mehreinnahmen sollten nach unseren Vorstellungen gerade zur Verbesserung des ÖPNV benutzt werden. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum NRW bei einem Einnahmefluss von über 1 Milliarde € in 2007 die Schülerbeförderungskosten radikal kürzt und die von Ministerpräsident Rüttgers mit zu verantwortende Kürzung der Regionalisierungsmittel im Landeshaushalt 1:1 umsetzen will.

Der vorliegende Antrag verfehlt daher das Thema, und es mangelt ihm völlig an einem konstruktiven Beitrag zur Stärkung des ÖPNV in der kommenden Zeit.

(Beifall von der FDP)

Daher wird die SPD-Landtagsfraktion diesen Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wißen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Brockes.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Grünen unternimmt mit dem heutigen Antrag zum wiederholten Mal den Versuch, sich als Retter des ÖPNV aufzuspielen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das sind wir ja auch!)

Oh ja. – Jetzt haben Sie mit einer mehr als dürftigen Begründung der Eilbedürftigkeit einen Eilantrag gestellt. Darin sollen die Verantwortung für die Qualitätsmängel bei der Bahn und die vom Bund vorgenommenen Kürzungen bei den Nahverkehrsmitteln und auch die eigenen Versäumnisse aus rot-grüner Regierungszeit komplett auf die neue Landesregierung abgewälzt werden. Lieber Herr Kollege Keymis, da machen Sie es sich wirklich zu leicht.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, Sie zitieren in Ihrem Antrag aus dem Qualitätsbericht der Agentur Nahverkehr vom März 2005. Dort heißt es:

„Die Schieneninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen ist infolge der Leistungsausweitungen im integralen Taktfahrplan in einigen Bereichen fast an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gelangt.“

Und weiter:

„Der Aus- und Neubau der Infrastruktur ist weiter mit hoher Priorität voranzutreiben. So ist auf einigen Hauptachsen … mittlerweile die Leistungsfähigkeit voll ausgeschöpft. Dies hat unweigerliche Auswirkungen auf die Qualität des SPNV.“

Meine Damen und Herren, wenn man das hört und sich vor Augen führt, wer im März 2005 die Verantwortung trug, muss man sagen: Das war nicht die FDP-Fraktion. Das war auch nicht die CDU-Fraktion. Das war auch nicht der Minister für Bauen und Verkehr. Nein, meine lieben Kollegen und Herr Keymis, das waren Sie, die dafür die Verantwortung tragen.

(Beifall von FDP und CDU)

Aber kommen wir zur Sache. Gerade was die WM angeht, haben wir einige Störungen zu verkraften. Aber man muss auch ganz deutlich sagen, dass noch nie so viele Züge in Nordrhein-Westfalen unterwegs waren wie zurzeit. Da ist es eigentlich klar, dass Probleme auftreten können. Das liegt auf der Hand, denn wir sind hier weit über dem Normalbetrieb. Hier von einem Herbstchaos im