Protocol of the Session on May 18, 2006

Auf Bundesebene will die CDU/CSU noch ein eigenes Kombimodell in die Diskussion einbringen, vorgestellt von ihren beiden Generalsekretären. War daran der CDA-Vorsitzende als Fachpolitiker auch beteiligt oder hat man Sie an dieser Stelle in Berlin bereits vergessen?

Aber kommen wir zum Modell Laumann, das diese Bezeichnung überhaupt nicht verdient, weil all das, was Sie da vorschlagen, schon heute in den

Arbeitsgemeinschaften möglich ist. Das ist ja wirklich innovativ, Herr Minister!

Aber der Stein des Anstoßes, warum die CDUFraktion Sie hier heute abfeiern will, ist doch, dass Bundesmittel gebunden werden sollen, für die Sie definitiv keine Zuständigkeit haben, frei nach dem Motto: Bund bezahl mal, ich feiere das ab, und mein Pfeil in der „Bild“-Zeitung zeigt dann nach oben, ohne Scherenschnitt.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Es ist richtig, wenn Franz Müntefering da korrigierend eingreift. Ich sage Ihnen, Herr Henke: Das geht, dass er da eingreift, und das ist richtig.

(Beifall von der SPD)

Sie picken sich die Rosinen heraus und verdrängen, dass es andere, bessere Wege gibt, die Sie mit Ihrer Extraparty erschweren. Sowohl Praktiker als auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank sagen, dass die bisherigen Kombilohnmodellversuche eher enttäuschend gewesen sind, insbesondere wegen der bekannten Mitnahmeeffekte. Wir alle wissen, dass findige Unternehmer beim Errechnen ihrer Kosten schnell dabei sind, solche Effekte für sich zu nutzen, und dass bestehende oder noch zu erstellende Arbeitsplätze dadurch gefährdet sein können.

Wir müssen erst einmal das Entsendegesetz überall da anwenden, wo es nur eben geht. Das passiert ja auch schon. In diesem Jahr werden bundesweit etwa 600.000 Gebäudereiniger unter das Entsendegesetz fallen. Der Vorteil: Auch ausländische Unternehmen müssen ihre Leistungen zu hiesigen Tarifen anbieten. Ausländische Billigkonkurrenz wird damit EU-konform verhindert.

Wir verbessern gerade bei einfacheren Dienstleistungen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Beschäftigten. Das muss auch für andere Branchen funktionieren. Dafür brauchen wir bundesweite Flächentarifverträge. Unser Ziel ist es daher, die Tarifstrukturen auch in anderen Branchen bundesweit anzupassen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Richtig, aber Verdi fordert gerade das Gegenteil!)

Wer blockiert denn bei Verdi, Herr Minister? Sie äußern sich doch nicht zu Verdi, Sie halten sich zurück! Sie geben draußen schöne Sprüche ab und geben Ihrem Herrn Minister Linssen nicht die Ratschläge, die Sie eigentlich laut Ihrer CDABeschlüsse geben sollten!

(Beifall von der SPD – Minister Karl-Josef Laumann: Sie versprechen sich gerade!)

Da ziehen Sie sich heraus und hier schreien Sie wieder herum!

Wir müssen dies gemeinsam mit den Tarifpartnern für mehr Beschäftigung angehen. Helfen Sie uns dabei! Schreien Sie nicht immer nur! Überzeugen Sie die Zauderer der CDU-Fraktion in Berlin!

Wir müssen bei einer solchen Thematik auch den Mindestlohn im Auge behalten. Auch hier, Herr Minister, sollten Sie unseren Ratschlag annehmen. Sie als Arbeitsminister des größten Bundeslandes müssen auch in Berlin Verantwortung übernehmen, wenn es schon Ihr Ministerpräsident nicht tut.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Burkert?

Wir haben eine Aktuelle Stunde, da gibt es nicht die Möglichkeit, Zwischenfragen zu stellen.

Stimmt!

