Protocol of the Session on February 2, 2006

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen 20. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich zehn Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden dem Protokoll zu entnehmen sein.

Wir treten nun in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde

Thema: Privatisierungsabsichten der Landesregierung bei den Landesbetrieben und Einrichtungen

Antrag der Fraktion der SPD gemäß § 99 Abs. 2 GeschO

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 30. Januar 2006 zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und gebe Herrn Dr. Rudolph für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion hat eine Aktuelle Stunde beantragt, weil letzte Woche, wie Sie alle wissen, der Entwurf einer Kabinettvorlage mit weit reichenden Privatisierungsabsichten in der Landesverwaltung bekannt geworden ist. Die Vorlage hat dazu geführt, dass die Beschäftigten in unseren Landesbetrieben und ihre Familien zutiefst beunruhigt und verunsichert sind, weil in ihrem Anhang 24.806 Planstellen in den ausgegliederten Bereichen der Landesverwaltung zur Disposition gestellt werden.

Hinzu kommt, dass sich weiterhin Gerüchte halten, die Landesregierung plant, die Rechte der Personalvertretung auszuhebeln oder zumindest einzuschränken. Im Gespräch sind offensichtlich auch Pläne, überflüssige Beschäftigte in einer Auffanggesellschaft ähnlich wie bei der Post oder der Telekom zu sammeln.

Mit anderen Worten: Es gibt viele Gerüchte, es gibt Papiere, es gibt Aussagen, es gibt Koalitionsvereinbarungen, es gibt Erklärungen, aber keiner im Land weiß Bescheid, welche konkreten Privatisierungsabsichten die Landesregierung verfolgt und wie weit sie mit ihrem Vorhaben ist. Sie sind inzwischen schon einige Monate im Amt, und wir erhoffen uns, dass Sie uns, der Öffentlichkeit, dem Parlament Ihre Marschrichtung nun klarer nennen können.

Zu dieser Unklarheit und Verunsicherung trägt auch Folgendes bei – das will ich nebenbei erwähnen –: Wenn man die Homepage des Innenministeriums liest, sind dort zunächst mindestens 16 konkrete Maßnahmen geschildert worden, die unter Aufgabenkritik und Modernisierung der Landesverwaltung fallen. Kaum ist dieser Entwurf einer Kabinettvorlage in die Öffentlichkeit gerutscht, ist festzustellen – liebe Kolleginnen und Kollegen schauen Sie einmal nach! –, dass inzwischen alle Seiten gelöscht sind.

(Minister Dr. Ingo Wolf: Das stimmt nicht!)

Gestern sind alle Seiten gelöscht gewesen; dann haben Sie heute wieder neue eingestellt.

(Parl. Staatssekretär Manfred Palmen: Un- sinn!)

Das trägt mit dazu bei, Herr Palmen, dass Sie die Leute verunsichern, wenn Sie nicht klar sagen wollen oder können, wie Sie in der Verwaltungsstrukturreform, in der Verwaltungsmodernisierung, in der Binnenmodernisierung weiter vorgehen wollen.

Darüber verlangen wir von Ihnen heute Aufklärung, Klarheit und Redlichkeit. Wir hätten gern gewusst, wie Sie die weiteren Schritte der Verwaltungsmodernisierung konzeptionell anlegen wollen. Wenn man in der Kabinettvorlage liest – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –, es ginge bei der Verwaltungsmodernisierung „um die Erschließung neuer Betätigungsfelder für private Unternehmen (auch angesichts der Globalisie- rung)“, fragt man sich schon, ob das der Maßstab des Regierungshandelns in puncto Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist,

(Beifall von der SPD)

zuerst darüber nachzudenken „Wie können wir die Gewinninteressen von privaten Unternehmen bedienen?“, um dann an zweiter Stelle zu überlegen: Wie bauen wir eine wirtschaftlich effiziente arbeitende Verwaltung auf, einen wirtschaftlich effizient arbeitenden Staat? Wenn das in der Landesregierung Ihre Linie ist, müssen Sie sich vorhalten lassen: Sie machen den Staat, die Landesbetriebe

und die Landesverwaltung zur Beute privater Gewinninteressen.

(Beifall von der SPD)

Das kann nicht im Allgemeininteresse sein, und das kann auch nicht im Interesse einer Regierung sein, die per Amtseid auf das Wohl des Landes verpflichtet ist.

Wir sind – das kommt in der Vorlage öfter vor – übrigens in einem Punkt völlig einig mit Ihnen. Dort wird ab und zu § 7 Landehaushaltsordnung zitiert, wonach eine öffentliche Verwaltung an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden ist. Das geht völlig in Ordnung. Dann muss man überprüfen, ob die Landesregierung tatsächlich entsprechend dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit arbeitet. Aber es ist ein Irrglaube, der in der Vorlage auftaucht und den Sie auch im Wahlkampf so schön gepredigt haben, nämlich dass private Anbieter per se immer kostengünstiger, immer effektiver und immer leistungsfähiger seien als der Staat.

