Zum Herkunftslandprinzip: Dies ist die umstrittenste und meistdiskutierte Regelung in der Dienstleistungsrichtlinie. Grundsätzlich gilt: Das Herkunftslandprinzip ist ein richtiges und notwendiges Instrument zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Dienstleistungen. Es ist auch nicht neu. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten Anforderungen an die Sicherheit und Qualität von Dienstleistungen, zum Beispiel zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt oder der öffentlichen Sicherheit, vom Herkunftslandprinzip ausnehmen können, um die Geltung nationaler Sicherheits- und Qualitätsstandards sicherstellen zu können.
„Die Mitgliedstaaten müssen die Möglichkeit bewahren, im Rahmen der allgemeinen Grundsätze des EG-Vertrages auch weiterhin hohe Standards für die Sicherheit und Qualität von Dienstleistungen (zum Beispiel zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt und der öffentlichen Sicherheit) durchzusetzen. Das Herkunftslandprinzip in der bisherigen Ausgestaltung führt uns nicht in geeigneter Weise zu diesem Ziel. Deshalb muss die Dienstleistungsrichtlinie überarbeitet werden.“
Wir wollen aber nicht die grundsätzliche Ablehnung des Herkunftslandprinzips, wie es die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert. Das ist nicht zielführend.
Es sind auch Zweifel angebracht, ob eine Unterscheidung zwischen Marktzugang und Marktausübung – wie es Frau Gebhardt, die Berichterstatterin im Binnenmarktausschuss, vorschlägt – tatsächlich wirkungsvoll ist, um die Hemmnisse bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen zu verringern.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn Sie zwar eine Dienstleistung im Ausland erbringen können, aber den Baukran zur Durchführung dieser Dienstleistung nicht mitnehmen dürfen, tut sich das eine oder andere Problem auf. Da sind wir noch nicht ganz mit den abstrakten Formulierungen durch, glaube ich.
Zur Kontrolle der Dienstleistungserbringer: Unstreitig ist, dass die Vorschläge der Kommission, diese durch das Herkunftsland ausüben zu lassen, wenig praktikabel und effektiv sind. Welcher Mitgliedstaat hat ein Interesse, seine Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat zu kontrollieren? Effektiv kann dies nur am Ort der
Eine solche Kontrolle ist sicherlich – da gebe ich Ihnen vollständig Recht, Herr Priggen – nicht einfach, da dies von den Behörden des Ziellandes die Kenntnis und parallele Anwendung von 25 Rechtssystemen erfordert. Die Problemanalyse der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist also richtig. Die Schlussfolgerungen sind aber falsch. Unter der Voraussetzung, dass von allen Mitgliedstaaten gemeinsam wirkungsvolle und praktikable Hilfsinstrumente entwickelt werden, ist eine Kontrolle nämlich leistbar, wenn man den europäischen Binnenmarkt tatsächlich will. Derzeit wird auf EU-Ebene übrigens ein Prototyp erarbeitet, ein sogenanntes Internal Market Information System, das Ende 2005 vorliegen soll.
Meine Damen und Herren, es ist unstreitig, dass die Dienstleistungsrichtlinie zu überarbeiten ist, weitere Klarstellungen erforderlich sind usw. usf.
Aber: Wir müssen die Chance nutzen. Wir dürfen nicht abwehren und meinen, das gäbe Vorteile für Beschäftigung und Wachstum in unserem Land. Darin liegen große Chancen für mehr Beschäftigung auch und insbesondere für uns in NordrheinWestfalen.
Dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kann jedoch in dieser Form nicht zugestimmt werden. Noch liegen die Voten aus den Binnenmarktausschüssen nicht vor. Wir lehnen das Herkunftslandprinzip nicht grundsätzlich ab, da wir den offenen Markt für Dienstleistungen wollen.
Meine Damen und Herren, ich habe ein wenig den Verdacht, hinter diesem Antrag steht eigentlich der Wunsch, die Liberalisierung des Dienstleistungsbereichs generell zu verhindern. Dem kann die Landesregierung nicht folgen, die Wirtschaftsministerkonferenz gestern konnte dies auch nicht. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Schroeren das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute Morgen über die EU-Dienstleistungsrichtlinie und ihre Auswirkungen auf Nordrhein-Westfalen. Das ist unbestritten ein wichtiges Thema. In aller Ruhe und Sachlichkeit darf ich aber auch einleitend feststellen: Dieses Thema eignet sich nicht für übereifrigen Aktionismus. Es eignet sich noch viel
weniger dafür, Ängste bei den Menschen zu schüren, die unbegründet sind. Damit bin ich auch schon bei der Grundlage dieser Debatte, den beiden Anträgen von SPD und Grünen; nur einige wenige Worte hierzu, meine Damen und Herren:
Der SPD-Antrag fordert eine eigene NRW-Studie zu den Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie, obwohl eine solche in ähnlicher Form von der Verwaltungshochschule Speyer verfasst schon längst vorliegt.
