statt spalten“ – dieser von Johannes Rau geprägte und gelebte Leitsatz könnte auch sehr gut das Motto für die Petitionsarbeit im Landtag sein. Wer diese Arbeit eine Zeit lang getan hat, wird mit mir übereinstimmen, dass wir Abgeordneten immer wieder durch Schlichtung beziehungsweise Mediation zwischen Bürgern und Behörden erfolgreich vermitteln und damit Frieden stiften können. Das ist eine schöne und zudem wichtige Aufgabe.
Ich erstatte Ihnen heute den ersten Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses für den Zeitraum ab der konstituierenden Sitzung dieses Ausschusses bis zum Jahresende 2005. Wie vielleicht nicht allgemein bekannt ist, geht die Petitionsarbeit trotz eines Wahlperiodenwechsels weiter. Die Menschen im Lande schreiben auch dann an das Parlament, wenn es nach Wahlen erst langsam wieder seine Arbeit aufnimmt. So war es auch am Beginn der 14. Wahlperiode.
Der neue Petitionsausschuss hat nunmehr 22 Mitglieder. Davon hatten 20 keine Vorerfahrungen mit der Petitionsarbeit. Es hat also ein spürbarer personeller Wechsel stattgefunden, der zunächst einmal bewältigt werden musste. Die neuen Abgeordneten mussten mit den Einzelheiten der Petitionsarbeit vertraut gemacht werden.
Ich darf an dieser Stelle sagen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsreferats sehr gute Arbeit geleistet haben. Das ist mir von allen Seiten bestätigt worden.
Ich möchte mich deshalb für diese gute Einarbeitungszeit im Namen aller Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich bedanken.
Ein Personalwechsel, wie ihn der Petitionsausschuss erfahren hat, bietet aber auch Chancen für einen Neuanfang und – an der einen oder anderen Stelle – für ein Verlassen der eingefahrenen Gleise. Ich kann hierzu feststellen, dass die Ausschusssitzungen im Berichtszeitraum in einer guten, konstruktiven Atmosphäre verlaufen sind. In ihrem Mittelpunkt stehen immer die Interessen der Menschen. Einige Errungenschaften unserer Vorgängerinnen und Vorgänger im Petitionsausschuss haben wir allerdings übernommen.
So ist es uns ein Anliegen, die Arbeit weiterhin transparent zu machen. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit liegt uns am Herzen. Deshalb führen wir die monatliche Bürgersprechstunde in der Villa Horion weiterhin durch.
Ebenso haben wir uns vorgenommen, die auswärtigen Bürgersprechstunden zu intensivieren. Ein erster auswärtiger Termin mit sehr guter Resonanz hat im November in Bielefeld stattgefunden. Am Ende waren es über 60 Einzelkontakte. Die regionalen Medien haben in diesem Zusammenhang umfassend über die Petitionsarbeit berichtet.
Alle Ausschussmitglieder sind sich darüber einig, dass wir diese auswärtigen Sprechtage fortsetzen werden – und zwar nicht in erster Linie in den größeren Städten des Landes, sondern vornehmlich in den ländlichen Regionen, die bislang nicht so oft besucht worden sind.
Erwähnen möchte ich auch eine Telefonaktion, die zusammen mit der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf durchgeführt wurde und die den Sprecherinnen und Sprechern der Fraktionen im Ausschuss gezeigt hat, dass die Menschen die Möglichkeiten der direkten Kontaktaufnahme mit den Abgeordneten suchen und auch nutzen.
Auch diese Aktionen setzen wir fort. Die nächste findet bei der Zeitung „Die Glocke“ in Oelde am 24. April statt.
In einer Klausurtagung Ende Januar haben wir uns unter anderem konstruktiv mit der Arbeitsweise im Petitionsausschuss befasst. Ein Referent aus dem Bundestag hat uns die dortige Arbeitsweise erläutert. Von Interesse war, dass der Petitionsausschuss des Bundestages einen Großteil der Eingaben durch die Petitionsverwaltung vorklären lässt und abschließend diese Ergebnisse nur noch in Form von Übersichten zur Kenntnis nimmt.
Wir haben übereinstimmend festgestellt, dass unsere Praxis in NRW, nach der der Petitionsausschuss möglichst alle Bürgereingaben mit Unterstützung der Petitionsverwaltung auch selbst behandelt, angemessen und gut ist. Dabei soll es auch bleiben.
