Protocol of the Session on March 9, 2010

So vernünftig es auch ist, auf das Lohnabstandsgebot zu verweisen, so unvernünftig ist das, was die Grünen in Bezug auf seine Umsetzung fordern. Ein Lohnabstandsgebot hilft wenig, wenn es gar keinen Lohn mehr gibt, weil die betroffenen Arbeitnehmer ihren Job verloren haben.

(Widerspruch von Barbara Steffens [GRÜ- NE])

Der Post-Mindestlohn hat doch gezeigt, wie viele Jobs durch einen Mindestlohn verloren gegangen sind.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von Gerd Stüttgen [SPD])

Ich verweise noch einmal auf die Experten mit dem wirtschaftlichen Sachverstand wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das RWI in Essen, die seit Jahren davor warnen, dass durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns Arbeitsplätze zuhauf vernichtet werden. Ein solcher Mindestlohn würde zu erhöhten Arbeitskosten und auf diese Weise zu steigenden Preisen führen und sich negativ auf die Nachfrage auswirken.

Das hat Anfang März auch der Ökonom Klaus Zimmermann vom Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit unterstrichen. Er hat wörtlich gesagt:

Ich würde jedem den höheren Lohn gönnen. Aber die Folge eines flächendeckenden Mindest

lohnes wären auch höhere Preise für die Verbraucher. Das würde den Konsum hemmen und auf diese Weise Jobs kosten, vor allem im Niedriglohnsektor. Mindestlöhne sind kein effizientes Instrument für Umverteilung.

(Beifall von der FDP – Sören Link [SPD]: Das ist so abstrus, dass nur noch Herr Witzel klatscht! – Gegenruf von Ralf Witzel [FDP]: Sie haben das nicht verstanden! – Gegenruf von Sören Link [SPD]: Sie haben das nicht verstanden, Herr Witzel!)

Ein weiterer negativer Aspekt eines flächendeckenden Mindestlohns besteht darin, dass die Tarifautonomie marginalisiert bzw. ausgehebelt wird. Die Koalition in Berlin hat deshalb gut daran getan, die Stärkung des Tarifausschusses sowie eine gesetzliche Regelung für das Verbot sittenwidriger Löhne zu beschließen, wonach der branchenübliche Lohn nicht um mehr als ein Drittel unterschritten werden darf.

Den Reallohnverlust gibt es tatsächlich,

(Horst Becker [GRÜNE]: Aha!)

weil die Bürger mit mittleren und geringeren Einkommen in den letzten Jahren steuerlich zu stark belastet wurden.

(Lachen und Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD]: Die wären besser dran, wenn sie ein Hotel hätten!)

Das Lachen der Sozialdemokraten, die diese Steuererhöhung mit zu verantworten haben, finde ich zynisch.

(Zuruf von der SPD: Die Bürger müssen FDP-Mitglied sein! Dann bekommen sie bes- sere Konditionen bei der Krankenversiche- rung! – Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Die Wortwahl im Antrag zeigt sehr deutlich, dass die Grünen allmählich ihre bürgerliche Maske fallen lassen. Angesichts der Klassenkampfrhetorik, die hier zum Vorschein kommt, müsste es Gysi und Co. ganz warm ums Herz werden, vielleicht auch Herrn Sagel mit seinem süffisanten Lächeln in der letzten Reihe.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Nun möchte ich noch kurz auf die unzutreffende Behauptung der Grünen eingehen,

(Horst Becker [GRÜNE]: Das ist ja ein rheto- risches Feuerwerk!)

dass die FDP eine Kürzung der Regelsätze für Bezieher des Arbeitslosengeldes II fordert.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Ich sage mit aller Deutlichkeit: Eine solche Kürzung wird in der FDP nicht diskutiert.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das Bürgergeld ist eine Kürzung! – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Anstatt sich an ihrem Lieblingsfeind FDP abzuarbeiten, wären die Grünen gut beraten,

(Barbara Steffens [GRÜNE] – Weitere Zuru- fe)

endlich neue und vor allem brauchbare Vorschläge ins Parlament einzubringen, wie man die Situation der Arbeitnehmer im Land tatsächlich verbessern kann.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Westerwelle fischt mit seinen Äußerungen am rechten Rand! Das können Sie nicht wegdiskutieren! – An- haltende Unruhe – Glocke)

Wir wollen, dass die Hinzuverdienstgrenzen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger verbessert werden, damit es sich wieder lohnt, eine reguläre Arbeit aufzunehmen,

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

und auf diese Weise eine Brücke in reguläre Beschäftigung ermöglichen. Wir haben außerdem das Ziel, dazu beizutragen, die Qualifikation der Betroffenen zu verbessern, die Bereitschaft zur Fortbildung bei den Arbeitnehmern generell zu stärken und schließlich durch eine ausgewogene und zielsichere Wirtschaftspolitik dafür zu sorgen, dass gerade in Zukunftsbranchen neue Jobs entstehen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wir müssen auch bei der Vermittlung von Arbeitsstellen viel besser werden.

