Protocol of the Session on February 16, 2006

Voraussetzung für den Erfolg der Bemühungen ist die Weiterentwicklung des Unterrichts auf der Grundlage eines pädagogischen Konzeptes der Hauptschule. Diese neue Ganztagshauptschule in Nordrhein-Westfalen wird sich deutlich von den bisherigen Angeboten unterscheiden. Sie soll – ich wiederhole es an dieser Stelle so deutlich, weil es wie ein Dorn im Fleisch sitzt – einen Beitrag zur Entkopplung des schulischen Erfolgs von der sozialen Herkunft der Kinder leisten.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie wird insbesondere einen vollwertigen und unverbindlichen Ganztagsbetrieb in schulischer Verantwortung aufbauen. Schulen können jetzt mit großem Stolz sagen: Wir sind eine Ganztagsschule.

Sie wird die Kompetenzen anderer Berufsgruppen für die Gestaltung des schulischen Angebots nutzen. Damit gewährleisten wir einen wichtigen Aspekt des Antrags, nämlich die Vernetzung von

Schule und zukünftigem Beruf. Sie wird ihren Schwerpunkt auch – auch das kann niemand wirklich infrage stellen – auf individuelle Förderung sowohl im Bereich von fachlichen Kompetenzen als auch bei der beruflichen Vorbereitung setzen.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP] – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich betone noch einmal: Die Regelungen kommen ins Gesetz und nicht in eine Richtlinie oder einen Lehrplan. Das haben wir lange hinter uns.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Lehrpläne haben immer schon individuelle Förderung verlangt, aber die Umsetzung dieser Vorgabe muss ich doch sehr in Zweifel ziehen.

Wir bringen die Hauptschule in die Fläche, und wir stellen uns Ganztagshauptschulen dort vor, wo sie am notwendigsten gebraucht werden. Auch darüber, denke ich, werden wir einen Konsens finden. Sie müssen dort ihren Platz einnehmen, wo hohe Arbeitslosigkeit besteht, wo schlechte Wohnbedingungen herrschen und wo ein hoher Migrantenanteil vorhanden ist.

Selbstverständlich – das liegt auch in der Verantwortung der Landesregierung – darf es in keinen Bereichen weiße Flecken geben. Darum ist es auch legitim, auch bei den Schulen, die diese Kriterien nicht unbedingt in erster Linie ausweisen, davon ausgehen zu dürfen, dass pädagogisch sinnvolle Konzepte erstellt worden sind und dass Schulen, auch Hauptschulen, in anderen Bereichen als den von mir gerade genannten Schwerpunkten sind.

Es steht mehr Zeit – das ist ein wichtiges Kriterium – für gezielten Förderunterricht zur Verfügung. In diesem Zusammenhang nenne ich auch deutlich die Mithilfe außerschulischer Partner wie der Jugendhilfeträger, der Sportvereine, von Kunst-, Musik- und Kultureinrichtungen. Wir wollen, dass die Kinder und Jugendlichen in kultureller, künstlerischer, musischer und sportlicher Hinsicht gefördert werden. Das ist das Konzept der Schule, und das wird sicherlich im schulischen Alltag individuell auch umgesetzt.

Über den finanziellen Beitrag haben wir eben schon etwas gehört. Ein Drittel des 30 %igen Ganztagszuschlages wird benutzt werden können, um diesen Anteil für Schulen zu kapitalisieren. Ich denke, von daher wäre es möglich, dass all die von mir genannten Elemente wie Jugendhilfeträger und Sportvereine ihren Platz in dem Ganztagskonzept finden werden.

Eine wichtige Rolle, meine Damen und Herren, spielen die Schulträger. Die Schulträger in Nordrhein-Westfalen – darauf setzen wir – sind am Aufbau der Ganztagshauptschule stark beteiligt. Sie können sich darauf verlassen, dass sie bei einem entsprechenden Antrag finanzielle Unterstützung erfahren.

Wir wollen, dass alle Kinder und Jugendlichen in den Ganztagshauptschulen ein Mittagessen einnehmen. Wir denken auch nicht nur an die Kinder und Jugendlichen, sondern wir denken auch an die Lehrerinnen und Lehrer. Wir erwarten, dass die Lehrkräfte Räume zur Verfügung gestellt bekommen, in denen sie ungestört arbeiten können.

Die Hauptschulen, meine Damen und Herren – wie die anderen Schulformen auch –, werden mit mehr Eigenverantwortung ausgestattet. Konkrete Entscheidungen aber lassen sich vor Ort am besten treffen. Mir ist vor allem wichtig, dass sich alle am Prozess Beteiligten als Partner verstehen. Dabei beziehe ich deutlich die Eltern mit ein.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Alle anderen Hauptschulen, die nicht in die Form einer Ganztagsschule übergehen, werden – das möchte ich betonen – weiterhin von uns unterstützt. 500 Lehrerinnen und Lehrer, die wir aus dem System hätten abziehen müssen, bleiben dem System erhalten.

(Beifall von der CDU)

Auch daran können Sie sehen, dass wir auch weiterhin an Fördermaßnahmen für diese Schulen denken.

Die Hauptschulen und die Hauptschulkinder und -jugendlichen bringen uns nicht nur – das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt, da wir heute viel darüber gehört haben, was alles schlecht ist und wie schwierig das alles ist – Probleme, sondern – und das ist eigentlich das wichtigste Ergebnis, das ich aus den Pisa-Studien herausziehen konnte –: Die Kinder und Jugendlichen dieser Schulform haben ihr Potenzial noch nicht ausgenutzt. Da ist noch mehr drin. Also lassen Sie uns doch anpacken, und lassen Sie uns dort loslegen.

