Herr Becker, da geht es nicht um Standardabbau. Herr Töns, da geht es nicht darum, dass etwas rasiert oder abgesenkt wird. Da geht es vielmehr darum, dass etwas sinnvoll anders gemacht wird. Wie sehen die Chancen für dieses Gesetz aus?
Bei einem Symposium deutscher Banken und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am 8. Juli 2004 ging man der Frage nach: „Bürokratie abbauen – aber wie?“. Prof. Dr. Henzler, Mitglied des Advisory Council bei McKinsey und 2003 – Sie haben eben auch darauf hingewiesen – Leiter des bayrischen Expertenrates, sagte dort:
„Wir haben bei den untersuchten 1.200 Maßnahmen festgestellt, dass etwa 50 bis 60 % des Gesamtpaketes direkt in Bayern geregelt wer
„Ich glaube, dass es sehr sinnvoll ist, alles, was man in den Kommunen machen kann, schon auf dieser Ebene zu tun.“
Ich denke, dieses Zitat belegt eindrucksvoll, dass wir auf dem richtigen Weg sind, eben auch hier etwas zu tun.
Schätzungen gehen davon aus, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass bis zu 90 % der Landesgesetze von den Kommunen auszuführen sind. Die Möglichkeiten, bei dieser erdrückenden Ausgangslage Alternativen zu entwickeln, die vor Ort besser passen als die uniformierten Vorgaben des Landes, müssen doch geradezu eine Herausforderung für die kreativen und innovativen Mitarbeiter in Rat und Verwaltung sein.
Ich glaube, dass dieses Potential einerseits vorhanden ist und andererseits, was weitaus wichtiger ist, auch abrufbar ist. Die Praktiker unter uns, diejenigen draußen im Land, die schon so häufig gesagt haben, ich weiß, wie es besser geht, wie diese Aufgabe anders, kostengünstiger, weniger personalintensiv zu erledigen ist, die haben jetzt ihre Chance. Sie sind übrigens von der Umsetzung nur durch eine Anzeige – das ist schon gesagt worden – beim zuständigen Fachministerium getrennt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben etwas getan, was im Fußball nicht möglich ist: Wir haben das Spielfeld erweitert. Mit dem Standardbefreiungsgesetz werden neue Spielräume für Städte, Kreise und Gemeinden geschaffen. Ich fordere die kommunale Familie nachdrücklich auf, nach Anwendungsmöglichkeiten für diese neue Freiheit zu suchen. Mit Mut und Zuversicht, beherzt angewandt, wird das Standardbefreiungsgesetz ein wertvoller Baustein für die Erneuerung dieses Landes sein. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich Herrn Engel ein
bisschen Unterstützung geben, was die Regierungszeit der FDP in der Vergangenheit angeht: Zehn Jahre der 39 Jahre der „Lähmung des Landes“, die Sie der SPD immer vorwerfen, waren Sie selbst beteiligt. Das für zukünftige Diskussionen und zur Einschränkung Ihrer verbalen Attacken.
Als Zweites möchte ich gerne an den Beitrag des Vorredners anknüpfen. Mir hat sich der Zusammenhang dieses Gesetzgebungsverfahrens mit dem potentiellen Erfolg der deutschen Nationalmannschaft beim Fußball noch nicht erschlossen –
es sei denn, Sie würden über einen Eilantrag in das Standardabbaugesetz vielleicht noch Änderungen der Strafstoßregel, der Abseitsregel usw. kurzfristig einbringen, damit das noch bis zur WM greifen kann. Ich wäre über eine Aufklärung, was Sie sich da konkret gedacht haben, sehr dankbar. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Herr Innenminister Wolf hat angedroht, er würde hierzu als Sportminister noch etwas sagen wollen, aber er hat sich nicht gemeldet. Deswegen schließe ich die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieses Gesetzentwurfs Drucksache 14/1860 an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform – federführend – und mitberatend an den Innenausschuss sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer für diese Überweisungsempfehlung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit einstimmig so beschlossen.
