Protocol of the Session on February 3, 2010

Dass Herr Kuschke der Regierung zugestehen konnte, dass sie sich intensiv bemüht, auf einem guten Weg ist, sich um die Dinge kümmert und die Ministerin klar und offen formuliert, ist sicherlich auch dankenswert und trägt zu einem gemeinsamen Handeln in diesem Hause in diesen Fragen bei. Dass wir Probleme haben, über die wir gemeinsam reden müssen, ist auch klar. Dass wir, wenn wir von Strukturwandel reden, natürlich auch darüber sprechen müssen, dass Strukturwandel dort, wo er nötig ist, auch stattfinden muss, nämlich da, wo wir auch haushalterische Probleme haben, und dass hier Fragestellungen wie „Wie kommen wir bei der nicht möglichen Kofinanzierung weiter, um auch

dort die Strukturen voranzubringen?“ zu klären sind, ist ebenfalls unstreitig. Hier werden wir nach Wegen suchen müssen. Einsparpotenziale für Kofinanzierungen einzusetzen – auch unter Mithilfe der Kommunen –, wäre natürlich auch ein Weg. – Das sind Wege, die wir gemeinsam beschreiten können; da kommen wir sicherlich gemeinsam weiter.

Es ist allerdings auch eines richtig, Herr Kuschke: Wenn Sie und die Kollegin Sikora auf die Vergangenheit eingehen, müssen Sie auch der Wahrheit die Ehre geben. Ich darf zum Beispiel, was die kommunalen Haushalte angeht, auf Herrn Junkernheinrich verweisen, der vor Kurzem auf einer Pressekonferenz im Ruhrgebiet klar festgestellt hat, dass die Landesregierungen der letzten 20 Jahre die kommunalen Haushalte komplett aus den Augen verloren haben. Und die letzten 20 Jahre sind sicherlich nicht von dieser jetzt amtierenden Landesregierung zu verantworten.

Auch hier also die Feststellung: Wir stehen alle in einer Verantwortung für dieses Land. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir die Förderungen nicht mehr speziell bei Ziel 2, auf eine Region dieses Landes, konzentrieren, sondern dafür sorgen, dass das ganze Land Ziel-2-Förderung erhalten kann, dass der Wettbewerb, den wir dort ins Leben gerufen haben, Nachhaltigkeit entwickelt und die gewonnenen Wettbewerbe letztendlich zur Stärkung der Region beitragen. Das ist die Zielsetzung. Dass es dort Schwächen gab, Herr Kollege Kuschke, wird niemand bestreiten. Dass man es verbessern kann, hat die Regierung schon gezeigt. Ich meine, auch das sollten wir ihr zugestehen.

Wir begeben uns auf einen Weg. Auf diesem Weg lernt man, um das Ziel zu erreichen, welche Wege noch besser und noch effektiver zu gehen sind. Auch da ist die Landesregierung jederzeit in der Lage, sich weiterzuentwickeln.

Ich glaube, wir sind hier im Hohen Haus insgesamt auf einem guten Weg, das Land in diesen Fragen voranzubringen. Dass wir auch nach 2013 Förderung in Nordrhein-Westfalen brauchen, ist unsere gemeinsame Einschätzung. Für diesen Ansatz zu kämpfen und uns gemeinsam einzusetzen, sollten wir hier im Hause in guter Praxis üben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die Landesregierung spricht nun noch einmal Frau Ministerin Thoben.

Herr Kuschke, ich bleibe Anhänger der Aufklärung. Was Sie hier zur Intransparenz der Wettbewerbe vorgetragen haben, ist eine Unverschämtheit. Wir haben bisher 36 Wettbewerbe durchgeführt. Bei einem einzigen Wettbewerb –

und es war einer der ersten – gab es eine Debatte darüber, ob die Tatsache, dass die Jurymitglieder im Wettbewerbsaufruf nicht veröffentlicht waren, nicht ein Hinweis darauf sei, dass da nicht alles mit rechten Dingen zugehe.

Alle Wettbewerbe, sämtliche Jurys werden bei der Auslobung veröffentlicht. Behaupten Sie hier nicht etwas anderes.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die SPD hat direkte Abstimmung über ihren Antrag Drucksache 14/10594 beantragt. Wer stimmt dem Inhalt dieses Antrages zu? – Die SPD. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die Grünen. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir kommen zu:

12 Oh, wie schön ist Kanada – Gute Integration braucht gute Schulen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9428

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule und Weiterbildung Drucksache 14/10602

Ich weise darauf hin, dass der Antrag gemäß § 79 Abs. 2 b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung mit der Maßgabe überwiesen wurde, eine Beratung und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen zu lassen. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Schule und Weiterbildung liegen vor.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die grüne Fraktion Frau Kollegin Beer das Wort. Bitte schön, Frau Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Häufig wird in diesem Haus vorgetragen, dass es sich lohnt, von Best-Practice-Modellen zu lernen und sie sich gründlich anzuschauen.

