Protocol of the Session on January 21, 2010

Wir müssen die Alleinerziehenden langfristig stärken mit mehr Plätzen für unter Dreijährige, mit mehr Ganztagsplätzen in den Schulen. Wir werden sie gezielt in der Teilzeitausbildung und beim Wiedereinstieg ins Berufsleben unterstützen, gemeinsam mit den Unternehmen, den Berufsschulen und den Weiterbildungsträgern. Wir setzen uns auch für eine Verlängerung des Unterhaltsvorschusses bis zum 18. Lebensjahr analog zur Kindergeldregelung ein.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wer sich für Kinder entscheidet, darf dadurch nicht zur Armut verurteilt werden. Wir brauchen mehr Unterstützung für diese Alleinerziehenden durch die ganze Gesellschaft. Hier sind vor allem die Erfahrung und die Einsatzbereitschaft der Älteren gefragt.

Schon heute gibt es ein sehr erfolgreiches Programm, das das Wissen der Älteren in den Schulen zum Nutzen aller einsetzt. Warum sollten wir das nicht auch in den Kindertagesstätten machen? Warum sollte es nicht ein besonderes Programm für Patenschaften geben, mit dem gerade Alleinerziehenden geholfen werden kann? Wir werden mit entsprechenden Programmen für solche Seniorenpatenschaften werben.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir dürfen uns auch nicht damit abfinden, dass ältere Menschen auf Dauer ohne eine Chance auf Arbeit bleiben. Mit unserem Kombilohnmodell haben wir mehr als 12.000 Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive gegeben. Diese Strategie war so erfolgreich, dass der Bund sie inzwischen übernommen hat. Wir werden diese Strategie auch in den nächsten Jahren weiter verfolgen. Unser Ziel ist es, Menschen nicht nur in Arbeit zu bringen, sondern auch in Arbeit zu halten, insbesondere die Älteren.

Unser Programm der Bildungsschecks für lebenslanges Lernen ist ein ganz großer Erfolg. Über 250.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich schon daran erfolgreich beteiligt, und wir wollen, dass es noch mehr werden. Auch hier sind die Sozialpartner gefragt.

Ich appelliere an die Gewerkschaften und die Arbeitgeber, die Vorschläge der Zukunftskommission aufzugreifen und zum Beispiel die Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten zu fördern, damit lebenslanges Lernen möglich wird.

Wir arbeiten außerdem mit Nachdruck daran, die Hochschulen stärker als bisher für beruflich Qualifizierte zu öffnen. Wir haben eine Neuregelung des Hochschulzugangs für Handwerksmeister und für beruflich Qualifizierte auf den Weg gebracht. Ab dem kommenden Wintersemester werden Handwerksmeister die Möglichkeit haben, an Universitäten und Fachhochschulen zu studieren. Und auch diejenigen, die eine Berufsausbildung und Berufserfahrung haben, werden unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit des Hochschulzugangs bekommen. Damit schaffen wir neue Chancen für sozialen Aufstieg.

Neue Chancen für Menschen bekommen wir auch dadurch, dass wir die Übergänge zwischen beruflichen und anderen Lebensphasen erleichtern – sei es Erziehungszeit, sei es Rente. Wir müssen dafür sorgen, dass die Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibler werden. Es muss eine bessere Möglichkeit für eine Teilrente geben, und

die Möglichkeit, leichter als bisher im Alter etwas zur Rente hinzuverdienen zu können, ist auch wichtig.

(Beifall von Ilka von Boeselager [CDU])

Wichtig ist ebenfalls, jetzt die Hinzuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger zu verbessern. Damit wird für sie der Anreiz erhöht, sich eine Beschäftigung zu suchen, die zur Finanzierung des Lebensunterhalts reicht. Kleine Hinzuverdienste müssen unattraktiver, größere dagegen attraktiver gemacht werden.

(Beifall von Ilka von Boeselager [CDU])

Das schlägt übrigens auch der Sachverständigenrat vor. Auch das ist ein Beitrag zu einer Gesellschaft, die dem Leitbild der Beschäftigungssicherheit folgt.

Meine Damen und Herren, die eigenen Stärken stärken und damit Innovationen ermöglichen – das ist die wirtschaftspolitische Kernbotschaft der Zukunftskommission. Wir sind Industrieland, und wir wollen es bleiben.

