Protocol of the Session on June 21, 2006

Das, was mit den drastischen Kürzungen im Maßregelvollzug passiert, ist eine Aufkündigung des Konsenses, den es hier im Land gegeben hat.

Apropos Parteipolitik: Es ist dem Thema meines Erachtens nicht angemessen, wenn ein Minister über die Presse dem Chef eines Trägers mitteilt, er warte auf seinen Nachfolger, auf einen CDUMann, um die Gespräche fortzusetzen;

(Beifall von der SPD)

es ist auch nicht angemessen, wenn ein Minister sagt, bei einem Träger müsse das Personal ausgewechselt werden, das Personal, das sich den neuen Plänen, nämlich den Kürzungsplänen gegenüber sehr kritisch geäußert hat und deutlich auf die Risiken dieser Kürzungen hinweist. Es ist seine Pflicht, auf diese Risiken hinzuweisen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Statt die Probleme, die Brisanz und die Sicherheitsrisiken zu bedenken, wird versucht, mit solchen pauschalen Argumenten einfach alles vom Tisch zu wischen.

Wir erwarten in der weiteren Debatte und Diskussion Offenheit, Transparenz und die Einbeziehung aller Fraktionen des Landtags bei einer entsprechenden Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs. Wir erwarten verantwortliche Finanzierungsgrundlagen für den Maßregelvollzug und zumutbare Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, denn sie sind es, die die Sicherheit im Maßregelvollzug letztendlich gewährleisten müssen.

Wer drastische Einsparungen vornimmt, spielt mit dem Feuer, weil Sicherheit auch ihren Preis kostet. Wer ein gemeinsames Vorgehen anbietet, muss auch Informationen an das Parlament weiterleiten. Bis heute, Herr Minister, haben Sie beispielsweise nicht dargestellt, wie Sie mit Mittelkürzungen Mehrausgaben für notwendige Baumaßnahmen finanzieren wollen, die entstehen, wenn man einen Übernachteinschluss oder einen Übermittageinschluss will. Gleichzeitig haben Sie nicht dargelegt, wie Sie, wenn Sie zukünftig die Zimmer in Einzelzimmer umwandeln wollen, gleichzeitig verhindern wollen, dass ein Abbau von Plätzen stattfindet.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Wir als SPD-Fraktion sind zu Kooperationen nach wie vor bereit. Wir werden aber eine Augenwischerei und eine Verwischung der Probleme nicht zulassen und tragen Einbußen bei sicherheitsrelevanten Maßnahmen nicht mit. Kooperationen ja,

aber im Sinne der Weiterentwicklung und nicht im Sinne des Rückwärtsgangs.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Fischer. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf einige Punkte von Herrn Burkert eingehen. Herr Burkert, Sie haben gesagt, Sie könnten nicht verstehen, warum wir solch einen Antrag gestellt haben. Ich verstehe unter Maßregelvollzug und einem Maßregelvollzugskonzept mehr, als nur im Rahmen der Haushaltsberatungen über Kürzungen zu reden. Wir müssen über die Weiterentwicklung und die Bedarfszahlen reden. Herr Minister, unsere einzige Antwort bezüglich der Entwicklung der Bedarfszahlen ist nicht, wir müssen mehr Plätze schaffen, sondern wir wollen darüber reden, wie wir zu einer qualitativen Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs kommen können, damit Therapie effizienter ist.

Wenn Sie sich ansehen, wie die Situation in den anderen Bundesländern ist – Sie stellen ja immer gerne einen Vergleich zwischen den Bundesländern an, wie viel preisgünstiger es woanders ist –, dann sollten Sie sich auch die Zahlen bei der Überbelegung ansehen. In den anderen Bundesländern gibt es nicht eine Überbelegung in dem Umfang, wie sie hier prognostiziert wird. Jeder weiß aus den Anhörungen des damaligen PUA und den weiteren Diskussionen, dass eine Überbelegung natürlich zu einem Qualitätsabfall bei der Therapie führt. Wenn es in einzelnen Einrichtungen zu viele Patientinnen und Patienten gibt – Sie waren bestimmt auch schon in Bedburg-Hau, in Eickelborn und in anderen Einrichtungen – können Sie feststellen, dass zum Teil die Therapieräume zwischendurch mit Patientinnen und Patienten belegt sind und Arbeitstherapien und andere Maßnahmen daher nicht stattfinden können. Dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die Verweildauer länger ist, denn schlechte Therapie bedeutet längere Verweildauer, und Überbelegung führt zu schlechter Therapie. Deshalb müssen wir an allen Seiten gleichzeitig arbeiten. Ansonsten nützt es überhaupt nichts.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir haben einen Antrag eingebracht und Sie haben Positionen in die öffentliche Diskussion eingeführt. Wenn man einen Konsens herstellen will, dann muss man über die gesamte Palette diskutieren und überlegen, welche Sachen wie zu prü