(Unruhe – Glocke)

Genau das wollen wir bei diesem Antrag gerne mit Ihnen machen. Deshalb legen wir ihn dem Parlament nahe.

Der Carl-Bertelsmann-Preis 2008 war außerordentlich spannend, denn er hat den Fokus auf eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen gelegt und zu Recht unter der Überschrift gestanden: Integration braucht faire Bildungschancen.

Der Handlungsbedarf ist sehr zutreffend und gut formuliert worden. Ich darf aus der Projektbeschreibung zitieren:

Dem Bildungssystem in Deutschland gelingt es nicht, die Startnachteile von Kindern aus Zuwandererfamilien wettzumachen. Das liegt an der kurzen gemeinsamen Lernzeit in den deutschen „Halbtagsschulen“ und der frühen Aufteilung der Kinder in „begabungsgerechte“ Schulformen, die die meisten Zuwandererkinder aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse der Hauptschule zuweist. Hier ist das Lernklima in der Regel weniger anregungsreich als in den anderen Schulformen.

Die Analyse des Toronto School Boards besagt, dass es ebendieser Schulbehörde gelingt, die Wertschätzung von Vielfalt in Kultur und Gesellschaft in besonderer Weise zu fördern, individuelle Förderung statt begabungsgerechte Aufteilung zu verwirklichen, die Belohnung der Integrationsleistung von Schulen gemäß der Maxime „Wer besser integriert, braucht und bekommt mehr Ressourcen“ konsequent systemisch zu verankern und umzusetzen.

Wichtig ist auch, dass die Führungskräfte in den Schulen entsprechend dem Leitbild von Teilhabe und Chancengleichheit aufgestellt werden. Deswegen ist es so wichtig für uns, dass wir genau auf diesen Bereich schauen und diese Best Practice zur Kenntnis nehmen.

Es ist ein herausragendes Merkmal im Toronto School Board, dass das gesamte Bildungssystem auf das Leitbild von Teilhabe und Chancengleichheit verpflichtet ist. Die interkulturelle Öffnung der Schulen wird befördert. Eltern, Nachbarschaften und ethnische Communities sind einbezogen, werden systematisch eingebunden. Und das bleibt nicht auf ausgezeichnete Schulen begrenzt, die das auch bei uns tun wie zum Beispiel die Grundschule Kleine Kielstraße. Wir müssen das in die Fläche und wir müssen das ins System bringen.

Auch sehr interessant ist das Netzwerk, mit dem das School Board arbeitet: kulturelle Dolmetscher und Integrationsberaterinnen auch mit einem ehrenamtlichen Netzwerk zu haben, um diese Aufgaben insgesamt zu befördern.

In der Anhörung ist immer wieder vorgetragen worden, das sei ja alles nicht vergleichbar. Das ist aber nicht richtig. Denn gerade das Toronto School Board hat mit Aufgabenstellungen aufgrund der sozioökonomischen Herausforderung und der soziokulturellen Herausforderung zu kämpfen, die durchaus jenen Aufgaben sehr ähnlich sind, die auch wir hier zu bewältigen haben.

Natürlich hat Kanada als Einwanderungsland einen ganz spezifischen Vorteil in der Sicht auf die Migrantinnen, die sie als Vielfalt und Stärke in der Gesellschaft schätzen. Aber das ist ein Lernprozess, der auch bei uns eingesetzt hat.

Der Schlüssel dazu, die Aufgaben zu meistern, liegt eben darin, das gesamte Bildungssystem auf die Vielfalt in der Gesellschaft einzustellen. So weit sind wir noch lange nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es lohnt sich nicht, es gehört sich auch nicht und es ist nicht zielführend, Kinder nach vorgeblicher Begabung zu sortieren. Denn das führt derzeit genau dazu, dass Migrantinnen mit einem viel zu hohen Anteil in den Haupt- und Förderschulen landen und dass die Potenziale der Migrantinnen nicht entwickelt werden.

Dazu gehört, dass das Lernen konsequent individualisiert wird. Dazu gehört, dass Sprachförderung bis in die Sekundarstufe I ausgebaut wird. Dazu gehört als Strukturprinzip des Unterrichts die Wertschätzung von Verschiedenheit. Es muss zum Leitbild in unserem System werden: Verschiedenheit ist unsere Stärke! Das muss die Ausrichtung auch der Fortbildung sein, die Lehrerinnen und Lehrern zur Unterstützung dienen sollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nur dann können wir Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien systematisch, effektiv und nachhaltig fördern und in diese Gesellschaft integrieren. Das muss unser aller Ziel sein. Deshalb können wir von Kanada und vom Toronto School Board lernen. Das sollten wir auch tun. Denn das ist etwas, was man in der Praxis nachvollziehen kann. Darüber darf es eigentlich keinen ideologischen Streit und auch kein Verbohrtsein von Ihrer Seite geben.

Von daher wünsche ich mir den Blick auf Best Practices. Aus PISA kann man lernen, von Toronto kann man lernen. Aber man muss nicht nach Australien, nach Kanada oder nach Skandinavien auswandern. Wir haben gute Schulbeispiele. Wir müssen sie nur in die Fläche bringen.

Ich bitte, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall von GRÜNEN und Britta Altenkamp [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die CDU-Fraktion hat Kollege Solf das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als ich Ihren Antrag, liebe „Grüninnen“, liebe Grüne, erstmals in der Hand hielt, ging mir das Herz auf. Da schien es doch unter Ihnen wenigstens eine oder wenigstens

einen zu geben, die oder der Janoschs wunderliebes Kinderbuch „Oh, wie schön ist Panama“ kennt. Es ist eine wunderbare Geschichte. In ihr kommt ein kleiner Bär vor, ein kleiner Tiger und – nomen est omen – eine schwarz-gelbe Tigerente. Ich will die Tiere nicht den in diesem Hohen Haus vertretenen Fraktionen zuordnen. Der Bär ist nämlich viel zu nett, um für die SPD zu stehen, und es stimmt nun auch wirklich nicht, dass die Grünen die schwarz-gelbe Mehrheit durch die Gegend ziehen.

Aber die Geschichte muss rekapituliert werden, denn da ist Musik drin: Der kleine Bär findet eine leere Bananenkiste aus Panama, und daraufhin machen sich die lieben Viecher auf den Weg; denn – Zitat – in Panama ist alles viel schöner, Panama riecht von oben bis unten nach Bananen, Panama ist das Land unserer Träume. – Unterwegs erleben sie das eine und andere Abenteuer, entdecken Dinge, und am Ende kommen sie an – bei sich zu Hause. Ja, sagte der kleine Tiger, das Land unserer Träume, da brauchen wir nie, nie wieder wegzugehen. – Um es mit einem ganz alten Sprichwort zu sagen: Warum denn in die Ferne schweifen, wo das Gute ist so nah?

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, was „lernt“ uns das? Auch das ist übrigens ein Zitat. Es „lernt“ uns zunächst, dass man Bücher lieber lesen sollte, ehe man sich ihrer als Zeugen bedient. Denn das, was dem Bären, dem Tiger und der Tigerente passiert ist, das, liebe „Grüninnen“, liebe Grüne, wollen Sie ja leider gerade nicht. Sie sagen doch: Nordrhein-Westfalen ist eben nicht Kanada, wir sollten in die Ferne schweifen; denn da sei alles besser. Verzeihen Sie mir, wenn ich da bei Janosch bleibe: Natürlich bildet Reisen, und natürlich soll man über den Tellerrand hinausschauen. Aber ganz am Ende spielt die Musik im eigenen Wohnzimmer. Hier gibt es nämlich all das, was man braucht, um die Probleme zu lösen.

Liebe „Grüninnen“, liebe Grüne, einmal abgesehen von dem Lapsus in der Überschrift und Ihrer Missachtung der Erlebnisse unserer drei kleinen Freunde, ist Ihr Antrag nicht wirklich redlich. Zunächst greifen Sie völlig zu Recht ein gesellschaftliches Problem von großer Brisanz, nämlich Integration, auf. Statt sich dann daran zu erinnern, dass wir hier im Landtag gerade in diesem Politikfeld mit ganz breiten Mehrheiten einvernehmlich unterwegs sind, noch vieles zu tun haben, aber auch schon sehr viel bewegt haben, instrumentalisieren Sie dieses Problem.

Mit Ihrem Antrag wollen Sie nicht wirklich etwas zum Thema Integration beitragen; Sie wollen vielmehr die Integrationsproblematik zu einer Waffe im längst mehr als 30-jährigen Krieg um die richtige Schulstruktur umschmieden. Meinetwegen können wir auch über die Schulstruktur in unserem Land reden. Aber wir sollten dann von dem ausgehen, was wir hier haben. Wir sollten das vorsichtig mo

difizieren und nicht hinter irgendwelchen Blaupausen her rennen, die auf anderen Kontinenten entstanden sind.

Was ich gar nicht haben möchte, ist der Missbrauch des Integrationsthemas zu anderen politischen Zwecken. Die Lernerfolge bei jungen Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte sind nicht wirklich abhängig von der Schulform. Voraussetzungen sind ein Mentalitätswechsel sowohl bei den Schülerinnen und Schülern als auch bei den Lehrerinnen und Lehrern und bei den Eltern, eine neue Kultur der individuellen Förderung, eine effizientere Ressourcensteuerung – da, wo die größten Probleme sind, müssen die größten Anstrengungen unternommen werden – und schließlich die Nutzung von regionalen Bildungsnetzwerken.

All dies kann in jeder Schulform geschehen. Dafür braucht es keine Reise durch die Welt. Das geht auch in Panama, nur erkennen müssen wir es. – Ich danke Ihnen.