Vor zwei Wochen war es noch der kommunale Masterplan, mit dem Sie Ihre eigene jahrelange Untätigkeit auf europapolitischem Feld verdecken wollten, jetzt also noch eine Studie oben drauf. Diesen Bürokratismus, meine Damen und Herren, machen wir nicht mit. Die Koalition der Erneuerung steht dafür, europapolitische Entscheidungsprozesse frühzeitig im Interesse NordrheinWestfalens zu beeinflussen. Hierfür brauchen wir keine Anhäufung von Papieren. Hierfür brauchen wir eine praxis- und bürgernahe Politik, die den Mehrwert Europas für die Menschen in ihrem alltäglichen Leben vor Ort erfassbar macht.
Das ist ein gänzlich anderer europapolitischer Ansatz als derjenige, der im Antrag der SPDFraktion zum Ausdruck kommt. Unser bürgernaher europapolitischer Ansatz, meine Damen und Herren, unterscheidet sich auch substanziell von dem Inhalt des Antrags der Grünen. Die hier suggerierte Panikmache vor Sozial-, Verbraucherschutz- und Umweltdumping, das durch die EUDienstleistungsrichtlinie angeblich drohe,
belegt nicht Ihre Sorge um die Menschen in diesem Lande, sondern zeigt vielmehr den fehlenden Realitätssinn Ihres Politikverständnisses, liebe Grüne.
Der jetzt dem Europäischen Parlament zur ersten Lesung vorliegende Richtlinienentwurf, meine Damen und Herren, garantiert eine vernünftige Balance zwischen sozialen und ökologischen Schutzinteressen und der Erleichterung des zwischenstaatlichen Handels und ist damit ein großer Erfolg der von Christdemokraten und Liberalen verfolgten Linie in dieser Angelegenheit.
Was besagt der vom Binnenmarktausschuss verabschiedete Entwurf der EU-Dienstleistungsrichtlinie abzüglich der rot-grünen Prosa in Wirklichkeit? - Bei dem besonders umstrittenen Herkunfts
landprinzip konnten Christdemokraten und Liberale eine moderate Regelung zum anwendbaren Recht durchsetzen. So werden unsinnige Barrieren und bürokratische Hemmnisse für Unternehmen abgebaut. Rechtsbereiche, bei denen das Recht des Herkunftslandes unproblematisch ist – zum Beispiel Regelungen zu Unternehmensführungen, Regelungen zur Ausführung der Dienstleistung, Regelungen zum Inhalt der Dienstleistung selbst –, werden darüber hinaus in einer Positivliste zusammengefasst.
Grundsätzlich gilt für den Marktzugang und die Ausübung der Dienstleistung das Recht am Ort der Niederlassung im Herkunftsland. Die Mitgliedstaaten, in denen die Dienstleistung letztendlich erbracht wird, können aber weiterhin verlangen, dass ihre Regeln, die zum Schutz von öffentlicher Sicherheit und Ordnung, zur Wahrung der Volksgesundheit, zum Umweltschutz und zur Vorbeugung gegenüber besonderen Risiken vor Ort zwingend erforderlich sind, auch eingehalten werden.
Erstens. Es ist sichergestellt, dass die Richtlinie die staatliche und kommunale Daseinsvorsorge nicht einschränkt. Die Definitions-, Gestaltungs- und Finanzierungshoheit der Mitgliedstaaten bleibt damit unangetastet.
Zweitens. Das gesamte Arbeitsrecht und damit auch die Entsendung von Arbeitnehmern bleiben von der Richtlinie unberührt. Befürchtungen, die Richtlinie könnte Sozialdumping fördern, sind schlichtweg unbegründet.
Drittens. Sensible Dienstleistungsbereiche wie beispielsweise das Notarwesen, Geldtransporte, audiovisuelle Dienste, Zeitarbeit oder der Glücksspielsektor werden aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.
Ich fasse zusammen: Der vom Binnenmarktausschuss verabschiedete Richtlinienentwurf stellt eine gute Grundlage für die weiteren Beratungen auf europäischer Ebene dar und ist in erster Linie den entsprechenden Bemühungen von Christdemokraten und Liberalen zu verdanken. Der Entwurf liegt auch im Interesse Nordrhein-Westfalens. Ich bin mir ganz sicher, dass die neue Landesregierung auf dieser Basis im weiteren Verlauf der europapolitischen Entscheidungsprozesse zur Dienstleistungsrichtlinie ihren Einfluss entsprechend geltend machen wird.