Worüber reden wir denn beim Kombilohn? Wir reden darüber, dass ein Arbeitsuchender einen Arbeitsplatz bekommt und ein Dritter seine Bezahlung bezuschusst. Das gibt es schon, zum Beispiel Minijobs, Midijobs, Aufstocker ALG II, Zuschüsse für Arbeitnehmer im Bereich SGB III, die im Übrigen viel zu wenig genutzt werden. Wenn Sie etwas Eigenes machen wollen, Herr Laumann, das auch mit „NRW“ tituliert werden könnte, dann stricken Sie doch einmal eigene Programme für eigens definierte Zielgruppen, die mit eigenen Haushaltsmitteln die Möglichkeit für neue Beschäftigungspotenziale schaffen. Dann haben Sie uns auch in NordrheinWestfalen an Ihrer Seite.

Ich betone noch einmal: eigene Ideen bitte schön mit eigenem Geld entwickeln! Dann machte auch Ihre Aussage in der „NRZ“ von gestern Sinn: „Am Geld soll es jedenfalls nicht scheitern“, denn dann wäre es Geld, über das Sie verfügen können.

Aber ich will mich nicht nur am Geld festbeißen. Sie sagen, Sie erhalten für Ihre Modelle breite Zustimmung. Logisch – weil sie durch die Vorgaben in den Arbeitsgemeinschaften schon machbar sind! Sie sagen, dass Sie mit den Arbeitsgemeinschaften gesprochen und von diesen Zustimmung erhalten haben. Das liegt doch ausschließlich daran, dass die schon längst wissen, was sie ohnehin dürfen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Oskar Bur- kert [CDU])

Aber wenn Sie in der gestrigen „NRZ“ davon reden, dass nur noch die Frage zu klären sei, inwieweit das Land ohne Weiteres über die von Ihnen angesprochenen Gelder verfügen könne, dann stellt sich mir die Frage, ob mir irgendetwas entgangen ist.

(Zurufe von der CDU)

Seit wann haben Sie als Landesarbeitsminister Durchgriffsrechte bei den Arbeitsgemeinschaften? Ein bisschen Rechtsaufklärung täte Ihnen ganz gut, denn dann wüssten Sie, dass der Minister über etwas spricht, wofür er keine Zuständigkeit hat.

(Beifall von der SPD)

Seit wann, Herr Minister, sind Sie in diesen Gremien weisungsbefugt? Hier ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens.

Fazit: Sie sind gut beraten, das zu tun, was Sie verantwortlich in Berlin mit vereinbart haben. Es ist eine gute Vereinbarung. Halten auch Sie sich daran! Bringen Sie sich in die Arbeitsgruppe ein, um zu einer tragfähigen bundeseinheitlichen Lösung zu gelangen! Stückwerk auf Kosten anderer zu produzieren, etwas zu erfinden, was schon funktioniert und angewandt wird, nur um gute Presse zu erhaschen, ist schlechter Stil, bringt uns im Ganzen in der Sache nicht weiter, wird durchschaut und lässt Pfeile für Sie nicht wirklich in die Höhe schnallen.

(Beifall von der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Steffens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem, was ich bisher in dieser Debatte gehört habe, glaube ich, dass die Menschen in diesem Land diese Aktuelle Stunde überhaupt nicht verstehen können. Wir haben im Land extrem viele Arbeitslose, auch Langzeitarbeitslose. Vor diesem Hintergrund einen Streit über eine unterschiedliche Auffassung in einer großen Koalition auf Bundesebene zum Thema einer Aktuellen Stunde zu machen geht an dem, was die Menschen im Land von uns als Parlament erwarten, weit vorbei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Menschen erwarten, dass wir Antworten auf die Probleme liefern, und nicht, dass wir einen

Streit über Kompetenzen oder darüber, was welche Koalition auf welcher Ebene wie umsetzen will, führen.