Unser Berichterstatterprinzip wird künftig noch transparenter, da wir seit Beginn der Wahlperiode über ein neues Petitionsverwaltungssystem verfügen. Obwohl noch einige Kinderkrankheiten, das heißt technische Mängel zu heilen sind, werden wir Abgeordneten in Kürze umfassende Informationsmöglichkeiten zu allen Eingaben haben.
ensvolle und überparteiliche Arbeit ermöglichen, ohne die effektive Petitionsarbeit nicht möglich ist. Schließlich sollen die Bürgerinnen und Bürger unsere Arbeit als positive Parlamentsarbeit wahrnehmen und nicht als weiteres Forum parteipolitischer Auseinandersetzungen.
Im Berichtszeitraum sind im Ausschuss 1.977 Eingaben eingegangen. Erledigt haben wir in dieser Zeit 1.790, die noch zu einem großen Teil aus der 13. Wahlperiode stammten. Themenschwerpunkte waren die Bereiche Soziales mit 20,5 %, Ausländerrecht mit 10,8 %, Rechtspflege mit 10,1 % sowie Bauen und Wohnen. Weitere Einzelheiten können dem Anhang zum gedruckten Redetext entnommen werden.
An dieser Stelle möchte ich den vielen Behörden, mit denen wir zusammenkommen, für ihre Arbeit danken. Auch wenn ich noch einige kritische Anmerkungen mache, glaube ich, generell sagen zu können, dass die Behörden in NRW verstanden haben, dass Bürgerfreundlichkeit ein Muss in unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft ist.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, näher beleuchten möchte die Arbeit des Ausschuss für den Bereich des Baurechts. Dank der guten Zusammenarbeit mit den örtlichen Bauaufsichtsbehörden und mit dem Ministerium für Bauen und Verkehr als oberster Bauaufsicht gelingt es immer wieder, positive Lösungen zu finden.
Ein wichtiges Feld ist nach wie vor das Bauen im Außenbereich. Die einschlägige Regelung in § 35 Baugesetzbuch untersagt grundsätzlich das Bauen im Außenbereich, um die Landschaft vor weiterer Zersiedelung zu schützen und um sie für unsere Kinder zu erhalten. Ich denke, dass diese Zielsetzung von uns allen auch weiterhin geteilt werden kann. Dennoch sollten wir die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass die Menschen zunehmend in den Städten und immer weniger auf dem Land leben. Anhand eines Falles möchte ich Ihnen verdeutlichen, welche Relevanz dies entfaltet.
In diesem Fall geht es um eine Familie, die ein im Außenbereich liegendes Grundstück mit ca. 20.000 m 2 besitzt, selber aber keine Landwirtschaft betreibt. Auf dem Grundstück der Petenten befindet sich ein Pferdestall für drei Ponys. Eines dieser Tiere ist bereits 40 Jahre alt und wird mit der Flasche gefüttert.
Nach bestehendem Baurecht ist eine sogenannte Hobbytierhaltung im Außenbereich aber nicht zulässig. Deshalb waren die zuständigen Bauaufsichtsbehörden der Auffassung, dass der auf dem Grundstück befindliche Pferdestall abgerissen werden sollte. Das hätte zwangsläufig zur Tötung
der Pferde geführt, da sie aufgrund ihres Alters die niedrigen Temperaturen im Winter nicht überstanden hätten.
Wir haben letztlich dadurch eine Lösung erzielen können, dass die Petenten die Ponys einem benachbarten Landwirt geschenkt haben. Denn für diesen besteht die Privilegierung des § 35 Baugesetzbuch. Er darf also Pferde halten. Die Kinder können also weiterhin auf ihren Ponys reiten.
Wir haben uns am Beispiel dieser Petition gefragt: Wo sollen Pferde eigentlich leben, wenn nicht auf dem Lande?
Ein anderer wichtiger Themenbereich, der uns mehrfach und auch ganz aktuell immer wieder begegnet, ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer Erweiterung eines bestehenden Gebäudes gesprochen werden kann. Immer wieder bemühen sich Petenten, ihre im Außenbereich liegenden Wohngebäude für ihre Kinder und deren Familien zu erweitern.