Die heutige Debatte, meine Damen und Herren, zeigt uns ganz deutlich: SPD und Grüne machen einmal mehr viel Lärm um nichts.
Jawohl, Herr Präsident. – Die Koalition der Erneuerung hingegen gestaltet die Europapolitik für die Menschen in diesem Lande unaufgeregt, praxisbezogen und bürgernah. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Punkt 1: Lassen Sie uns den Popanz abräumen. Hier ist keine Fraktion im Saal, die irgendetwas dagegen einzuwenden hätte, dass wir das Prinzip der Dienstleistungsfreiheit im Rahmen der Vollendung des Binnenmarktes haben und auch haben wollen. Das gebetsmühlenartig vorzutragen, Herr Brockes und Herr Schroeren, macht überhaupt keinen Sinn.
Punkt 2 – noch einmal zur Erinnerung, weil es vorhin Irritationen gab und schon von der Ablehnung beider Anträge gesprochen wurde –: Die Empfehlung lautet, die Anträge zu überweisen und sich dann in den entsprechenden Ausschüssen damit zu beschäftigen.
Punkt 3: Ich fand höchst spannend und hochinteressant, dass Ihre Position – so, wie sie vorgetragen wurde – sehr nah bei unserer liegt, Frau Ministerin. Sie liegt weitaus näher, als es von den Kollegen aus den Regierungsfraktionen vorgetragen worden ist. Das finde ich erstaunlich und beachtlich.
Das ist vielleicht eine Grundlage, auf der man weiter aufbauen kann. Sie haben genau die Punkte angesprochen. Ich will sie nicht wiederholen. Ich nenne nur das Stichwort Herkunftslandprinzip. – Wir würden natürlich auch noch einmal die Frage der Berücksichtigung des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherung einbringen wollen.
Die Daseinsvorsorge ist von Ihnen angesprochen worden. Das ist übrigens ein Punkt, warum wir glauben, dass die Fortsetzung der Speyer-Studie benötigt wird. Herr Kollege Schroeren, Sie müssen sich einmal informieren. Die Studie liegt na
türlich vor, weil die andere Landesregierung sie schon auf den Weg gebracht hat. Sie muss aber fortgesetzt werden. Wir brauchen diese Studie. Wir brauchen mehr Erkenntnisse. Das gilt übrigens auch, wenn wir das Thema Dienstleistungsrichtlinie beendet haben. Automatisch wird nämlich anschließend das Thema Daseinsvorsorge kommen.
Insofern und vor dem Hintergrund, dass Frau Ministerin Thoben – sehr überzeugend, wie ich finde - eine andere Beurteilung der Zeitachse ausgeführt hat, glaube ich, man sollte sich noch einmal überlegen, ob wir diesen Weg nicht tatsächlich gehen könnten und sollten.
Lassen Sie mich abschließend für uns noch einmal etwas vortragen, was die Position der Landesregierung anbelangt, Frau Ministerin. Ich fand, die Position war sehr klar vorgetragen. Sie werden verstehen, dass ich im weiteren Beratungsgang auch einmal nachfragen will, wie sich die Landesregierung zum Antrag des Landes Hessen im Bundesrat verhält. Das wird in den kommenden Wochen auch auf der Tagesordnung stehen.
Ich denke, dann sollte in den öffentlichen Beratungen auch noch einmal ehrlich thematisiert werden, was Herr Kollege Knieps – ich sehe ihn im Augenblick nicht; da ist er – zusammen mit der alten Landesregierung und vielen anderen ehrenwerten und seriösen Vertreterinnen und Vertretern des Handwerks und des Mittelstandes zusammen mit Kommissar Verheugen schon vor Monaten erörtert hat.
Herr Knieps, Sie werden bei anderer Gelegenheit sicherlich auch im Plenum darstellen, welche Bedenken von Ihnen vorgetragen worden sind. Dies muss neben der Nennung der Chancen geschehen, die es natürlich gab und gibt. Diese müssen wir auch nutzen. Das ist noch einmal ein Hinweis darauf, dass sich die alte Landesregierung auch mit diesem Thema beschäftigt hat. Wenn dies jetzt fortgesetzt wird, wie es Frau Thoben vorgetragen hat, kann ich das nur begrüßen. Hoffentlich bleibt es dabei. Hoffentlich gelingt es der Ministerin auch, die Koalitionsfraktionen davon zu überzeugen, dass ihr Weg der richtige ist. – Herzlichen Dank.