Trotzdem fordert die SPD im Kern ihres Antrags ein Protektorat für öffentliche Strukturen und setzt sich für die rückwärtsgewandte Rekommunalisierung ein. Auf diese Weise wird es niemals gelingen, mei
ne sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass der große europäische Binnenmarkt im Versorgungssektor umgesetzt werden kann. Dies kann mit Sicherheit nicht im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher sein.
Für die privatwirtschaftlich erbrachte Daseinsfürsorge braucht es allerdings solider ordnungspolitischer Rahmenbedingungen, die für die Sicherung ihrer Qualität sorgen. Das ist Aufgabe des Staates. Derartige Rahmenbedingungen sind allerdings in der Regel vorhanden. So ist zum Beispiel in der Energiewirtschaft eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas zu gewährleisten – nachzulesen in § 1 Energiewirtschaftsgesetz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der SPD scheint es offensichtlich nur darum zu gehen, einen Keil zwischen die öffentliche und die privatwirtschaftliche Daseinsvorsorge zu treiben. Dies ist Ausdruck ihrer fehlgeleiteten ideologischen Annahme, nur öffentliche Daseinsvorsorge sei gute Daseinsvorsorge. Damit befinden Sie sich auch – dazu müssen Sie sich auch noch erklären, das lassen wir nicht durchgehen – in guter Gesellschaft mit den Linken, die ausweislich des Entwurfs ihres Landtagswahlprogramms so gut wie alles verstaatlichen wollen, was nur im Entferntesten mit Daseinsvorsorge zu tun hat.
Ich komme zum Schluss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage es mit Shakespeare: viel Lärm um nichts. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Weisbrich hat vorhin sinngemäß mit der Frage begonnen: Was soll dieser Antrag der SPD bewirken? Da er in der Tat mit Feststellungen und nicht mit Beschlussvorgaben endet, konnte man diese Frage stellen. Spätestens aber nach Ihrem eigenen und dem Wortbeitrag des Kollegen Engel kann man erkennen, was er bewirken sollte. Er sollte noch einmal die Unterschiede sowohl in der intellektuellen Qualität wie in der Ausrichtung hier in diesem Hause deutlich machen.
Ich will mich da gerne anschließen und sozusagen im doppelten Sinne auf der Skala von hinten beginnen, auf der nach unten offenen „Engel-Skala“.
Herr Engel, gerne, angenehm. Bei dem, was Sie eben vorgetragen haben, ist es schwierig, den Mittelweg zwischen Weinen und Lachen zu finden. Ich werde das versuchen, indem ich jetzt einiges vortrage.
Erstens. Wenn Sie sich mit der Wirklichkeit beschäftigen und sie nicht nur aus dem gelb-blauen Glashaus betrachten, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir gerade auf dem von Ihnen erwähnten Energiemarkt quasi Monopole – man nennt das Oligopole – haben, und zwar der Privaten. Diese Oligopole haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass Preise gestiegen sind, dass sie übrigens bedeutend mehr gestiegen sind als die von Ihnen wieder einmal beschimpfte Ökosteuer. Sie haben im Übrigen auch dazu geführt, dass die ökologische Lenkungswirkung, die wir alle haben wollen, genau in den privaten Bereichen – sagen wir es vorsichtig – nicht stattgefunden hat, teilweise gar konterkariert worden ist.
Zweite Bemerkung: Wenn Sie von den „Privaten“ reden, dann reden Sie von den Privaten, die sich zum Beispiel aus Frankreich in der Bundesrepublik bei Privaten einkaufen und dann hier auf dem Markt agieren dürfen, während Sie hier in NordrheinWestfalen auf dem eigenen nordrhein-westfälischen Markt mit einem besonders scharfen Energiewirtschaftsrecht bzw. Kommunalrecht die eigenen Stadtwerke im Wettbewerb so behindern, dass sie gegenüber den Privaten im Nachteil sind und auch gegenüber Stadtwerken aus anderen Bundesländern benachteiligt sind – mit der absurden Folge, dass sich französische Staatskonzerne mittels baden-württembergischer Unternehmen in NordrheinWestfalen in kommunale Unternehmen einkaufen können, während diese sich außerhalb des Bundeslandes nicht zur Wehr setzen können. Das ist die Wirklichkeit – außerhalb Ihres, mit Verlaub, Geredes aus der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Lassen Sie mich ein Weiteres sagen. Wer sich damit beschäftigt, welche Herausforderungen wir in der Klimapolitik haben, der muss zu dem Ergebnis kommen, dass der Markt das jedenfalls alleine nicht regelt,
sondern dass es das Bedürfnis gibt, das durch staatliche Rahmenbedingungen einerseits und andererseits auch durch staatliche Unternehmen positiv zu begleiten.
Lassen Sie mich einige andere Beispiele nennen, damit wir uns nicht nur mit dem Strommarkt aufhalten. In der Abfallwirtschaft haben Sie von dem Segen der Privatisierung gesprochen. Ich glaube, mit Verlaub, Sie haben den Schuss der letzten Jahre nicht gehört.
