Das ist uns ein Anliegen, das, wie Sie wissen, durch zwei Maßnahmen gefördert wird: durch die nachgelagerte Finanzierungsmöglichkeit und durch eine BAföG-Regelung, wie es sie in keinem anderen Bundesland gibt. Das eröffnet die Chance dafür – daran wollen wir arbeiten –, dass in Nordrhein-Westfalen noch mehr junge Menschen, auch aus benachteiligteren Familien, studieren.
Die Voraussetzung dafür ist aber auch, dass die Schule gerade für die benachteiligteren Schülerinnen und Schüler wieder wirksamer wird. Hier muss ich Ihnen auch unter dem Gesichtspunkt der Wissenschafts- und Innovationspolitik sagen: Die von Ihnen zu verantwortenden Ergebnisse der Pisa-Studien – nicht nur die aus dem Jahre 2000, sondern vor allem auch die aus dem Jahre 2003 – belegen, dass es Ihnen, anders als etwa den Ländern Thüringen oder Sachsen/Anhalt nicht gelungen ist, wesentliche Verbesserungen gerade für diese jungen Menschen zu erreichen, und dass Nordrhein-Westfalen nur dann eine Chance hat, als Innovationsstandort wieder nach vorne zu kommen, wenn es uns gelingt, die Schulen wieder leistungsfähiger zu machen und gerade den Kindern aus sozial benachteiligten Elternhäusern endlich wieder eine faire Chance zu geben, zu einem guten Schulabschluss zu kommen und nach einer Hochschullaufbahn einen Arbeitsplatz zu finden, der ihnen nachhaltige Sicherheit bietet.
Das sind die Voraussetzungen, die wir mit größten Anstrengungen schaffen müssen. Nur gute Schülerinnen und Schüler und nur im Wettbewerb erfolgreiche Hochschulen werden uns auch in Zukunft mit den Wissenschaftlern und den qualifizierten Arbeitskräften versorgen, die wir brauchen, damit unsere Unternehmen in Forschung und Entwicklung wieder wettbewerbsfähiger werden und gerade am Standort Nordrhein-Westfalen auf diesem Gebiet wieder mehr unternehmen wollen.
Wir wollen gemeinsam daran arbeiten, dass dies gelingt. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Opposition, anders als es sich heute zum Teil anhörte, mit uns an einem Strang ziehen würde.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Regierungserklärung entgegengenommen. Wir haben die Aussprache beendet, es sei denn, es gibt noch Wortmeldungen. – Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 2.
In Verbindung damit beraten wir den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/1164.
Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Nordrhein-Westfalen leben circa 850.000 türkischstämmige Migrantinnen und Migranten. Ein Viertel von ihnen ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Dies allein zeigt, welche enorme Bedeutung die Gruppe der türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten hat, und darüber hinaus, wie wichtig die Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei sind.
Der wachsende türkische Mittelstand in unserem Bundesland ist mit circa 22.000 Unternehmerinnen und Unternehmern in weit über 100 Branchen tätig und hat damit eine nicht zu unterschätzende ökonomische Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Eine zunehmende Anzahl dieser Unternehmer ist gerade im bilateralen Handel zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei aktiv. NRW ist heute der wichtigste regionale Handelspartner der Türkei. Das Außenhandelsvolumen beträgt ca. 3,5 Milliarden € pro Jahr. Damit befindet sich Nordrhein-Westfalen auf dem sechsten Platz bei den Exporten in die Türkei.
Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen Partnerschaften mit Kommunen in der Türkei aufgebaut. Nicht selten werden diese Partnerschaften durch Schulpartnerschaften flankiert. Gerade diese Städtepartnerschaften haben neben einem kulturellen und integrativen Ansatz auch immer eine wirtschaftliche Bedeutung. Diese politischen Erfolge sollten in einer regionalen Partnerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Türkei erfolgreich aufgegriffen werden.
Obwohl den Ländern, somit auch NordrheinWestfalen, keine Kompetenzen in auswärtigen Angelegenheiten zukommen, hat das Land Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit bereits Kooperationen und Programme auf den Weg gebracht. Derzeit bestehen 13 internationale Partnerschaften, die von der Region Kostroma in Russland bis zu Tampere in Finnland reichen.
Alle Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass gerade umfassende regionale Kooperationen von Erfolg gekrönt sind, wenn sie erstens eine wirtschaftliche Zusammenarbeit einschließlich Tourismus, zweitens eine kommunale Zusammenarbeit zum Beispiel in den Bereichen Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Energieversorgung und Wohnungsbau, drittens Kooperationsprojekte in Wissenschaft und Forschung sowie viertens Stärkung und Ausbau von Schulpartnerschaften und Jugendaustausch beinhalten.
Regionale Partnerschaften eröffnen Chancen gerade für die Integration von Migrantinnen und Migranten, aber viel mehr noch für die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder. Gerade in einer globalisierten Wirtschaft sind regionale Partnerschaften von großer ökonomischer und politischer Bedeutung.
Aber, meine Damen und Herren, regionale Partnerschaften und Kooperationen dienen nicht einem Selbstzweck, sondern müssen bestimmten Kriterien zugrunde gelegt werden. So stellen sich mehrere Fragen:
4. Existieren Kooperationen zwischen Universitäten und Hochschulen, und können diese ausgebaut werden?
Diese Kriterien müssen vor dem Hintergrund einer Einschätzung der jeweiligen wirtschaftlichen Potenz einer Region und deren historischer und kultureller Bedeutung betrachtet werden.
Legt man diese Kriterien zugrunde, empfiehlt sich aus Sicht der SPD-Fraktion eine Kooperation mit der ägäischen Region mit ihren acht Provinzen. Mit ca. 9 Millionen Einwohnern und ca. 80.000 km² Fläche ist sie die drittgrößte Region der Türkei.
Darüber hinaus ist die ägäische Region eine der wirtschaftlich am besten entwickelten Regionen der Türkei. Dies wird schon dadurch deutlich, dass sie allein über 16 % der industriellen Produktion der Türkei und 20 % ihrer landwirtschaftlichen Produktion erwirtschaftet. Das macht ungefähr 17 % des Bruttoinlandprodukts der Türkei aus. In der Industrieproduktion konzentriert man sich auf Textilien, Lebensmittel, Petrochemie, den Automobilsektor und den Maschinenbau – auch in Nordrhein-Westfalen nicht ganz unbekannte Industriezweige.
Auch als Bildungs- und Hochschulstandort hat diese Region eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Mit ihren insgesamt neun Universitäten und rund 130.000 Studenten ist diese Region auch ein interessanter Kooperationspartner für nordrhein-westfälische Hochschulen. Erste Kooperationen zwischen der Universität Izmir und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen bestehen bereits.
Mit 3,5 Millionen Touristen im Jahr ist der Tourismussektor in der ägäischen Region ein florierender Wirtschaftszweig. Jeder vierte Urlauber, der in die Türkei fliegt, besucht die ägäische Region. Ein großer Anteil dieser Urlauber kommt aus Nordrhein-Westfalen.
Vor diesem Hintergrund wäre die ägäische Region – ich betone: möglicherweise – ein hervorragender Kooperationspartner.
Aber nun liegt seit heute Morgen ein Entschließungsantrag von CDU und FDP vor, der in seiner Beliebigkeit auf jede Regionalpartnerschaft Nordrhein-Westfalens angewandt werden könnte. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Warum bleiben Sie auf halbem Wege stehen und lehnen sogar die Prüfung einer regionalen Partnerschaft ab? Anfang der Woche hatten Sie, verehrter Kollege Stahl – er ist jetzt nicht anwesend –, noch das Angebot gemacht, unseren Antrag gemeinsam zu beschließen. Hat sich die Sachlage in drei Tagen geändert? Stehen Sie und Ihre Fraktion noch zu dem Angebot, Herr Stahl – das kann jetzt wahrscheinlich keiner beantworten –, oder sind Ihre
Deshalb bieten wir Ihnen weiterhin an, mit uns gemeinsam an einem Konzept für eine stabile regionale Partnerschaft mit der Türkei zu arbeiten. Denn was kann falsch daran sein, frage ich Sie, wenn der Landtag die Landesregierung auffordert, ein Konzept zu entwickeln und dieses mit einem entsprechenden Arbeitsprogramm, das die formellen Schritte berücksichtigt, bis zum Herbst vorzulegen? An dieser Stelle sei mir der Hinweis erlaubt, dass die alte Landesregierung hier schon gute Vorarbeit geleistet hat.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, stellen Sie sich gemeinsam mit uns hinter den Antrag meiner Fraktion – im Interesse der gemeinsamen Sache! Glück auf!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Töns, Sie unterstellen uns Beliebigkeit bei Städtepartnerschaften. Das ist allerhand; das muss ich schon sagen. Gerade weil wir den Antrag der SPD, über den wir hier heute debattieren, sehr ernst nehmen – es geht um eine Partnerschaft mit einer aus unserer Sicht nach objektiv kaum messbaren Kriterien ausgewählten Region in der Türkei –, haben wir diesen Entschließungsantrag eingebracht. Wir als CDU-Fraktion können hier nicht so ohne Weiteres zustimmen; denn eine solche Zielsetzung würde nicht zu mehr Klarheit in der internationalen Ausrichtung unseres Landes führen, sondern nur zu Verwirrung.
Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Niemand in diesem Hohen Hause zweifelt daran, dass die Türkei ein seit Jahren mit NordrheinWestfalen und der Bundesrepublik Deutschland befreundetes Land ist. Niemand bezweifelt auch die Wichtigkeit guter partnerschaftlicher Kontakte zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei. Diese Kontakte gilt es gerade auch vor dem Hintergrund der Struktur der nordrhein-westfälischen Bevölkerung, die ja im Vergleich zu anderen Bundesländern den höchsten Anteil türkischstämmiger Migrantinnen und Migranten aufweist, nach
Ein solcher Prozess kann aber nicht erfolgreich im Rahmen einer Partnerschaft Nordrhein-Westfalens mit einer beliebig ausgewählten türkischen Region begleitet werden. Wir brauchen im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Türkei vielmehr einen praxisnahen und sachorientierten Ansatz.
Zunächst gilt es, die Zusammenarbeit mit der Türkei im Hochschul- und Wissenschaftsbereich sowie auch auf kulturellem und wirtschaftlichem Feld weiter zu stärken und auszubauen. Auch die nordrhein-westfälisch-türkische Kooperation im Bereich der Schulpartnerschaften, Austauschprogrammen und Städtepartnerschaften muss intensiviert werden.
Nicht zuletzt sollte in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit der Einrichtung eines deutschtürkischen Jugendwerkes von der Landesregierung geprüft werden. Das sind arbeitsintensive Maßnahmen. Das sind konkrete Schritte, die die Beziehungen Nordrhein-Westfalens zur Türkei nachhaltig ausbauen und verbessern könnten. Damit helfen wir der Türkei auch ganz praktisch auf dem Weg des Ausbaus der demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen.
Das ist auch aus unserer Sicht ein wirksamer Ansatz, der die entsprechenden Bemühungen auf Bundesebene und im europäischen Kontext in allen relevanten Fragen der Zusammenarbeit unterstützt. Für die CDU-Fraktion sage ich in diesem Zusammenhang auch noch einmal ganz klar, dass die mittlerweile angelaufenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei für uns einen ergebnisoffenen Prozess darstellen, dessen Ausgang abzuwarten bleibt. So ist das auch im Berliner Koalitionsvertrag festgelegt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.
Wir als CDU-Fraktion stehen nach wie vor für unser Konzept der privilegierten Partnerschaft, das es der Türkei ermöglicht, eng mit den europäischen Strukturen verzahnt zu werden, ohne dass die Europäische Union in ihrer Integrationskraft überfordert wird. Das ist ein guter, machbarer und gangbarer Weg der internationalen Kooperation.
Im Rahmen der Internationalisierungsstrategie unseres Landes müssen die internationalen Schwerpunkte überprüft werden. Zusätzliche regionale Partnerschaften zu den bereits bestehenden sind
aus unserer Sicht in diesem Kontext nicht das prioritäre Handlungsfeld. Wir bieten der Türkei einen zielorientierten und sachbezogenen Austausch an. Sollte am Ende eines solchen Prozesses die Möglichkeit einer regionalen Partnerschaft mit der Türkei erwachsen, umso besser.
Wir werden allerdings nicht eine Politik 1:1 fortführen, die auf bereits bestehenden Kontakten der alten rot-grünen Landesregierung fußt, wie es der SPD-Antrag möchte.