Das Baugesetzbuch räumt ausdrücklich diese Möglichkeit ein. Aber der Teufel steckt im Detail. Architekten bestätigen immer wieder, dass sie, um endlich einen genehmigungsfähigen Antrag vorlegen zu können, ihre diversen von den Bauaufsichtsbehörden geforderten Umplanungen den Bauherren gar nicht mehr in Rechnung stellen können. Volkswirtschaftlich wünschenswerte Investitionen im Baubereich stauen sich, weil teilweise über Jahre hinweg Streit darüber geführt wird, ob es sich um eine Erweiterung oder um zwei eigenständige Gebäude handelt.
Meines Erachtens haben die Bauaufsichtsbehörden auch die Pflicht, die antragstellenden Bürgerinnen und Bürger hier zielführend zu beraten. Es reicht nicht aus, wenn sich Aufsichtsbehörden darauf zurückziehen, dass sie den Bürgern beziehungsweise deren Architekten sagen: Legen Sie uns genehmigungsfähige Unterlagen vor, dann haben Sie einen Anspruch auf Genehmigung.
Auch sollten die Behörden Menschen nicht ermuntern, kostspielige Anträge zu stellen, wenn sie genau wissen, dass eine Genehmigungsfähigkeit aus rechtlichen Gründen überhaupt nicht in Betracht kommt.
In einem Fall in Gelsenkirchen waren Petenten erhebliche Kosten dadurch entstanden, dass Behörden umfangreiche Unterlagen forderten, obwohl das Vorhaben nicht genehmigungsfähig war. Die Petenten, ein junges Paar, stehen nunmehr vor einem Scherbenhaufen und der Privatinsolvenz.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dass dem Landesparlament, für das der Petitionsausschuss stellvertretend nach außen handelt, nicht immer der notwendige Respekt zuteil wird, können Sie dem folgenden Fall entnehmen. Es geht um einen sogenannten Schnäppchenmarkt in einem allgemeinen Wohngebiet, der normalerweise dort nicht zulässig ist.
Im Erörterungstermin vor Ort gaben insbesondere die Petenten deutlich zu verstehen, dass sie an einer konstruktiven Lösung interessiert und auch zu Zugeständnissen gegenüber dem Betreiber des Marktes bereit seien. Im Termin wies dann der Vertreter der Bauaufsicht des Kreises darauf hin, dass er nunmehr auch gegen die Petenten einschreiten müsse, da diese illegal ein Gartenhäuschen errichtet hätten.
Nun wissen wir alle, dass man nicht mit Steinen werfen sollte, wenn man im Glashaus sitzt. Wenn Petenten allerdings dadurch unter Druck gesetzt werden, dass man ihnen mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen droht, wird das Recht, eine Petition einlegen zu können, unterlaufen. Anstatt nach einer konstruktiven Lösung zu suchen, wurde hier der Spieß umgedreht und die Petenten selbst unter Druck gesetzt.
Das Ganze gipfelte in einem weiteren Erörterungsgespräch im Landtag darin, dass der zuständige leitende Kreisbaudirektor mich beschuldigte, ich hätte den Ausschuss fehlerhaft informiert. Dieses war aber nicht der Fall. Diese Petition ist bis heute noch nicht abgeschlossen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ein weiterer wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit ist der Bereich Soziales, ein Bereich, in dem es oftmals um schwere Schicksale geht.
So wandte sich die Mutter eines inzwischen zwölfjährigen Jungen, der an Tetraspastik leidet und seit über zehn Jahren im Kinderneurologischen Zentrum B in Behandlung ist, an den Ausschuss. Bis Mitte 2004 übernahmen der Kreis und die AOK gemeinsam die dafür anfallenden Kosten. Zum 1. Juli 2004 hat der Kreis die Zahlung seines Anteils eingestellt. Er vertrat seitdem die Rechtsauffassung, dass der bisher von ihm für die nichtärztlichen sozialpädiatrischen Leistungen übernommene Teil bei schulpflichtigen Kindern ebenfalls von der Krankenkasse im Rahmen der medizinischen Rehabilitation zu übernehmen sei. Die AOK ist anderer Auffassung und zahlte wie bisher ihren Anteil.
Beide Kostenträger haben keinen Zweifel an der Behandlungsbedürftigkeit des Jungen. Uneinigkeit besteht ausschließlich darüber, wer die Kosten für
Hier wurde also ein Streit über die Kostenträgerschaft von Sozialleistungsträgern auf dem Rücken eines behinderten Kindes und seiner Mutter ausgetragen. Der Petitionsausschuss, aber auch das Sozialministerium waren der Auffassung, dass Streitigkeiten über die Kostenübernahme keinesfalls zulasten der Anspruchsberechtigten ausgetragen werden dürfen.
Daher lud der Ausschuss das Sozialministerium, den Kreis und die AOK zu einem Erörterungstermin im Landtag ein, um die Angelegenheit gemeinsam mit der Mutter zu erörtern. Seitens der AOK war bereits zuvor die Bereitschaft signalisiert worden, in Vorleistung zu treten, sofern der Kreis bereit sei, ihr nach der Klärung der Kostenträgerschaft gegebenenfalls die Kosten zu erstatten. Dies hatte der Kreis jedoch abgelehnt.
In dem Erörterungstermin konnte eine Lösung erzielt werden, die eine Weiterbehandlung des Jungen gewährleistet. Der Kreis hat die Zahlung seines bisherigen Anteils wieder aufgenommen. Die Kostenträgerschaft wird nun zwischen den beiden Trägern geklärt. Eine endgültige Klärung wird allerdings Monate, wenn nicht Jahre dauern. Die Behandlung des behinderten Kindes jedoch ist ab sofort wieder gesichert.
Ein weiterer Fall: Ein Bürger, dessen Familie 2001 urplötzlich ein harter Schicksalsschlag traf, schreibt: Wir sind hundertprozentig der Überzeugung, dass wir ohne den Petitionsausschuss weder zu einem Ende noch zu einem solch guten Ergebnis gekommen wären. Unsere Familie hat wieder Perspektiven. Wir sind überzeugt, es zu schaffen.
Was war geschehen? – Im August 2001 fiel der inzwischen 37-jährige Sohn dieser Familie bei einem Besuch seiner Großmutter plötzlich vom Stuhl. Nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand wurde er reanimiert. Er erlitt einen schweren Hirnschaden und liegt seitdem im Wachkoma.
Die Familie hat sich wegen der Kostenübernahme für eine fünfwöchige Intensivtherapie des Sohnes in einem spezialisierten Behandlungszentrum an den Ausschuss gewandt. In einem Erörterungstermin wurde die Angelegenheit mit der Krankenkasse besprochen. Es konnte erreicht werden, dass die Kasse die Kosten übernimmt, da der Aufenthalt zu einer deutlichen Verbesserung des Allgemeinzustandes, insbesondere der Nahrungsaufnahme, geführt hatte. Ein weiterer Therapieerfolg war, dass der Sohn auf einfache, mit Ja und Nein zu beantwortende Fragen mit körpersprachlichen Antworten reagiert.
In dem Erörterungstermin wurde jedoch schnell deutlich, wo der Schuh bei der Familie eigentlich drückt – nämlich in finanzieller Hinsicht. Der Sohn hatte sich 1999 mit einem Unternehmen im Bereich Massivholzverarbeitung selbstständig gemacht. Das Familienunternehmen entwickelte sich zunächst gut – bis zu dem geschilderten Ereignis im August 2001. Die Firma fiel in Insolvenz. Die Eltern wurden als Bürgen in Anspruch genommen. Die gesamten Verbindlichkeiten der Familie beliefen sich auf rund 300.000 €, die nicht mehr im geforderten Umfang bedient werden konnten. Die Zwangsversteigerung drohte.
Der Petitionsausschuss reagierte sofort. Es wurden erneut Erörterungsgespräche geführt. Alle Beteiligten signalisierten sofort ihre Bereitschaft, die Familie bei der Bewältigung ihrer finanziellen Probleme zu unterstützen. Es sollte eine Lösung gefunden werden, damit zum einen der Familie ihr Wohnraum erhalten bleibt und zum anderen der Sohn auch auf lange Sicht hin gemeinsam von der gesamten Familie zu Hause gepflegt werden kann. Nach langen Verhandlungen konnten ein Teilverzicht auf die Forderungen und eine weitere Tilgung der Restverbindlichkeiten im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Familie erreicht werden. Die Petition konnte also, wie die Familie selbst schreibt, äußerst erfolgreich abgeschlossen werden.