4 Soziale Gerechtigkeit statt Perspektivlosigkeit in teuren Warteschleifen – Chancen für Ausbildung und Beruf sichern
Ich eröffne die Beratung. Als erste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Steffens das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Situation am Ausbildungsmarkt katastrophal ist. Wir haben zu wenige Ausbildungsplätze für Jugendliche, wir haben zu wenige Arbeitsplätze. Immer mehr Jugendliche stehen ohne Arbeit da. Immer mehr Jugendliche haben letztendlich aus ihrer Blickrichtung keinerlei Perspektive.
Wir müssen im Interesse der Jugendlichen Ausbildungsplätze schaffen, wir müssen aber auch im Interesse der Gesellschaft Ausbildungsplätze schaffen. Denn wenn wir uns die demographische Entwicklung anschauen, ist klar prognostiziert, dass ab 2009 nicht nur die Schülerzahlen zurückgehen, sondern dass wir auch einen massiven Fachkräftemangel bekommen werden.
Unsere Jugendlichen heute sind unser Fachkräftekapital für die Zukunft. Deswegen müssen wir im Interesse der Wirtschaft, im Interesse des Landes und im Interesse der Jugendlichen jetzt zügig zu einer wirklichen Veränderung und Entspannung am Ausbildungsmarkt kommen.
Wenn wir uns ansehen, was in den letzten Jahren passiert ist, stellen wir fest: Es gab sehr viele Bemühungen auf Bundesebene und auf Landesebene, um zu freiwilligen Vereinbarungen mit der Wirtschaft zu kommen. Aber leider, wie es oft so ist, haben sämtliche der freiwilligen Vereinbarungen keinen wirklichen Erfolg gebracht, denn die Situation am Ausbildungsmarkt ist schlechter denn je.
Wir haben über 111.000 Jugendliche, junge Menschen unter 25, die in Nordrhein-Westfalen arbeitslos sind, die Überbrückungsmaßnahmen, Schulungs-, Qualifizierungs- und Integrationsmaßnahmen hinter sich haben, aber nach wie vor bezogen auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nicht versorgt sind. Mittlerweile kommen durchschnittlich zwei, in manchen Regionen fünf Bewerberinnen und Bewerber auf einen einzigen Ausbildungsplatz. Bundesstudien zeigen, dass mittlerweile genauso viele Jugendliche in Auffangkonzeptionen oder Übergangsklassen sind wie im dualen System.
Das zeigt, unsere Situation ist katastrophal. Wir müssen unbedingt neue Ausbildungsplätze schaffen; denn diese Situation staatlich finanzierter Ausbildung statt Ausbildung in der freien Wirtschaft kann nicht die Zukunft sein, vor allen Dingen dann, wenn die Verschiebung noch weiter in die andere Richtung geht.
In der Analyse stimmen wir wahrscheinlich noch weitgehend überein. Allein bei der Frage, welche Instrumente wir nutzen müssen, gibt es ein sehr breites Auseinanderklaffen, wie ich in der Vergangenheit immer wieder wahrgenommen habe. Ich mache keinen Hehl daraus, für uns ist das Instrument der Ausbildungsplatzumlage ein Instrument, das auf jeden Fall umgesetzt werden muss, also eine verpflichtende Umlage für die Wirtschaft. Immer dann, wenn bis zum 30. September eines Jahres nicht genügend Ausbildungsplätze bereitgestellt werden, würde eine solche Ausbildungsplatzumlage greifen. Es wäre ein bundesweites Gesetz, das natürlich auch den Vorrang für tarifliche und für branchenspezifische Lösungen einräumt. Ein bundesweites Gesetz würde greifen, um dieser Ausbildungsmisere endlich ein Ende zu setzen.
Es gab auf Bundesebene einmal eine weitgehende Übereinstimmung mit der SPD darüber, dass dieses Gesetz an den Start kommen soll, wenn die Wirtschaft auch nach einem allerletzten Versuch nicht genügend Ausbildungsplätze bereitstellt. Ich würde mir wünschen, dass es auf Bundesebene endlich vorangetrieben wird. Nachdem die Wirtschaft keines ihrer Versprechen umgesetzt hat, ist die CDU nun endgültig in der Verpflichtung, im Interesse der Jugendlichen Ausbildungsplätze zu schaffen.