Wenn es einen Oligopolmarkt in den letzten Jahren gab, dann war es die privatisierte Abfallwirtschaft mit ihrer gesamten Anfälligkeit für Korruption im Zusammenhang mit der öffentlichen Verwaltung. Ich kann Ihnen mindestens fünf Gebietskörperschaften in Nordrhein-Westfalen nennen, die den Weg gegangen sind, nicht mehr auszuschreiben, weil man keine wirtschaftlichen Angebote mehr auf dem europaweiten Markt bekommen hat, weil man davon ausgehen musste, dass es Marktabsprachen gibt. Die Rückholungen in die Kommunalwirtschaft sind zum Beispiel in meinem Kreis, im Rhein-Sieg-Kreis, im Kreistag einstimmig, mit der FDP zusammen, beschlossen worden – von Linken über FDP über CDU über Grüne haben das alle zusammen beschlossen. Die haben nämlich gehört, was gelaufen ist. Erkundigen Sie sich einmal.
Ja, selbstverständlich! Sagen Sie nicht Nein, Sie haben keine Ahnung. Darüber können wir öffentlich eine Wette machen. Mit den Stimmen der FDP ist das im Rhein-Sieg-Kreis gelaufen.
Jetzt sage ich Ihnen ein Weiteres. Wir haben rekommunalisiert, und zwar deswegen, weil die gesamte Abfallwirtschaft im privaten Bereich als Oligopol organisiert ist und weil keine ordentlichen Ausschreibungsergebnisse mehr zu erwarten waren. Sie haben keine Ahnung von dem, was Sie reden.
Nächster Punkt: Sie haben eben über Wasser geredet. Wer sich mit dem Thema Wasser beschäftigt, der muss sich damit auseinandersetzen, dass die EU in ihrer Wasserrahmenrichtlinie sehr wohl lange Zeit genau die Privatisierung der Wasserwirtschaft gefordert hat.
Das ist in der Tat ein hoch problematisches Gebiet. Sie haben auf Gelsenwasser hingewiesen. Wer sich einmal die Wasserwirtschaft dort, wo sie privat organisiert ist, zum Beispiel in Großbritannien, anschaut, weiß, dass das eine extrem gefährliche Entwicklung ist.
Ich kann Ihnen weitere Beispiele nennen, zum Beispiel in der Verkehrswirtschaft, übrigens bis hinein in die Bahn. Das gilt nicht nur in der kommunalen Daseinsvorsorge, sondern in der gesamten Daseinsvorsorge. Überall, wo das privatisiert worden ist, in England, in den Niederlanden, in Teilbereichen auch bei uns, wo es nicht reine Streckenaus
Lassen Sie mich an der Stelle noch etwas zum Lissabonner Vertrag sagen. Herr Weisbrich hat eben gesagt, der Lissabonner Vertrag habe nichts geändert. Selbstverständlich hat sich seitdem an der Stelle etwas geändert. Das will ich Ihnen auch noch einmal sagen. Der Lissabonner Vertrag regelt zum ersten Mal, dass im europäischen Primärrecht die nationalen, regionalen und lokalen Behörden bei den Diensten von allgemeinen wirtschaftlichen Interessen eine ganz erhebliche Einflussnahme wieder zurückbekommen. Es gibt da zwar ein Spannungsfeld mit der EU-Kommission, die über Mitteilungen versucht, genau in dieses Recht wieder hineinzuregieren. Aber wenn Sie so tun, als hätte sich an der Stelle im europäischen Recht nichts geändert und als gäbe es keinen Anlass, vor diesem Hintergrund noch einmal über die Politik in Nordrhein-Westfalen nachzudenken, dann irren Sie sich gewaltig.
Lassen Sie mich zum Schluss wenige Sätze zum § 107 und zu der Frage der Stadtwerke sagen. Wer die Stadtwerke-Anhörung zum von uns vorgeschlagenen Stadtwerkerettungsgesetz in der letzten Woche gehört hat, konnte feststellen, dass sich alle, auch alle von Ihnen eingeladenen Experten, einschließlich des Vertreters der Elektrizitätswirtschaft, exakt und ohne Wenn und Aber und ohne Abweichung für unseren Gesetzentwurf ausgesprochen haben und explizit gesagt haben, sie sähen überhaupt keinen Anlass, den zu verzögern; er sei supersonnenklar, und man könne und solle ihn jetzt noch vor der Wahl beschließen.
Ich bin gespannt auf Ihr Verhalten, insbesondere bei der CDU-Fraktion, nachdem Sie die FDP-Fraktion wieder einmal am Nasenring durch die Arena gezerrt und dafür gesorgt hat, dass sie bis in den Herbst hinein,
bis sie möglicherweise aus ihrer Sicht wieder in die Lage kommt wie bei den letzten Koalitionsverhandlungen, eine Verzögerungstaktik vollziehen kann.
Ich sage Ihnen allerdings voraus: Sie werden das nicht können, weil diese FDP am 9. Mai aus der Regierung gewählt wird. Und ich sage noch einmal, obwohl es hier immer einige erschreckt: Jede Kombination – ich betone: jede Kombination; dazu zählt Schwarz-Rot, Rot-Grün, jede andere Kombination –
ist besser als eine mit diesen Extremisten in der Regierung. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zurufe von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Unver- schämtheit! – Weitere Zurufe von der FDP)
Sie haben gerade das Wort „Extremisten in der Regierung“ gesagt und haben dabei auf die FDP verwiesen.
(Horst Becker [GRÜNE]: Machen Sie, was Sie wollen! Prüfen Sie das! Ich wiederhole das morgen früh noch einmal! – Lebhafte Zu- rufe – Ralf Witzel [FDP]: Flegelhaft ist das!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten Worte sollten Sie, Herr Becker, vielleicht noch einmal überdenken. Zu sagen, jede Kombination ist besser, heißt auch, dass Sie es für möglich halten, dass eine vom Verfassungsschutz beobachtete Partei demnächst hier Regierungsverantwortung hat.