fen sind. Ihre drei Vorschläge, die Sie vorhin in die Debatte eingebracht haben, werden wir kritisch prüfen müssen. Sie sagen, Strafe vor Therapie sei Konsens zwischen allen. Trotzdem müssen wir dann darüber reden, wie wir damit umgehen, dass die WHO Gesundheitsbehandlung vor Strafe fordert. Des Weiteren müssen wir klären, wie das im Justizbereich zu regeln ist, ob diesbezüglich so viele Mehrkosten auf das Land zukommen, dass es eine Rechnung ist, die für das Land nicht positiv ausgeht, sondern bei der die Mehrkosten im JVA-Bereich höher sind als die Minderkosten im Forensikbereich. Das werden wir gemeinsam diskutieren müssen, denn damit wäre dem Land, den Menschen und niemandem hier geholfen.

Wir brauchen also eine konstruktive Diskussion, bei der alles auf den Tisch kommt, bei der alles hinterfragt und diskutiert wird, um dann zu einer qualitativen Weiterentwicklung zu kommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Steffens. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2104 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Abschließende Beratung und Abstimmung finden in diesem Ausschuss in öffentlicher Sitzung statt. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen? – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

6 Schon im Frühsommer Herbstchaos bei der Bahn! Landesregierung sprachlos?

Eilantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/2148

Ich mache darauf aufmerksam, dass über Eilanträge direkt abgestimmt wird. Was unter dem Thema zu verstehen ist, wird uns für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Herr Abgeordnete Keymis erläutern. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, „Vom Pannen

Olli“ – auf italienisch heißt das übrigens „PaniniOlli“ –

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN)

„zum Ruinen-Olli“, scherzte die „taz“ in diesen Tagen über Sie, Herr Verkehrsminister. Olli, Herr Minister, werden wir immer genannt; das wissen wir Olivers. Aber die Attribute, die Sie jetzt dazu bekommen, nämlich „Pannen“ und „Ruinen“, haben schon etwas mit dem Eindruck zu tun, den wir von Ihrer Politik haben müssen. Und dafür tragen Sie, Herr Minister, die politische Verantwortung.

Sie haben es angekündigt: Schluss mit der Schienenvorrangpolitik in NRW, die übrigens in NRW noch Gesetz ist und – ich erinnere daran – im entsprechenden IGVP-Gesetz steht. Sie haben ein, wie ich finde, doppelbödiges Spiel in Richtung Berlin und in Richtung NRW gespielt. Sie haben hier gesagt: Wir sind gegen die Kürzung der Regionalisierungsmittel. – Und Sie haben in Berlin signalisiert: Wir sind bereit, über Kürzungen zu reden. – Entsprechend groß war die Welle, die Sie, Herr Minister, veranstaltet haben, und in dieser Welle haben Sie sich selbst versenkt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist politisch für das Land, aber auch für die Menschen in Nordrhein-Westfalen bedauerlich, die natürlich unter den Folgen, die Sie mit verantworten, zu leiden haben.

Unser Antrag hat einen Anlass. Deswegen müssen wir uns heute mit Ihnen parlamentarisch damit auseinander setzen. Es ist nämlich wieder das Bahnchaos ausgebrochen, diesmal aber schon im Frühsommer und nicht im Herbst, und zwar aus denselben Gründen, die in den Herbstchaostagen immer wieder angeführt wurden: Die Strecken sind überlastet, die Strecken sind nicht mehr genügend gewartet, die Fahrzeuge gehen auf freier Strecke kaputt, die Leute stehen eine Stunde lang und länger in den Zügen schwitzend herum und kommen nicht heraus. Es ist im Grunde mindestens punktuell immer wieder in diesem Land ein Desaster, was sich auf den Schienen abspielt. Und Sie, Herr Minister, sind dafür verantwortlich, dass fast 800 Millionen € pro Jahr an die DB Regio fließen, damit diese Verkehre hier im Land ordentlich organisiert werden.

Es findet eben nur noch teilweise gut funktionierender Verkehr statt, und die Bahn-Menschen wissen das auch. Aber sie wissen auch, warum das so ist: Die Bahn soll an die Börse. Sie ist nicht mehr für die Menschen, sondern für Börse da, Herr Minister.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihr doppelbödiges Spiel in Berlin ist gescheitert. Sie haben uns einen Vermittlungsausschuss als Option angeboten; den wird es nicht geben. Der Bundesfinanzminister hat Ihnen vielmehr mit Trick 17 die Mehrwertsteuererhöhung angeboten, und das Land hat sich getreu dem Motto „Ablehnung, wenn Zustimmung“ verhalten. Das Land hat sich hingestellt und gesagt: Wir stimmen gegen diese Vorschläge des Bundes. – Aber im Prinzip spielen Sie das Spiel natürlich mit.