(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie machen immer nur Worte! Han- deln kommt überhaupt nicht!)

Herr Schmeltzer, Sie hatten die Möglichkeit, hier zu sprechen. Sie haben es nicht getan. Jetzt können Sie zuhören.

Ich bin fertig und bedanke mich für Ihre teilweise vorhandene Aufmerksamkeit. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sind schon lange fertig! Der Minis- ter ist zu bedauern, dass er Sie als Koaliti- onspartner hat!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Jetzt erhält der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort.

Herr Präsident! Damen und Herren! Für die Linke kann ich zunächst einmal feststellen, dass wir ein System der Selbstbedienung haben. Das ist mittlerweile die Realität in

Deutschland. Ich habe es gerade heute noch aufgedeckt.

In Münster ist zum Beispiel folgende Situation: Die Arge hat 3 Millionen € aus Eingliederungsbeihilfen umgeschichtet, womit sie ihre eigenen Arbeitsplätze in der Verwaltung finanziert. Das ist zum Beispiel die Realität hier in Nordrhein-Westfalen und in den Argen in Deutschland.

Ein System der Selbstbedienung erleben wir auch bei der „Mövenpick-Partei“, der FDP. Der Sprecher der „Mövenpick-Partei“ hat von spätrömischer Dekadenz geredet. Spätrömische Dekadenz war vor allem die Dekadenz der Eliten und nicht die der kleinen Leute. Genau das erleben wir hier in Deutschland. Wir erleben hier einen käuflichen Ministerpräsidenten.

(Oh-Rufe von der CDU)

Wir erleben hier eine Partei, die FDP, die, wie man im aktuellen „Spiegel“ nachlesen kann, den Staat als Beute betrachtet, wo der Außenminister ihm genehme Leute, die viel Geld an die FDP gespendet haben, in seinem Flieger mitnimmt. Wir erleben bei allen Parteien, dass sie ihre Parteitage über Sponsoren finanzieren. Das ist die Realität. Käufliche Politik, ein System der Selbstbedienung – das ist die Politik, die wir hier erleben.

Nichts anderes erleben wir auch in der Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen. Wir erleben die Situation, dass die Wirtschaftskrise in Deutschland besonders stark ausgeprägt ist, weil die Binnennachfrage fehlt. Die Leute arbeiten, die Leute produzieren, aber die Leute haben zu wenig Geld, um es auszugeben. Das Geld sammelt sich dagegen in den höchsten Einkommensschichten und wird in Spekulationen an den Börsen verspielt oder an der Steuer vorbei – das erleben wir auch ganz real – auf Schweizer Konten verbracht. Wir haben es gerade erlebt, dass sich wieder Hunderte selbst angezeigt haben, um möglichst der verdienten Strafe zu entgehen, weil die Gesetze in Deutschland so sind, dass sich Steuersünder und Leute, die Steuern hinterzogen haben, sogar noch weitgehend freikaufen können. Das ist die Realität hier in Deutschland. Ich sage nur: Das System der Selbstbedienung schlägt zu.

Wir erleben hier auch eine Folge von Hartz IV, nämlich einen Niedriglohnsektor. Der hohe Druck, der entstanden ist, insbesondere vor Hartz IV – alle Leute haben Angst, auf das Niveau von 359 € im Monat abzusinken –, ist etwas, was auch als Folge produziert worden ist. Wir haben die Situation, dass die Bruttolöhne in Deutschland in den letzten Jahren das erste Mal gesunken sind. Da sind Inflation und Preissteigerungen noch gar nicht eingerechnet. Das ist ein Armutszeugnis. Deswegen brauchen wir einen Mindestlohn. Wir brauchen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Das ist das, was notwendig ist.

Der Mindestlohn würde im Übrigen auch unsere Staatskassen entlasten, und zwar dreifach. Erstens fallen die Kosten für Aufstocker weg, zweitens zahlen die Menschen mehr in die Sozialkassen ein, und drittens werden mehr Steuern eingenommen. Das wären positive Effekte.

Verwunderlich ist allerdings, dass die Grünen hier einen solchen Antrag einbringen. Ich habe damals, als ich noch in der Grünen-Partei war, gegen diese Hartz-Gesetze gekämpft.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Die Grünen haben es auf Bundesebene durchgesetzt, die Grünen haben diese Politik mit zu verantworten. Jetzt haben sie nichts damit zu tun, aber sie wollen demnächst mit der CDU in NordrheinWestfalen koalieren. Das ist die Perspektive.

(Lachen von Horst Becker [GRÜNE])