Protocol of the Session on December 15, 2005

(Beifall von Theo Kruse [CDU])

Die Aufgaben und Befugnisse der Landesverfassungsschutzämter müssen gebündelt werden. Das Nebeneinander der verschiedenen Dienste ist für uns heute das zentrale Problem. Berichte über die fehlende Weitergabe von Informationen über Mitglieder, die mit den Anschlägen vom 11. September in Verbindung gebracht wurden, oder auch die V-Mann-Affäre im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren zeigen, dass durch eine zu optimierende Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter der wichtige Informationsaustausch verbessert werden kann und muss.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine Besonderheit der deutschen Sicherheitsstruktur, dass es zurzeit Daten über Straftäter in den verschiedensten Bundes- und Landesbehörden gibt. Unterschiedliche Datenverarbeitungssysteme und mangelhafte Vernetzung erschweren einen reibungslosen Informationsaustausch. Das ist in unserer hoch technisierten Welt eigentlich ein Armutszeugnis und stellt ein Defizit dar, das Kriminelle schamlos ausnutzen, wie wir alle wissen. Deshalb brauchen die Sicherheitsbehörden eine Datenbank Terrorismus als obere Netzebene, auf die jederzeit ein gegenseitiger Zugriff möglich ist.

Deutschland ist ein ausländerfreundliches Land. Aber genauso, wie die Kriminalität von deutschen Staatsbürgern zu bekämpfen ist, muss die Kriminalität von Ausländern bekämpft werden. Das gilt

insbesondere für die Bekämpfung des Terrorismus. Bitte beachten Sie, dass im Nebeneinander der bei den Ausländerämtern vorhandenen Informationen ein heute allgemein erkannter Schwachpunkt bei der Identifizierung verdächtiger Ausländer liegt.

Sachdienliche Informationen, die im Ausländerzentralregister geführt werden, und Informationen, die bei den Ausländerämtern vorhanden sind, müssen in einer Datenbank Terrorismus zusammengeführt werden.

Meine Damen und Herren, es ist eine zentrale Aufgabe des Staates, die Freiheit und Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Freiheit ist ohne Sicherheit nicht denkbar.

Herr Abgeordneter, würden Sie bitte zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist überschritten.

Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, vor Kriminalität geschützt zu werden. Wir werden über den Bundesrat die erforderlichen rechtlichen Konsequenzen aus dem Evaluierungsbericht zum Terrorismusbekämpfungsgesetz ziehen. In diesem Zusammenhang werden wir auch prüfen, inwieweit Änderungen des Strafrechts – etwa im Hinblick auf die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen oder Aktivitäten – erforderlich sind.

Herr Abgeordneter, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt zum Schluss kämen.

Vorletzer Satz, Herr Präsident.

(Allgemeine Heiterkeit)

Bündnis 90/Die Grünen haben ihren eigenen Antrag im Innenausschuss zurückgezogen und gemeinsam mit der SPD – darauf haben Sie vorhin hingewiesen – einen neuen Entschließungsantrag zur Abstimmung gestellt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Der ist gut, nicht?)

Der Antrag wurde im Innenausschuss mehrheitlich abgelehnt. Der bereits am 1. Dezember im Parlament von CDU und FDP vorgelegte Entschließungsantrag hingegen wurde angenommen. Wir bitten Sie auch heute, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen und den Antrag der Oppositionsfraktionen abzulehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als nächster Redner hat der Abgeordnete Kutschaty von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut gemeint ist anders, und gut gemacht auch. So kann man vielleicht freundlicherweise die Bestrebungen des Bundes bezeichnen, zulasten der Länder Polizeikompetenzen zum Bund zu verschieben. Das soll durch eine Änderung des Grundgesetzes erfolgen. Eine kleine Nummer 9a soll Artikel 73 ergänzen.

Während dort in einer ersten Variante noch stand, dass der Bund zukünftig in den Fällen für die Gefahrenabwehr zuständig sein soll, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt und die Zuständigkeit einer Landesbehörde nicht erkennbar ist, heißt es nun: oder. – Mit der ersten Variante hätten wir vielleicht noch leben können. Aber was ist mit diesem neuen Änderungsvorschlag im Rahmen der Föderalismusdiskussion gemeint?

Die Sicherheitsbehörden werden vor einem Rätsel stehen; letztlich wird es keine klare Regelung geben können. Wir haben eine Doppelzuständigkeit und ein Kompetenzgerangel. Das kann gerade nicht Sinn der Föderalismusreform sein, bei der doch gerade Kompetenzen entzerrt werden sollen.

Mit einer solchen Regelung tun sich vor allem neue Fragen auf – etwa die, wann denn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt. Ist das bei dem soeben vom Kollegen Kress zitierte Fußballspiel der Fall? Liegt hier eine länderübergreifende Gefahr vor? Wie viele Ausschreitungen müssen denn stattfinden? Wie viele Terroristen müssten denn beim Fußballspiel sein? Oder hat das LKA in Nordrhein-Westfalen die Sache nicht gut im Griff? Welche Fälle sind gemeint?

Den einzigen Fall, bei dem es zu länderübergreifenden Problemen und Kompetenzstreitigkeiten kommen könnte, den ich mir denken kann, ist das mit Terroristen besetzte Flugzeug, das von Niedersachsen über Nordrhein-Westfalen nach Hessen fliegt. Für einen solchen Fall könnte man möglicherweise darüber nachdenken, ob es zu länderübergreifenden Schwierigkeiten kommen könnte. Aber dieses Problem ist durch das Luftsicherheitsgesetz inzwischen auch geregelt. Daher sehe ich überhaupt keinen Regelungsbedarf.