Wenn ich mir diese Debatte anhöre, kann ich in Richtung CDU nur sagen: Das, was Laumann hier vorgeschlagen hat, ist nichts Neues. Der Kombilohn ist kein neues Modell – das die Koalitionsverhandlungen zwischen Rot und Schwarz im Bund stark geprägt hat –, sondern ein Instrument, das es im Eingliederungstitel bereits gibt, nämlich Einkommenszuschüsse als Einstiegsgeld, Zuschüsse nach § 16 Abs. 3 und Zuschüsse nach § 29 SGB II. Es ist gar nichts Neues. Es ist auch egal, ob er das bezahlt, ob er das bestellt. Es ist ein Instrument, das in vielen Argen vor Ort schon lange eingesetzt wird.

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

Das ist nichts Neues.

Neu ist, dass man mit der BA Gespräche darüber führt, dass sie den Eingliederungstitel anders als in den letzten Jahren voll abrufen und Geld in diese Maßnahme stecken soll.

Es ist aber hanebüchen, damit zu suggerieren, das sei eine Lösung für die Menschen. Denn mit dem Instrument des Einkommenszuschusses, des Einstiegsgeldes werden keine dauerhaften Lösungen für die Menschen geschaffen. Bisher kann das Ganze nur temporär befristet finanziert und bewilligt werden. Das heißt: Wir haben eine neue Warteschleife für Langzeitarbeitslose, die zwei Jahre lang mit Kombilohn eine Perspektive vermittelt bekommen und nach zwei Jahren zurück in den Arbeitsmarkt fallen.

Wir haben hier vor einiger Zeit einen sehr umfassenden Antrag zu haushaltsnahen Dienstleistungen vorgelegt, der eine Menge an Ansätzen und an Modellen bietet. Er ist von Ihnen mal eben vom Tisch gewischt worden mit der Begründung: Das wäre wieder der Ausbau von staatlichen Ebenen. – Schauen Sie sich den Antrag jetzt noch einmal an! Vergleichen Sie ihn mit den Kombilohnmodellen! Dann werden Sie sehen, dass viel von dem, was in unserem Antrag steht, vom Minister umgesetzt wird, jedoch nur als Bruchteil dessen, was eigentlich notwendig ist.

Deswegen glaube ich: Wir brauchen die Debatte darüber, welche Instrumente für die Langzeitarbeitslosen wirklich dauerhaft sind. Kurze Warteschleifen bringen überhaupt nichts.

Klar ist: Was auf Bundesebene – Herr Laumann, es führt zu einem heftigen Reizreaktionsschema, wenn „Kombilohn“ in den Raum geworfen wird – von Ihrer CDU die ganze Zeit vertreten worden ist,

ist etwas anderes, als das, was Sie jetzt machen. Da gibt es nun heftigen Widerspruch, und zwar nicht nur zwischen Rot und Schwarz hier, zwischen Rot und Schwarz im Bund, sondern auch zwischen Schwarz und Schwarz in NRW und im Bund.

Die Bundes-CDU wollte den Niedriglohnsektor ausbauen, den Niedriglohnsektor fördern, Zusatzprämien im Niedriglohnbereich der freien Wirtschaft. Damit sind natürlich Risiken verbunden wie unsichere Beschäftigungswirkung, hohe fiskalische Kosten, Tariflohnaushöhlung und letztlich Arbeitsplatzvernichtung. Daher: Was im Bund andiskutiert wird, ist etwas anderes. Das halte ich für mehr als problematisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube auf der anderen Seite – an die Adresse der SPD –, dass das, was Müntefering jetzt als Reaktion darauf gebracht hat, für die Menschen im Land nicht nachvollziehbar ist. Ich finde es richtig, dass man klar und deutlich sagt: Wenn wir über Kombilohn reden, müssen wir über Mindestlohn reden. – Wenn ich einen Kombilohn einführe, der wirklich flächendeckend greift, muss ich darüber reden, wo bei der Abwärtsspirale, die von allen Instituten – egal ob vom IAT oder von anderen – prognostiziert wird, die Grenze eingezogen wird.

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

Auch Sie vertreten in Sonntagsreden, dass niedrigste Löhne unzumutbar seien

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

und dass Arbeit sich lohnen und existenzsichernd sein muss.