Das ist aber nicht der einzige Punkt, von dem wir glauben, dass dringend über ihn gesprochen werden muss und wo dringender Handlungsbedarf besteht. Wir haben jetzt seit dem 1. April 2005 mit dem Berufsbildungsgesetz die Grundlage dafür, dass Länder per Rechtsverordnung den sinnlosen Warteschleifen ein Ende setzen können. Sie können entscheiden, welche Berufsbereiche und Ausbildungsbereiche mit einer Anerkennung des ersten Jahres verbunden werden. Sie können entscheiden, in welchen Fällen sogar die Zulassung zu Abschlussprüfungen vor Kammern erteilt werden kann. Das Land steht hier in der Pflicht.
Vonseiten der damaligen Opposition, der CDU, haben wir früher immer gehört, wir sollten uns ein Beispiel an Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Bayern nehmen. Jetzt sind diese Länder dem weit voraus, was wir in NordrheinWestfalen machen. Wir möchten gern, dass das Land möglichst schnell weiter vorangeht und Möglichkeiten für Jugendliche in diesem Bereich schafft.
Ich habe noch einen letzten Punkt, auf den ich eingehen möchte. Dann sage ich noch einige Sätze zu dem Bildungsbereich.
Wir brauchen Maßnahmen, die passgenau auf die Jugendlichen zugeschnitten sind. Wir brauchen Transparenz in dem vorhandenen Maßnahmenwust. Wir brauchen Maßnahmen nach dem Motto „Klasse statt Masse“. Das Werkstattjahr wird bisher nicht angenommen. Es ist auch kein wirklich geeignetes Instrument für diesen Bereich.
Wir brauchen mehr pädagogische Betreuung in dem Bereich. Wir brauchen mehr spezielle Fort- und Weiterbildung, passgenau auf die Jugendlichen zugeschnitten. Wir hatten in der Vergangenheit viele Angebote wie Jugend in Arbeit, BUT und andere Maßnahmen. Wir sollten darauf setzen, damit die Jugendlichen eine wirkliche Perspektive haben und nicht in Warteschleifen vor sich hindümpeln und dann wieder in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.
Das war ein Ziel, welches Herr Laumann auch heute Morgen in der Debatte beschrieben hat. Es reicht nicht, etwas nur in einer Debatte zu beschreiben, sondern es muss auch umgesetzt werden. Wir fordern Sie auf, konkrete Maßnahmen im Sinne unseres Antrags umzusetzen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Arbeit und Ausbildung sind heutzutage ein Privileg. In Nordrhein-Westfalen stehen knapp 74.000 Ausbildungsstellen rund 122.000 Bewerberinnen und Bewerber gegenüber.
Wo müssen wir die Verantwortung suchen? Welche Verantwortung tragen die Arbeitgeber, die Gewerkschaften, die Eltern, die Schulen oder die Politik? Ist es die neue oder die alte Landesregierung, Herr Schmeltzer? Ist es die mangelnde Flexibilität junger Leute? Ist es der schlechte Bildungsstand der Schulabgänger? Ist es die NullBock-Generation? Ist es die persönliche Verantwortung der Schulabgänger? Ist es die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Jugendlichen? Ist es die überwuchernde Bürokratie? Ist es die allgemeine wirtschaftliche Situation oder die Folge der Globalisierung?
chen Einkommen teilhaben können. Was tun wir dafür, damit sich junge Menschen ihre eigene Lebensplattform aufbauen können und eine nachhaltige Sicherheit zur Planung ihrer eigenen Zukunft erhalten? Sehen wir die jungen Leute eigentlich ohne Perspektive, oder akzeptieren wir Jugendarbeitslosigkeit als Zeiterscheinung?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was soll die Jugendlichen an die Worte ihrer Eltern und Lehrer glauben lassen, wonach sich Lernen lohnt? Was soll sie an unsere freiheitliche Rechtsordnung glauben lassen? Wie wollen Sie junge Leute motivieren, zu lernen, sich fortzubilden und sich zu engagieren, wenn ihnen Perspektiven fehlen?
Nur dann, wenn die jungen Mitbürgerinnen und Mitbürger unsere Initiative und Unterstützung spüren, werden sie sich eines Tages selbst solidarisch zeigen. Packen wir es also an – an die Arbeit. Nicht warten, sondern handeln. Ein Dank gilt auch unserem Minister Laumann für die vielen Initiativen.