Protocol of the Session on March 23, 2010

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Schauen wir uns einmal an, wie Sie diese Freiheit denn fortsetzen wollen. Sie fordern, dass alle Videotheken an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Klatschen Sie nur. – Sie wollen die automatischen Autowaschanlagen öffnen.

(Ralf Jäger [SPD]: Das ist ganz wichtig!)

Ich könnte eine Assoziationskette aufmachen; Sie kennen ja das Spiel: Fordern Sie dann auch die Öffnung der Sonnenstudios und der Nagelstudios? Das ist Ihre Vorstellung von Freiheit: Automatische Waschanlagen sollen am Sonntag geöffnet haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Ich brauche Ihnen das gar nicht nahezulegen. Das hat Gott sei Dank im August des vergangen Jahres jemand gemacht und folgendermaßen formuliert:

Es zeichnet alle Kulturen aus, dass die Menschen ihren Alltag in Fest- und Arbeitstage teilen. … Aus der Tretmühle herausgehen und die Welt mit immer neuen Augen sehen, hat die Kreativität, den schöpferischen Einfallsreichtum befördert.

Weiter führt er aus:

Man könnte die „Auszeiten“ auch individuell festlegen und jeden sich seinen Sonntag selber aussuchen lassen. So wollen die Individualisten die Gesellschaft ordnen und meinen damit, das sei Freiheit. Es ist die Freiheit ohne jede Bindung, die auch Verschrobene für die höchste Form der Freiheit halten.

Ich hätte es nicht besser formulieren können als Norbert Blüm, von dem diese Zitate stammen.

(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Das haben Ihre Sozialdemokraten in Berlin gemacht!)

Nein, das ist ein Zitat von Norbert Blüm. Sie können schreien, so viel Sie wollen. Es wird sogar noch besser:

Im Krampf, kein Geschäft zu verpassen, ist der neoliberale Imperialismus dabei,

ich wiederhole noch einmal: der neoliberale Imperialismus –

alles zu verwirtschaften; Sonn- und Festtage inklusive.

(Ralf Witzel [FDP]: Was sagt denn Helmut Schmidt dazu?)

Das ist ein versteckter Versuch zur Planierung der Gesellschaft, die eine Variante der Enthumanisierung ist.

Glückwunsch, Norbert Blüm: Das ist präzise formuliert. Das ist der Freiheitsbegriff dieser ehemals Freien Demokratischen Partei Deutschlands in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Herr Kuschke, Sie haben doch mehr Niveau als das, was Sie da vortragen!)

Meine Damen und Herren, zumindest einige in der CDU-Fraktion wie Herr Laschet müssten doch noch wissen, dass Freiheit keine bindungslose Freiheit ist. Dahinter steht doch immer die Frage: Wozu Freiheit und in welchem Spannungsverhältnis? – Sie bringen diesen Freiheitsbegriff auf das Niveau von automatischen Waschanlagen, Videotheken und möglicherweise demnächst auch noch Nagelstudios.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir unterstützen die Allianz, die sich in NordrheinWestfalen für den freien Sonntag gebildet hat, in der die katholische Arbeitnehmerbewegung vertreten ist. Es interessiert uns sehr, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, diese Position dort vertreten, sofern Sie an solchen Veranstaltungen teilnehmen. In der letzten Zeit gibt es in Bezug auf Ihre Teilnahme dort Klagen.

Wir sagen gegenüber dieser Allianz deutlich: Ja, die Sonn- und Feiertagskultur muss neu bekräftigt werden. Der Sonntag verkörpert traditionell die Freiheit des Menschen von einer rein ökonomisch orientierten Lebensweise. Wenn Johannes Rau jetzt hier wäre, würde er sagen:

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde.

Prediger, Kapitel 3, Vers 1. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kuschke. – Für die CDU-Fraktion spricht nun die Kollegin Frau von Boeselager.

(Ralf Witzel [FDP]: Herr Kuschke will sich als kirchenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion profilieren!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Eine erneute Sonntagskultur neu bekräftigen“ – ich bin der SPDFraktion für diesen Antrag ausgesprochen dankbar. So können wir zum wiederholten Male deutlich machen, dass es uns als Christdemokraten sehr wichtig ist, einen freien Sonntag zu behalten.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Dann stimmen Sie also gleich zu?)

Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit – wir haben uns immer dafür eingesetzt –, einen nachhaltigen Sonn- und Feiertagsschutz zu erhalten.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Den gibt es ja nicht!)

Wir werden das auch in Zukunft tun. Den Christen ist der Sonntag von jeher heilig. In Ihrem Antrag sprechen Sie von einer 4000-jährigen Kultur. Das können wir nur bestätigen.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Dann haben wir ja gleich eine Mehrheit!)

In einer globalen Welt ist es dringend notwendig, einen Rückzugsraum zu behalten, weil bei zunehmender Mobilität und Anpassungsfortschritten immer mehr Stress und Hektik für die Menschen aufkommen. In Bezug auf die Möglichkeiten für familiäre, soziale und religiöse Bedürfnisse muss es in unserer Gesellschaft eine Orientierung für die Zu

kunft sowie die Möglichkeit des Zusammenhalts geben.

Der Antrag ist aber insofern nicht ganz stimmig, Herr Kuschke, wenn Sie daran denken, was RotRot in Berlin gemacht hat.

(Beifall von CDU und FDP – Wolfram Kusch- ke [SPD]: In welchem Landtag sind wir denn gerade?)

Gerade in diesem konkreten Fall hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen der Berliner Ladenöffnungszeiten für teilweise verfassungswidrig erklärt. Die Richter kassierten die Bestimmungen, die das Berliner Abgeordnetenhaus auf den Weg gebracht hatte. Man darf zukünftig nicht an allen vier Adventssonntagen öffnen.

Ich meine, bei Ihrem Antrag ist auch festzuhalten, dass Sie eine bundeseinheitliche Regelung fordern. Das finde ich fatal.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Warum?)

Wollen Sie unser föderalistisches System infrage stellen?

(Wolfram Kuschke [SPD]: Nein!)

Ich bitte Sie: Wir sind eines der größten Bundesländer

(Wolfram Kuschke [SPD]: Das größte!)

mit über 18 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Sollen wir uns demnächst an Brandenburg, Berlin oder sonstigen Ländern ausrichten? Glauben Sie, dass dann dieses Gesetz einheitlich kommen wird? Sie stellen in Ihrem Antrag eine groteske Forderung auf. Dem können wir wirklich nicht zustimmen.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kuschke?

Nein, das tue ich nicht.

Okay.