Deswegen werden wir folgende Auswirkungen in Nordrhein-Westfalen zu gewärtigen haben: Wir haben von 2006 bis 2009 einen kumulierten Kürzungsbetrag in Höhe von 284,25 Millionen € zu verkraften. Dazu kommt noch die Kürzung der Schülerbeförderungsmittel; das sind 27 Millionen € pro Jahr, also insgesamt 108 Millionen €. Die Summe der Kürzungen von Bund und Land machen also kumuliert gerechnet von 2006 bis 2009 392,25 Millionen € aus. Herr Minister, das ist in Nordrhein-Westfalen die Realität bis 2009, und für dieses Desaster tragen Sie die Verantwortung. Vom „Pannen-Olli“ zum „Ruinen-Olli“.

Jetzt muss die Dynamisierung ab 2009 gesetzlich festgeschrieben werden. Der Bundesfinanzminister hat Ihnen das in seiner Rede im Bundesrat vorgetragen. Er hat gesagt, das stehe für ihn auf der Tagesordnung. Wir haben außer diesen mündlichen Zusagen in Berlin leider keine Hinweise darauf, wie das konkret gesetzlich umgesetzt werden soll. Wir wissen auch nicht, wie mit diesen Kürzungen im Land künftig umgegangen wird. Wir haben de facto überhaupt keine Hinweise darauf, wie es mit dem öffentlichen Schienenpersonennahverkehr in Nordrhein-Westfalen weitergehen soll. Und das, Herr Minister, ist auch Ihre Verantwortung.

Dass Ihr Sprecher im Ministerium gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber der nachfragenden Presse erklärt: „Wir wissen auch nicht, wie es weitergeht“, belegt Ihre Sprachlosigkeit, und diese Sprachlosigkeit ist eben einen Eilantrag wert.

Dieser Eilantrag bezieht sich im Wesentlichen noch einmal auf all die Fragen, die wir seit Wochen, seit Monaten hier stellen, und insbesondere auf die Frage, warum Sie eigentlich die Agentur Nahverkehr abschaffen wollen, die doch so wichtige Hinweise bietet. Ich verweise auf den Qualitätsbericht vom März 2005; wir haben es im Antrag zitiert. Dort ist genau auf die Probleme eingegangen worden, die jetzt zu dem Desaster führen, das wir auf den Schienen immer wieder erleben, wenn es ein bisschen eng wird, wenn es heiß wird, wenn mehr Leute mit Bus und Bahn fahren wollen oder wenn im Herbst die Blätter auf die

Schienen fallen. All diese Probleme sind hausgemacht.

Die Bahn investiert in ihre großen Projekte. Nehmen Sie die Neubaustrecke Erfurt-Nürnberg, in die Milliarden investiert werden. Wir fahren hier dagegen auf alten Schienen mit einem mittlerweile integralen Taktfahrplan 2. Das leistet das System nicht mehr, und das wissen Sie. Hier muss investiert werden, hier muss ausgebaut werden. Aber auch zum Rhein-Ruhr-Express hören wir nichts Neues.

Letzter Hinweis: Sie haben uns mit Blick auf das Gutachten zur Neuorganisation der Verbünde natürlich nicht die Wahrheit gesagt. Ich habe hier die Einladung der CDU-Landtagsfraktion zur „Regionalen Kooperation im öffentlichen Nahverkehr“. Das Ministerium trägt mit entsprechenden Ergebnissen und Empfehlungen des Gutachtens vor. All das muss Ihnen also bekannt sein. Ich sage Ihnen: Uns liegt das Gutachten immer noch nicht vor; jedenfalls wurde es uns nicht von Ihnen gereicht. Der Kollege Hilser nickt schon wieder; das Gutachten liegt der SPD also auch nicht vor. Das ist die Art, wie Sie hier Politik machen.

Meine Redezeit ist zu Ende. Ihre hat noch nicht begonnen. Aber vermutlich werden Sie hier wieder nichts zu sagen haben. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Keymis. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Lorth das Wort.

(Bodo Wißen [SPD]: Oh „Lord“, won’t you buy me a Mercedes-Benz?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben eben noch die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, Herr Präsident, dass uns die antragstellende Fraktion in ihrem Wortbeitrag die Sinnhaftigkeit dieses Eilantrags mitteilen könnte. Das ist allerdings nicht gelungen. Jedenfalls unserer Meinung nach ist die Sinnhaftigkeit nicht gegeben.

Denn dieser Eilantrag titelt unter der Überschrift „Schon im Frühsommer Herbstchaos bei der Bahn! Landesregierung sprachlos?“ und gipfelt dann in dem ersten Absatz, der heißt: