Protocol of the Session on February 3, 2010

Es ist im Jahr 2003 versäumt worden – wie ich es hier erklärt habe –, die Frist ordnungsgemäß einzutragen. Deswegen ist im Jahr 2007 die zu jener Zeit anstehende Entscheidung nicht getroffen worden. Das ist ein Fehler, der in der Staatsanwaltschaft Essen gemacht worden ist. Dazu steht die Staatsanwaltschaft Essen, und die Staatsanwaltschaft Essen hat sich dafür entschuldigt. Es ist ein Fehler mit gravierenden Auswirkungen, die wir alle sehr bedauern.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Kollege Stüttgen hat eine Frage.

Frau Ministerin, ist es richtig, dass Sie auf einer Veranstaltung des Hauptpersonalrates des Justizministeriums zum einen die dort anwesenden HPR-Mitglieder aufgefordert haben, der Berichterstattung der Medien entgegenzuwirken, und gleichzeitig den Abgeordneten Sichau, der jetzt hier links neben mir sitzt und rechtspolitischer Sprecher meiner Fraktion ist, als Sicherheitsrisiko bezeichnet haben?

(Wolfram Kuschke [SPD]: Was?)

Das ist ganz sicher nicht richtig.

(Widerspruch von der SPD – Frank Sichau [SPD]: Gelogen! – Gegenruf von Minister Andreas Krautscheid: Herr Pastor! )

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Jäger hat eine Frage.

Frau Ministerin, meine Fraktion nimmt zur Kenntnis, dass Sie gerade gesagt haben, dass dies nicht zutreffen würde. Dann darf ich aus dem Protokoll der HPR-Sitzung vom 19. Januar zitieren:

Darüber hinaus kritisierte sie – gemeint sind Sie, Frau Ministerin – die insgesamt negative Berichterstattung über den Strafvollzug in den Medien. Sie appellierte deshalb an Verbände, Gewerkschaften und Personalvertretungen, diesbezüglich, auch im Interesse der NRW-Strafvollzugsbediensteten, korrigierend einzugreifen.

Ist dieser Protokollauszug richtig, Frau Ministerin?

Da steht nichts von Sicherheitsrisiko.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Stotko hat die zweite Frage.

Frau Ministerin, die Frage von Herrn Stüttgen betraf einen anderen Bereich. Aber der Kollege Jäger wird das bestimmt aufgreifen. Ich möchte gerne eine andere Frage stellen.

Es ist so, dass aufgrund des Fehlers in Ihrem Verantwortungsbereich, nämlich des Nichtnotierens einer Frist seitens der Staatsanwaltschaft, ein Sexualstraftäter entlassen wurde. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, ergreift die Landesregierung, um die Bevölkerung vor den Gefährdungen zu schützen, die von diesem entlassenen Sexualstraftäter ausgehen?

Ich habe dargelegt, dass die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen mit der Polizei Kontakt aufgenommen hat. Die Polizeidienststellen haben uns auf Nachfrage versichert, dass der Kontakt und die Überwachung sehr eng erfolgen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Kutschaty hat eine zweite Frage.

Da würde ich gerne nachfragen: Welche konkreten Maßnahmen sind da denn jetzt notwendig, und welcher Kostenaufwand entsteht dadurch?

Der Innenminister hat, soweit ich weiß, die Kosten noch nicht ausgerechnet.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Düker hat eine zweite und letzte Frage.

Frau Ministerin, es tut mir leid, aber ich habe immer noch nicht verstanden, was ein schlichtes Fristversäumnis in einer Behörde mit einer komplizierten Gesetzeslage zu tun hat.

Ich kann ja mal zur Aufklärung beitragen, indem ich das komplizierte Gesetz darstelle. Es gibt drei Formen der Sicherungsverwahrung – ich weiß nicht, was Sie daran so kompliziert finden –: Erstens. Sie wird vom Richter im Urteil angeordnet. Zweitens. Es gibt den Vorbehalt. Drittens. Es gibt die nachträgliche Sicherungsverwahrung.

Das sind drei Formen der Sicherungsverwahrung, die ich nicht so kompliziert finde. Warum ist das der Grund dafür, dass schlicht eine Frist von sechs Monaten versäumt wurde? Diesen Zusammenhang sehe ich nicht. Deswegen frage ich Sie noch mal konkret: Welchen gesetzlichen Änderungsbedarf sehen Sie denn?

Vielleicht hilft es, Frau Düker, wenn ich noch mal darauf hinweise, dass die Frist im Jahre 2003 nicht eingetragen worden ist und dass bis zum Jahre 2006 innerhalb der Rechtsprechung noch umstritten war, ob dieses Fristversäumnis daran hindert, eine Entscheidung über die vorbehaltene Sicherungsverwahrung zu treffen. Erst im Dezember 2006 ist in einer abschließenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs klargestellt worden: Das Fristversäumnis hindert anders als etwa bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung materiell-rechtlich daran, überhaupt noch eine Entscheidung zu treffen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Eine ganz klare Sache!)

Wenn etwas über drei Jahre zwischen vielen Gerichten umstritten ist, dann kann man, glaube ich, davon ausgehen, dass es eine komplizierte Regelung ist.

Im Übrigen geht es auch um das Zusammenspiel verschiedener Fristen. Es ist durchaus auch nicht immer so einfach, die Frist von sechs Monaten zu berechnen, weil man zuerst den ZweidrittelZeitpunkt und dann von da aus zurück die Sechsmonatsfrist berechnen muss.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das ist höhere Ma- thematik!)

Frau Düker, wir müssen uns überhaupt nicht darüber unterhalten, dass hier ein Fehler vorgekommen ist, den ich sehr bedaure, der Folgen hat, die schwer erträglich sind.

(Zuruf von Gerd Stüttgen [SPD])

Für die Zukunft wollen wir diesen Fehler durch eine verbesserte Fristenkontrolle, durch die Einrichtung eines Automatismus, sodass man diesen Menüpunkt in der EDV praktisch nicht überspringen kann, und das Vieraugenprinzip ausschließen. Durch eine nachträgliche Überprüfung der Akten derjenigen, die für eine Sicherungsverwahrung in Betracht kommen, wollen wir sicherstellen, dass uns in Zukunft nicht noch andere Fälle anbrennen.

Das ändert aber nichts daran, dass wir immer wieder auf eine Gesetzesreform gedrungen haben. Was oft als Justizpanne bezeichnet wird, ist in den überwiegenden Fällen – zum Beispiel im Fall Karl D. in Heinsberg – keine Panne der Justiz, sondern Panne aufgrund des Gesetzes: weil die nachträgliche Sicherungsverwahrung so formuliert ist, dass man nicht herankommt.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das ist doch eine ganz andere Kiste!)

Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung hat deshalb so wenig Bedeutung, weil es schwierig ist, das nachzuhalten.

Es ist an der Zeit und unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wichtig, hier ein stimmiges Präventionskonzept zu haben und es nicht als Strafe zu betrachten. Es geht um reine Prävention.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Jäger hat eine zweite Frage.

Frau Ministerin, neben dem Hinweis auf die protokollierte Tatsache, dass Sie Bedienstete aufgefordert haben, auf die Medienberichterstattung einzuwirken, frage ich Sie: Trifft es zu, dass Sie den Kollegen Frank Sichau in einer Sitzung am 19. Januar als Sicherheitsrisiko dargestellt und wortwörtlich gesagt haben, er, Frank Sichau, stelle einen Generalangriff auf die Sicherheit des Landes dar? – Zitatende.

(Lachen von Hans-Willi Körfges [SPD])

Und sind Sie in der Lage, sich für diesen offensichtlichen Versuch der Behinderung der Arbeit eines frei gewählten Abgeordneten zu entschuldigen?

(Beifall von der SPD – Widerspruch von der CDU)

Wenn Sie sich für alle offensichtlichen Versuche, meine Arbeit zu diskreditieren, entschuldigen würden, können wir über Entschuldigungen gerne reden. Dann sähe ich aber immer noch keinen Anlass.

(Beifall von CDU und FDP – Markus Töns [SPD]: Das ist kein Stil in diesem Haus!)

Darüber können wir dann mal reden.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das muss gerade von der SPD kommen!)

Die Vertreter der Mitarbeiter im Strafvollzug fühlen sich in ihrer Gesamtheit sehr oft durch Überschriften in Presseveröffentlichungen angegriffen, auch wenn einzelne Versagensfälle vorgekommen sind. Darüber waren wir uns in der Sitzung einig. Ich habe gesagt: Ich stelle mich hinter die Bediensteten. – Ich glaube, wir können hier zitieren, wann ich das getan habe. – Und ich habe gesagt: Die Bediensteten würden vielleicht auch von ihren Verbänden und ihren Vertretungen erwarten, dass sie sich hinter sie stellen.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Kollege Kuschke hat eine Frage.

Frau Ministerin, ich will versuchen, den Sachverhalt ganz schlicht zu formulieren, und will dann eine Frage daran anknüpfen. Wir haben hier Zuschauerinnen und Zuschauer, Bürgerinnen und Bürger unter uns, die es fast täglich mit Fristen zu tun haben. Wenn sie Fristen versäumen, dann können sie nicht damit argumentieren, dass das Gesetz, das Fristen vorsieht, schlecht ist. Sie weichen nach meiner Auffassung ein bisschen aus, indem Sie sagen, dass wir eine Situation herbeiführen sollten, in der das Versäumen einer Frist keine nachteiligen Folgen hat.

Das ist mir, das ist auch den Menschen viel zu kompliziert. Meine Frage ist: Welche schlichten und einfachen Möglichkeiten – Verbesserungen bei der Wiedervorlage oder Ähnliches – werden Sie in diesen Tagen auf den Weg bringen, damit solche Fristversäumnisse nicht wieder auftreten?

Herr Kuschke, auf die Gefahr hin, dass ich gleich wieder gerügt werde, muss ich Ihnen sagen, dass Sie gerade offenbar nicht zugehört haben, als ich genau dargelegt habe, wie wir bei der EDV sicherstellen, dass der entsprechende Knopf angeklickt werden muss. Wenn Sie schon mal mit einem Computer umgegangen sind, wissen Sie, dass es Felder gibt, in denen man Eintragungen machen kann. Es gibt auch die Möglichkeit, Felder so einzurichten, dass man eine Eintragung machen muss, weil es sonst eine Fehlermeldung gibt und man nicht weiterkommt. Das ist eine technische Möglichkeit.

Weil ich aber der Technik alleine nicht trauen will, habe ich darüber hinaus angeordnet, dass, wenn eine Entscheidung zur Sicherungsverwahrung ergangen ist, nach dem Vieraugenprinzip nicht nur eine Person dieses Feld ausfüllt, sondern eine zweite Person in einer Liste kontrolliert, ob die Frist eingehalten wird.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Und wenn die Technik versagt?)