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie uns an das anknüpfen, was richtig und wichtig ist, und lassen Sie uns gemeinsam – ich hoffe auf eine große Basis des Parlamentes – diesen Weg der Förderung dieser besonderen Schulform gehen.

Meine Damen und Herren, ich werbe ein Stück um Ihre Unterstützung. Ich denke, dass der von

uns eingeschlagene Weg diese Schulform stark unterstützt und den Jugendlichen und Kindern eine Perspektive gibt. Ich habe eben gesagt: Wir dürfen diese Schulform nicht vernachlässigen, es ist unsere Schulform. Helfen Sie mit, unterstützen Sie uns. Ich danke für den Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Schäfer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in dieser Debatte noch einmal einen anderen Aspekt beleuchten, mit dem die Landesregierung die Qualitätsoffensive an den Start gebracht hatte. Ich möchte die Ministerin mit Ihren Worten vom 29. September 2005 zitieren. Sie haben damals auf einer Pressekonferenz gesagt:

Wir konzentrieren den Aufbau der Ganztagshauptschulen an den Stellen im Land, wo sie am dringendsten benötigt werden. Das sind vor allem städtische Ballungsräume. Viele Stadtteile – so sagten Sie – sind gekennzeichnet durch außergewöhnliche Belastungen und Probleme.

Dann haben wir alle voller Spannung auf den Erlass gewartet. Der Erlass kam am 25. Januar dieses Jahres. Darin konnte man nachlesen, dass die Schulträger, die am 1. Februar 2006 mit dem Ganztag beginnen wollten oder sollten, bis zum 15. Januar 2006 den Antrag bei der Bezirksregierung einzureichen hätten. Also: Der Erlass vom 25. Januar enthielt die Antragsfrist 15. Januar. Das ist schon ein Kunststück administrativen Handelns.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es wäre eigentlich eine lebenspraktische Aufgabe für die Beamten – eine Pisa-Aufgabe –, einmal aufzuzeigen, wie das in Einklang zu bringen ist und wie die Kommunen das lösen sollen. Wie machen wir das denn eigentlich?

Das fragte sich diese augenblickliche Landesregierung dann auch: Wie machen wir es, dass wir zum 1. Februar überhaupt Anträge haben? – Wir erinnern uns an die Aussagen städtische Ballungsräume, außergewöhnliche Belastungen.

Dann kommt die Liste der teilnehmenden Schulen. Verwundert reiben wir uns die Augen wegen

der städtischen Ballungsräume in Ahlen, Billerbeck, Steinfurt, Arnsberg und Emsdetten.

(Unruhe von der CDU)

Billerbeck hat in seinem „städtischen Ballungsraum“ eine Hauptschule mit 9 % Migrantenanteil.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, wo sich diese Schulformen im Ganztag tatsächlich finden. Wer schickt Sie denn am 29. September, Frau Ministerin, in die Bütt, wohl wissend, dass Sie den erklärten Zielpunkt 1. Februar überhaupt nicht erreichen können? Oder, anders ausgedrückt: Warum steht das, was Sie sagen, in totalem Gegensatz zu dem, was Sie tatsächlich öffentlich umsetzen?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir haben seitens der SPD-Fraktion eine Kleine Anfrage gestellt und hoffen, klare Antworten zu erhalten, nach welchen Kriterien diese 20 Hauptschulen ausgewählt worden sind. Mit Sicherheit sind sie nicht ausgewählt worden nach den von Ihnen in dem Erlass definierten Kriterien. Wir sind sehr gespannt, wie hoch sich der Migrantenanteil an den einzelnen Hauptschulen darstellt. Außerdem beobachten wir sorgfältig, ob weiterhin Hauptschulen im ländlichen Raum bedient werden und wie sozial benachteiligte Gebiete überhaupt beteiligt werden.

(Michael Solf [CDU]: Wenn etwas polemisch ist, dann das! – Beifall von der CDU)

Völlig daneben ist im Übrigen – das sage ich jetzt einmal an die CDU-Fraktion und auch an die FDP-Fraktion gerichtet – der stereotyp vorgetragene Vorwurf, die Hauptschulen in NordrheinWestfalen seien jahrzehntelang vernachlässigt worden.

(Zuruf von der CDU: Genau! – Beifall von der CDU)

Das ist eine üble Unterstellung.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Dass Sie das nicht hören mögen, kann ich mir ja vorstellen.

Frau Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Recker?

Ich möchte gern meine Rede zu Ende führen und dann die Frage am Schluss entgegennehmen.

Ich behaupte, dass das eine Unterstellung ist. Ich möchte dafür ein paar Fakten ins Feld führen, damit dies auch belegt wird.

Wir haben 370 Stellen zur Sprachförderung in Klasse 5 und 6 eingerichtet. Wir haben an zwei Dritteln aller Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen bisher Ganztagsangebote. Sie haben dankenswerterweise gesagt, Frau Ministerin, dass sogar schon 148 Schulen bis jetzt in Ganztag gelaufen sind. 304 Hauptschulen mit 526 Gruppen wurden in der Vergangenheit vom Land bei Förder- und Betreuungsangeboten unterstützt. Wir hatten bis jetzt auch die finanzielle Förderung von 250 Sozialpädagogen übernommen, die Sie jetzt dankenswerterweise in Arbeitsverhältnisse übernehmen. Das hätten wir eventuell auch getan.

(Zurufe von der CDU: Oh!)