Ich habe nur den Anfang des Satzes zitiert, der noch viel länger ist. Das heißt: Erst nach Ende der Demonstration kam es zu Ausschreitungen. Aber Sie gehen über diesen Weg hin und werfen die Menschen, die hier friedlich demonstriert haben, mit in diesen Topf. Das ist unredlich, Herr Ministerpräsident.
Zum Schulbereich und grundsätzlich dem Inhalt Ihrer Schulpolitik: Ich sage es bei jeder Gelegenheit und überall im Land, dass wir weit davon weg sind zu glauben, dass wir alles – auch und insbesondere bei Schule – immer richtig gemacht haben. Aber wir haben auch nicht immer alles falsch gemacht. Eins ist aber sicher – und an der Stelle gehen wir einen ganz anderen Weg als Sie –: Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Zukunft unserer Bildungspolitik nicht in den 50er-Jahren liegt. Das ist der entscheidende Unterschied.
Schauen wir uns einmal die Zahlen an: Sie haben mit viel Verve vorgetragen: Mehr als eine Viertelmilliarde mehr für unsere Kinder! – Ich hätte von Ihnen gerne einmal einen Beleg, wie Sie auf diese Zahl kommen. Ich nehme es vorweg, weil ich es mir vorstellen kann: Sie haben den Anstieg des Etats des Schulministeriums genommen und die Absenkung beim Kollegen Laschet gegengerechnet. Unterm Strich kommen Sie dann wahrscheinlich auf diese Summe.
Lassen Sie uns einmal hinter die Zahlen gucken. Was passiert mit diesem Geld, das Sie mehr aufgewendet haben? Wo kommt es an? Wie hilft es
Dazu ein paar konkrete Zahlen, von denen ich nicht weiß, ob man Sie Ihnen dazugeschrieben hat: 180 Millionen € der 262 Millionen € werden für strukturelle Steigerungen beim Personal eingesetzt. Dienstaltersstufen müssen bedient werden. Es geht um 180 Millionen € der insgesamt 262 Millionen €. Den Kindern vor Ort in der Schule hilft das überhaupt nicht, Herr Ministerpräsident.
72 Millionen € werden nach dem Haushaltsplan für Versorgungsleistungen für die Beamtinnen und Beamten aufgebracht. 5 Millionen € werden für die Beihilfe verausgabt. Am Ende bleiben 66 Millionen € für neue Lehrerstellen übrig. Das sind – Pi mal Daumen gerechnet – 1.330 Stellen.
Herr Ministerpräsident, besonders interessant in dem Zusammenhang sind die täglich neuen Wasserstandsmeldungen. Täglich steigen die Lehrerzahlen, allerdings nur auf dem Papier. Erst waren es 1.610 Stellen, dann 2.230 Stellen. Nach Ihren Aussagen jetzt sind es 3.230 Stellen. Damit nicht genug: In einem Papier der Landesregierung, das mir vorliegt, sind es plötzlich 4.730 Lehrerstellen. Irgendwann müssen Sie sich für eine Zahl entscheiden. Vor allen Dingen: Herr Ministerpräsident, zeigen Sie mir einmal im Einzelplan 05, wo die Stellen, die Sie den Menschen draußen in Ihren Reden dauernd verkaufen, abgebildet sind.
Ich kann Ihnen sagen, wo interessante Zahlen stehen. Auf Seite 4 steht beispielsweise, dass die Hauptschulen rund 1.300 Stellen verlieren. Oder nehmen wir Seite 127. Dort steht, dass Sie in den nächsten Jahren 2.000 Stellen streichen wollen. Das steht in diesem Haushaltsplan, Herr Ministerpräsident.
Kommen wir dann noch zu einem Thema, bei dem Sie sich auch sehr vollmundig geäußert haben. In Ihrer Regierungserklärung am 14. Juli haben Sie zum Thema „Unterrichtsausfall“ vollmundig angekündigt – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich wörtlich –:
„Damit das auch in Zukunft jedem klar ist und damit Sie sehen, dass diese Koalition keine Angst vor Transparenz in diesem Bereich hat, werden wir eine Statistik über den Unterrichtsausfall erstellen und veröffentlichen, sodass in Zukunft jeder weiß, wie viel Unterricht ausfällt.“
Herr Ministerpräsident, mein Kollege Wolfgang Große Brömer hat dazu Anfang April eine Kleine Anfrage gestellt, um herauszufinden, wie weit Sie mit dieser Statistik sind. Wir warten immer noch auf eine Antwort.
Auf Nachfragen im Ausschuss hat Frau Ministerin Sommer uns bereits angekündigt, dass es bei Stichproben bleibt. „Gesagt – getan“ gilt für diese Landesregierung nicht. Es gilt nach wie vor: Versprochen – gebrochen, meine Damen und Herren.