Es bleibt die Erkenntnis, dass sich zwar vieles ändern, aber nichts verbessern wird. Seit vielen Jahrzehnten hat sich unser föderaler Staatsauf

bau bei der inneren Sicherheit bewährt. Das soll nicht heißen, dass man keine Veränderungen diskutieren könnte. An einigen Stellen mag es Kleinigkeiten geben, die verändert werden müssen.

Hier ist aber eine weitgehende Kompetenzverlagerung von den Ländern hin zum Bund vorgesehen. Auch solche Kompetenzverlagerungen können durchaus sinnvoll sein, um Klarheit zu schaffen. Aber hier ohne Not Hand an ein funktionierendes Prinzip der Aufgabenteilung bei der Sicherheitsarchitektur zu legen, ist mehr als grob fahrlässig.

(Beifall von der SPD)

Eine entsprechende Grundgesetzänderung hätte nahezu eine Allzuständigkeit des BKA, und zwar auch schon bei der vorbeugenden Gefahrenabwehr, zur Folge. Aber gerade bei der vorbeugenden Gefahrenabwehr sind die Landeskriminalämter vor Ort natürlich aktiv und von besonderer Bedeutung. Daher stellt sich die Frage, wie die Erkenntnisse auf Landesebene eingebunden werden, wenn Doppelzuständigkeiten vermieden werden sollen.

Ich halte das für einen Akt symbolischer Sicherheitspolitik, der vielleicht Sicherheit vorgaukelt. In Nordrhein-Westfalen und in den anderen Bundesländern wird dadurch keine zusätzliche Sicherheit geschaffen. Ein Höchstmaß an Sicherheit, das wir sicherlich alle wollen, ist nur dann möglich, wenn die Gefahren richtig verstanden werden, was durch die räumliche Nähe vor Ort besser gelingt.

Frau Kollegin Düker hat den Innenminister vorhin schon zitiert. Ich hätte ihn heute gerne einmal gelobt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Gelobt?)

Leider ist er nicht da. Er hat schon in der Sitzung des Innenausschusses am 3. November seine Position dargelegt und geäußert: Gegen Versuche des Bundes, Kompetenzerweiterungen zulasten der Länder ohne Sicherheitsgewinne vorzunehmen, werden wir uns entschieden wehren.

Das können wir so unterschreiben und unterstreichen. Bei der CDU scheint das nicht so zu sein. Dort besteht durchaus die Bereitschaft, Kompetenzen zugunsten eines unsinnigen Herumpfuschens an den föderalen Prinzipien abzugeben.

Ich kann nur noch an den Innenminister – Frau Müller-Piepenkötter, ich glaube, Sie vertreten ihn heute hier – appellieren – geben Sie es bitte weiter! –: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn wir das nicht wollen, wenn der Innenminister das nicht will, kann er klar und deutlich Nein zu einer

Ergänzung von Artikel 73 des Grundgesetzes sagen.

Insofern halte ich es für bedauerlich, dass sich der Innenminister dieser Diskussion heute entzieht. Ich hätte ihn gerne selbst zu diesem Punkt gehört. Ich weiß nicht, inwieweit er sich bei seinem Koalitionspartner durchsetzen wird.

Der Antrag der CDU ist ebenfalls schon zitiert worden. Er ist äußerst schwammig. Es lag nahe, dass wir im Innenausschuss eine gemeinsame Lösung hätten erreichen können. Der CDU-Antrag war allerdings sehr schwammig und sagt überhaupt nichts aus. Man weiß nicht, ob nach dem CDU-Antrag das BKA gegenüber den Landeskriminalämtern Weisungsrecht bekommen soll oder ob an eine Koordinierung gedacht ist. Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Die Fraktionen von CDU und FDP lassen sich jede Hintertür offen, ohne klare Aussagen zu machen.

Herr Abgeordneter, dieses rote Schild auf Ihrem Redepult signalisiert, dass die Redezeit zu Ende ist.

Ich denke, das heißt, man kann den vorletzten Satz noch sagen.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall von der SPD)

Aber bitte nicht so lang wie bei Herrn Kress.

Ich sage nur noch einen Satz: Gegenüber dem Bund kann man als Landesregierung im Zuge Föderalismus-Feindiskussion nur dann sicher auftreten, wenn man auch mit der eigenen Meinung entschieden dahinter steht. Insofern wird sich die Landesregierung daran messen lassen müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Engel von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach meiner Einschätzung gibt es keinen vernünftigen Grund, die Interessen der Länder bei der inneren Sicherheit gegenüber dem Bund zu schwächen. Trotzdem, Frau Kollegin Düker, gilt der Kernsatz für die SPD, die CDU und die FDP: Polizei ist und bleibt Angelegenheit der Länder.

Die bisherige Sicherheitsarchitektur hat sich bewährt und entspricht dem Schutzbedürfnis der

Menschen in unserem Land. Wir brauchen kein deutsches FBI. Auch in den USA sind durch das FBI und durch zentrale Mega-Behörden die Terroranschläge vom 11. September nicht verhindert worden. Es gibt kein Mehr an Sicherheit, wenn sich das BKA in Fällen von länderübergreifender Gefahr auf Dauer selber für zuständig erklären darf.

Das BKA braucht keine weiteren Befugnisse in den Ländern, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Das können dezentral organisierte Länderpolizeien aufgrund ihrer Orts- und Milieukenntnisse besser und zeitnäher. Das haben wir alles gehört. Das ist richtig.

Doppelzuständigkeiten des Bundes und der Länder führten zu Kompetenzkonflikten und verhinderten effektive Lösungen.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Die Koordination zwischen den Länderpolizeien erfolgt sei Jahrzehnten reibungslos, ohne dass es dabei einer Entscheidungszuständigkeit des Bundes bedurfte.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das habe ich alles schon vorgelesen!)