(Beifall von der SPD)

Herr Innenminister, da das nicht in Ihren Fachbereich fällt, nenne ich Ihnen ein Beispiel. Wenn Sie überlegen, die DNA-Analyse zu privatisieren, sie also nicht mehr beim Landskriminalamt machen zu lassen, sondern ein international operierendes Unternehmen dafür zu nehmen, das das für Sie erledigt, ist das problematisch.

Sie kennen den Markt und wissen, dass der Markt sehr eng ist. Das heißt, wenn Sie so etwas ausgliedern, kann es Ihnen passieren, dass dieses Unternehmen die Preise diktiert und das Land in Zukunft für DNA-Analysen mehr Geld ausgeben muss, als es jetzt bei einer preisbewussten und effizient arbeitenden Landesverwaltung bezahlt.

Hinzu kommt, dass wir uns in einem gefährlichen Bereich befinden, weil Sie Privaten hoch sensible genetische Daten geben. Sie geraten in ein Feld, auf dem Sie definieren müssen, wo die hoheitlichen Aufgaben aufhören und welche Aufgaben von anderen erledigt werden können, ohne dass Sie mit dem Grundgesetz und unseren Gesetzen in Konflikt kommen.

Ich nenne Ihnen ein zweites Beispiel. In der Vorlage ist die Rede davon, man wolle die ITgestützten Massenverfahren privatisieren. Ich habe mir überlegt, was der Verfasser dieser Vorlage seinem Minister und dem Kabinett aufgeschrieben haben kann. Was meint er damit? Als Erstes ist mir eingefallen, dass IT-gestützte Massenverfahren wahrscheinlich in der Finanzverwaltung, nämlich bei Steuersachen, vorkommen. Da stellt sich

die Frage: Wer schreibt Ihnen solche Vorlagen und schlägt Ihnen vor, Steuerverfahren zu privatisieren? Wie soll das gehen? Darauf hätten wir gerne eine Auskunft.

Ich fasse zusammen: Wenn man genau hinschaut, das Papier liest und Ihre Philosophie, Ihre Ideologie überprüft, stellt man fest, dass sie entweder zusammenbricht oder dass sie sich zum Schaden des demokratischen Staates, der Beschäftigten, der Bürgerinnen und Bürger und der Steuerzahler entwickelt. Wir wünschen uns heute von Ihnen, dass Sie entsprechend dem, was Ihr Regierungschef immer behauptet – wir tun, was wir sagen –, jetzt einmal sagen, was Sie tun wollen.

(Beifall von der SPD)

Es ist doch interessant: Je konkreter man wird, und zwar in jedem politischen Arbeitsfeld, desto ungenauer und unpräziser wird er beziehungsweise Sie. Am Ende kommt dabei heraus – jedenfalls in diesem Fall –, dass Sie nicht genau wissen, was Sie tun wollen, und nicht sagen, was Sie vorhaben. Jetzt haben Sie die Gelegenheit dazu. Nutzen Sie sie bitte. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Rudolph. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Lux.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liest man sich das Schreiben der SPD-Fraktion vom 30. Januar 2006 zur Beantragung dieser Aktuellen Stunde intensiv durch, stellt man im Gegensatz zu dem, was Herr Kollege Rudolph gerade vorgetragen hat, drei verschiedene Aussagen fest. Zu keiner einzigen hat er hier Stellung genommen.

Zuerst steht dort – Sie haben das geschrieben, Frau Gödecke –:

„Das Landeskabinett hat nach Zeitungsmeldungen über die beabsichtigte Privatisierung von Landesbetrieben und Landeseinrichtungen beraten.“

Das ist der erste Teil.

Der zweite Teil ist:

„Daneben soll es bereits Festlegungen auf den Fortfall der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten geben.“

Der dritte Teil ist:

„Die Öffentlichkeit, vor allem die Mitarbeiter, haben ein Recht darauf, zeitnah über die Auswirkungen der Absichten der Landesregierung unterrichtet zu werden.“

Um diese drei Punkte geht es.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt will ich mir einmal vor Augen führen, was Sie eben vorgetragen haben. Das hat damit nichts zu tun,

(Carina Gödecke [SPD]: Natürlich!)

denn bereits in der Koalitionsvereinbarung und in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Rüttgers haben sich die Koalitionsparteien und die Landesregierung den Arbeitsauftrag erteilt, eine Verwaltungsmodernisierung durchzuführen. Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich aus Seite 10 der Koalitionsvereinbarung, damit Ihnen das auch ganz deutlich wird. Auf der Mitte der Seite steht dort:

„Wir werden eine Verwaltungsstrukturreform einleiten. Ziel ist es, die Verwaltung des Landes zu verschlanken, bisher unübersichtliche Kompetenzen zu entflechten, Transparenz und Ergebnisverantwortung im Verwaltungshandeln zu erhöhen. Konsequent werden wir prüfen, welche Aufgaben der Staat weiterhin wahrnehmen muss, welche entfallen, welche privatisiert und vor allem welche Aufgaben unter Wahrung des Konnexitätsprinzips kommunalisiert werden können.

Die erforderlichen Beschlüsse werden zügig gefasst. Ihre Umsetzung“

jetzt kommt es –