Noch ein Letztes kann ich Ihnen beim Thema Durchlässigkeit nicht ersparen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Sie nicht gut genug informiert werden
oder sich in der Realität nicht auskennen. Sie haben doch auch Kinder. Ich kann Ihnen einmal sagen, wie sich diese Durchlässigkeit, die Sie auf dem Papier schaffen, in der Realität auswirken wird: Es wird keine Möglichkeit mehr zum Aufstieg geben, Herr Ministerpräsident. Denn da Sie das Abitur nach zwölf Jahren an den Gymnasien anders regeln als an den anderen Schulformen, wird es dazu kommen, dass an den Gymnasien die zweite Fremdsprache in der sechsten Klasse beginnt und an den anderen Schulformen erst später. Deshalb kann keiner mehr diesen Aufstieg schaffen, weil er schlicht und einfach die Fremdsprachenkenntnisse nicht hat.
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Vielleicht ist der Minister- präsident zu weit weg von seinen Kindern!)
Herr Ministerpräsident, um das Thema Schule einmal zu verlassen, komme ich zum Hauhalt zurück. Sie stellen sich hierhin und sagen mit dem Ihnen eigenen Pathos: Schulden sind unmoralisch. – Ich sage das jetzt einmal so, wie ich es denke: Verdammt noch mal, warum legen Sie dann noch welche oben drauf?
Uns unsere Schulden vorzuhalten, ist in Ordnung. Aber wir haben Sie niemals aufgefordert, neue Schulden zu machen. Unser Konzept – das habe ich heute Morgen noch erläutert; Sie haben nicht immer zugehört, das hätten Sie tun sollen – sah das nicht vor. Auch wir wissen, dass jetzt endlich Spielräume da sind, um die Neuverschuldung zu
Dann kommen wir zu Ihrer neuen Wirtschaftspolitik; auch das fand ich interessant. Ihre Einlassungen lassen die Vermutung aufkommen, neue Wirtschaftspolitik hieße im Wesentlichen Haushaltspolitik. Dann bin ich dafür, dass wir direkt einen Ministerposten einsparen und Herr Linssen die Wirtschaftspolitik gleich mit macht.
(Gisela Walsken [SPD]: Das wäre eine gute Idee! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das wäre gut für das Land!)
Sie konnten ja nicht darstellen, welche wirtschaftspolitischen Erfolge Frau Thoben nach einem Jahr zu bieten hat.
Ich spare mir die Themen Kombilohn und Hartz IV, weil ich nicht mehr so viel Zeit habe. Darüber werden wir morgen noch einmal diskutieren können. Das wird sicherlich interessant sein. Dennoch eine Information für Sie: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Die Argen, die dafür zuständig sind, können bereits jetzt nicht besetzte Zivildienstplätze über ein kombilohnähnliches Modell vergeben. Das ist überhaupt kein Problem. Dafür brauchen wir den Aktionismus von Herrn Laumann nicht. Was hier gerade abläuft, ist ein reiner PR-Gag.
Noch ein Wort zur Innovationspolitik: Sie haben gesagt, Sie gäben den Hochschulen die Freiheit, die sie wollten. Ich sage Ihnen: Sprechen Sie mal mit den Leuten. Die wollen diese Freiheit gar nicht. „Keine Verabschiedung aus der politischen Steuerung“ haben Sie vorhin zugesagt. Was ist es denn, wenn Hochschulen Pleite gehen können und man sie bedenkenlos dem Markt aussetzt, sodass bestimmte Fächerkombinationen demnächst gar nicht mehr existieren können? Was ist das denn für eine Politik?
Nur ein Satz zum Schluss: Sie heften sich viele unserer Erfolge an. Aber der Korrektheit wegen und für das Protokoll: Die über 100 Stellen gegen den Umsatzsteuerbetrug, Herr Ministerpräsident, haben wir geschaffen
(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: So, wie der da sitzt, interessiert ihn das überhaupt nicht!)
Vielen Dank, Frau Kollegin Kraft. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Klein das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kraft, wir sehen ein, dass Sie es nach der Rede des Ministerpräsidenten richtig schwer hatten.
Allerdings ist es nicht so, dass Ihr Beitrag inhaltlich eine generelle Antwort unseres Fraktionsvorsitzenden auch nur im Entferntesten unbedingt notwendig gemacht hätte.
Deshalb scheint es mir sinnvoll, noch einmal auf die eine oder andere Zahl aus dem Haushaltsplan zu sprechen zu kommen. Dabei möchte ich direkt an das anknüpfen, was Sie, sehr geehrte Frau Kraft, heute Morgen schon gesagt haben.
Ich denke, dass es ein wirklich eindrucksvoller Nachweis von Abgebrühtheit ist, wenn Sie jetzt nach langer Regierungszeit fordern, es müsse mehr Politik für Kinder gemacht werden. Sie haben doch immer nur Politik für Banken gemacht –
112 Milliarden € Schulden. Dass wir heute jeden zehnten Euro im Haushalt für Zinszahlungen reservieren müssen, ist ein Bankenförderungsprogramm, aber kein Kinderförderungsprogramm.