Protocol of the Session on April 5, 2006

Für dieses Zitat ist der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD, Edgar Moron, verantwortlich. So viel zum Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit, meine Damen und Herren.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Genau! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Man kann sich doch mal irren!)

Ich glaube, dass wir in Erinnerung rufen müssen, dass wir als CDU vor der Wahl mit der Zusage angetreten sind, eine grundlegende und zukunftsweisende Bildungsreform auf den Weg zu bringen. Wir haben den Menschen klar gesagt, was wir tun werden. Dazu sind wir übrigens von den Bürgern gewählt worden, dafür haben wir die Verantwortung bekommen. Dafür, meine Damen und Herren von Rot-Grün, sind Sie von den Bürgerinnen und Bürgern abgewählt worden. Frau Schäfer, Sie waren seinerzeit Spielführerin der Mannschaft.

(Ute Schäfer [SPD]: In der Tat!)

Das sollten Sie bitte einmal zur Kenntnis nehmen.

Natürlich werden wir landauf, landab in vielen Bereichen weiterhin kontrovers diskutieren. Das erfahren Sie, das erfahren wir bei vielen Diskussionsveranstaltungen, bei Anhörungen oder auch bei Pressemitteilungen. Ich will auch gerne zugestehen, dass niemand hier die absolute Wahrheit im Bildungsbereich gepachtet hat und man auch für andere Sichtweisen sehr wohl Verständnis aufbringen kann.

Nur – das darf ich am Rande auch erwähnen –: Es gibt nicht nur die Experten. Es gibt auch die betroffenen Eltern und Schüler. Wenn wir uns daran erinnern, was wir in der Anhörung zum Thema Kopfnoten von den Experten gehört haben, dann muss man einmal fragen, ob die Wahrnehmung der Experten noch mit der Realität übereinstimmt, wenn wir im WDR hören, dass 87 % der betroffenen Menschen dazu Ja sagen. Auch diese Frage darf man sicher einmal stellen.

Wir als CDU setzen das um, was wir vor der Wahl angekündigt haben – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Hier geht es letztlich auch um Glaubwürdigkeit von Politik, Frau Schäfer. Es wäre Wahlbetrug, wenn wir das nicht tun würden. Wir machen keine Reform der Reform wegen.

Wenn aber 39 Jahre Bildungspolitik es nicht verhindert haben, dass wir wirklich weit abgeschlagen hinter anderen Ländern rangieren, dass 25 % der Menschen nicht ausbildungsfähig sind und dass wir jetzt Gettoschulen in unserem Land haben, dann gibt es kein „Weiter so!“ Dann muss gehandelt werden. Dann muss man andere Wege gehen. Genau das tun wir. Da Ihre Methode nicht funktioniert hat, muss ein neuer Weg gefunden werden, ein neuer Weg, der die Schulen, die einer besonderen Förderung bedürfen, besonders unterstützt. Genau diesen Weg gehen wir. Ich darf Sie herzlich bitten, sich in diese Diskussion einzubringen, um wirklich die bestmögliche Lösung für die Kinder in unserem Land zu finden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Recker. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Kollegin Beer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte noch ein paar Worte zu dem sagen, was der Ministerpräsident hier eingebracht hat. Es ist schon ein starkes Stück, wenn die kommunalen Spitzenverbände und die katholische und die evangelische Kirche, die hier als Experten in den Anhörungen auftreten, als „rot-grüne Truppen“ bezeichnet werden. Denn das hat der Ministerpräsident ja sinngemäß vorgetragen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dazu zählen Sie dann bitte auch die CDUBürgermeister und -Landräte, die in Bausch und Bogen dieses Schulgesetz – vor allen Dingen, was die kommunalen Belange angeht – abqualifizieren und sagen, das ist untauglich für die Praxis und greift in die Planungs- und Finanzhoheit der Kommunen ein. Dazu zählen Sie dann bitte auch die Landeselternschaft der Grundschulen oder die katholische Elternschaft Deutschlands oder die Landesschülerinnenvertretung. All diese bezeichnet der Ministerpräsident hier als „rot-grüne Truppen“, genauso die Bildungsforscher, nur weil man wissenschaftliche Erkenntnisse offensichtlich nicht wahrnehmen will.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Witzel tut sich dadurch hervor, dass er das Ganze noch toppt. Im Protokoll ist nachzulesen, dass für ihn die Debatte, die zum Beispiel die kommunalen Spitzenverbände führen, eine bornierte Debatte ist. Dabei haben doch CDU und FDP offensichtlich Schwierigkeiten, überhaupt Experten und Expertinnen zu finden, die diesen Quatsch, den sie hier vorlegen und der für die Schulpraxis untauglich ist, in den Anhörungen vertreten.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem auch vom Ministerpräsidenten aufgegriffenen Thema Finnland hinzufügen. – Die Finnen haben sich Zeit genommen, nachzuschauen, wie man ein Schulsystem richtig bauen sollte und wie man die besten Voraussetzungen für die Umsetzung schafft, um den Anspruch auf individuelle Förderung wirklich einlösen zu können. Da sind sie in der Tat in Deutschland fündig geworden, aber in einem anderen Teil von Deutschland damals, nicht bei den Inhalten, aber bei der Frage, wie man die besten Rahmenbedingungen schafft.

Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen sprechen von Qualität und holzen dann mit ihrem Haushaltsplan die Moderatoren in der Schulentwicklung weg, unter anderem zum Beispiel die Berater im Bereich Schulsport, und schwächen damit die lernfördernde und sozialintegrative Funktion von Sport und Bewegung in den Schulen. – Das ist Ihre Bildungsoffensive, Quantität eindimensional statt Qualität bis in alle Ecken und Enden. Das kann man durchdeklinieren.

Ich wiederhole es gern noch einmal für das Protokoll, damit Sie es dann auch noch einmal konzentriert nachlesen können. Ich hatte gehofft, dass Sie endlich zur Kenntnis nehmen, was das PisaKonsortium schon 2000 festgestellt hat und in seiner Presseerklärung vom 6. März 2003 gegenüber der Kultusministerkonferenz erneut bekräftigt hat:

„Im Zusammenspiel von regional unterschiedlicher Bildungsbeteiligung, schulstrukturellem Angebot und lokalem Einzugsgebiet entstehen selektionsbedingte Schulmilieus, die sich als differenzielle Entwicklungsumwelten beschreiben lassen und die unterschiedliche Fördereffekte für Schülerinnen und Schüler haben. Die im internationalen Vergleich nachgewiesene ungewöhnlich große Leistungsstreuung am Ende der Vollzeitschulpflicht in Deutschland wird zu einem nicht unerheblichen Teil in der Sekun

darstufe I institutionell erzeugt oder zumindest verstärkt.“

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie tun aber nichts, um genau das umzudrehen, sondern Sie verstärken diese Effekte. Das ist der Vorwurf. Dem müssen Sie sich stellen. Wir werden das nachhalten, wenn Sie wirklich meinen, Sie könnten diesen Entwurf so umsetzen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat: Das Schulgesetz für Nordrhein-Westfalen, das wir heute beraten und das uns die nächsten Wochen und Monate noch beschäftigen wird, ist eine Totalrevision dessen, was wir bislang an bildungspolitischen Leitlinien von Rot-Grün kannten.

(Beifall von der FDP)

Das ist eine große Systemumstellung. Das ist ein großer Wurf.

Es gibt natürlich Lobbygruppen, die sich über Jahre und Jahrzehnte in Nischen in dem alten System eingerichtet haben. Da ist es auch völlig selbstverständlich, dass es bei Veränderungsprozessen mit unmissverständlichen Ansagen, was sich ändern muss und was wir an zusätzlichen Anstrengungen und Leistungen von den verschiedenen Beteiligten erwarten, kritische Rückäußerungen gibt. Das ist gar keine Frage.

Wir haben jetzt in aller Deutlichkeit und Offenheit das vollzogen, was wir den Menschen vor der Wahl transparent und ehrlich angekündigt haben. Wir haben dort alle Punkte markiert. Dass man sich dann, wenn zwei Parteien gemeinsam die Verantwortung übernehmen, in der einen oder anderen Nuancierung verständigen muss, ist klar. Aber jede der von uns versprochenen Maßnahmen wird vollzogen. Da soll sich niemand irgendeiner Illusion hingeben. Insofern wollen wir eine offene Diskussion, aber auch eine sachliche.

Frau Beer, zu Ihrer Bemerkung, warum ich gesagt habe, es sei borniert, wie die Debatte über die Schulbezirke geführt wird – das wiederhole ich selbstverständlich auch –: Ein Popanz wird mit Befürchtungen aufgebaut, die auch Ausfluss Ihrer Kampagne sind und die in der Wirklichkeit gar nicht zutreffen.

(Beifall von der FDP)

Sie sind zu Ihren Kommunalpolitikern gegangen und haben sie wild gemacht.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist eine Unverschämtheit, Herr Witzel!)

Sie sitzen vor Ort und erzählen den Leuten, sie könnten nicht mehr die wohnortnächste Schule besuchen – so laufen die Diskussionen ab.

(Beifall von der FDP)

Das Gegenteil steht im Schulgesetz. Es gibt nur eine ausdrückliche zusätzliche Berechtigung für diejenigen, die das wollen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

Dann haben Sie den Kommunen erzählt, sie müssten Schulen ausbauen,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

weil die Kapazitäten von beliebten Schulen ins Gigantische anwachsen müssten. Dabei steht ausdrücklich im Schulgesetz, dass es eine kapazitäre Deckelung gibt.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Diese Punkte spiegeln Ängste wider. Sie sind von den Gegnern des neuen Schulgesetzes gezielt geschürt worden. Das ist in der Tat nicht redlich. Mit „bornierter Debatte“ war gemeint, von Fehlannahmen auszugehen, die zu falschen Schlüssen führen.

Herr Kollege Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Löhrmann?

Aber gerne doch.

Bitte, Frau Löhrmann.

Herr Witzel, ich wüsste gern von Ihnen, welche Meinung Sie von CDU- und FDP-Kommunalpolitikern haben, wenn Sie ihnen unterstellen, sie gingen den Grünen und den SPD-Leuten immer so schnell auf den Leim.

Sind die blöder als diejenigen von den anderen Parteien? Oder wie erklären Sie es sich, dass sie alle auf einmal mitmachen, wenn – wie Sie es darstellen – nur einige Grüne kommen und sie wild machen? – Das müssen Sie mir einmal erklären.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Heiterkeit von CDU und FDP)

Ich glaube, Frau Löhrmann, dass es den Grünen nicht gelingt, alle Kommunalpolitiker von CDU und FDP wild zu machen.