(Beifall von CDU und FDP)

Hier liegen unsere Kernkompetenzen, hier können und müssen wir innovativ sein, weil wir damit Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Innovationen entstehen in starken Hochschulen. Deshalb haben wir unsere Hochschulen von bürokratischen Fesseln befreit und ihnen finanzielle Planungssicherheit gegeben. Wir werden außerdem bis 2020 rund 8 Milliarden € zusätzlich in die Modernisierung unserer Hochschulen investieren.

Innovationen entstehen meistens durch Vernetzung. Entscheidend ist eine enge Kooperation von Unternehmen mit Wissenschaft und mit Verbänden. Deswegen haben wir unsere Cluster-Strategie entwickelt, die weiter ausgebaut werden soll, zum Beispiel in der Logistik, in der Energiewirtschaft, in der Chemie, im Bereich der Materialwirtschaft, aber auch bei der Telekommunikation und Kreativwirtschaft.

Innovationen werden durch Investitionen in Zukunftsbranchen möglich. Wir haben deshalb seit 2005 gemeinsam mit der Wirtschaft 24 Spitzenforschungsinstitute, Hightechlabore und Denkfabriken neu eingerichtet oder erweitert. Alleine in die Zukunftsfelder Biotechnologie, Nano- und Mikrotechnik, innovative Werkstoffe und Energie- und Umweltforschung fließen bis 2013 für Spitzenforschungsprojekte Landesmittel von jeweils 100 Millionen €. Hinzu kommen weitere Mittel über die Ziel2-Förderung. Seit 2007 wurden ca. 200 Projekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 2,6 Milliarden € gefördert.

Meine Damen und Herren, Innovationen brauchen Spitzenkräfte. Wir haben in Nordrhein-Westfalen die meisten Studierenden. Noch nie hatten wir so viele Hochschulabsolventen wie jetzt. Die Akademiker

quote ist seit 2007 um ein Viertel auf 27 % gestiegen. Damit liegen wir über dem Bundesdurchschnitt. Aber die Zukunftskommission hat uns gemahnt, die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte zu stoppen. Wir dürfen nicht Bildungsexportland werden. Das ist in der Wissensgesellschaft eine Schicksalsfrage.

(Beifall von der CDU)

Entscheidend ist die bessere Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft, von Befähigung, Bildung und Ausbildung. Das neue Hochschulnetzwerk InnovationsAllianz von 24 nordrhein-westfälischen Hochschulen setzt als zentraler Ansprechpartner für die Wirtschaft bereits wichtige Akzente. Wir werden helfen, Hochschulen und Wirtschaft noch enger zu vernetzen, indem wir die Informationskanäle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft unterstützen und stärken: durch ein Patentportal im Internet und durch Patentscouts, die helfen, dass neue Ideen der Wissenschaft auch in neue Produkte umgesetzt werden.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Applaudiert doch mal!)

Dafür stellt das Land insgesamt 1,5 Millionen € bereit. Außerdem bauen wir mit Wettbewerben Forschungskooperationen von Fachhochschulen und Wirtschaftsunternehmen mit 28 Millionen € bis 2013 aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße es sehr, dass Bund und Länder ihre Anstrengungen für mehr Bildung und Forschung noch einmal verstärken. Mit dem neuen Koalitionsvertrag kann NordrheinWestfalen mit rund 1,1 Milliarden € an zusätzlichen Bundesmitteln rechnen. Es ist auch ein großer Erfolg, dass unser nordrhein-westfälisches Stipendienmodell jetzt auf ganz Deutschland übertragen wird.

(Beifall von CDU und FDP)

Aber wahr ist auch: Der Staat kann nicht alles machen. Innovationen brauchen auch eine starke Forschung bei den Unternehmen. Das ist bei uns in Nordrhein-Westfalen noch zu wenig der Fall. Die Landesregierung tut, was sie kann, um die Forschung in den Unternehmen zu stärken. Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung jetzt steuerliche Entlastungen zur Forschungsförderung umsetzen will.

Aber wir unterstützen die Unternehmen auch direkt, und zwar gerade und besonders den Mittelstand. Wir werden das Förderpaket für den forschenden Mittelstand mit Innovationsdarlehen, Innovationsgutscheinen und Innovationsassistenten ausbauen. Das Paket hat allein bis 2012 ein Gesamtvolumen rund 32 Millionen €.

Die Landesregierung tut alles finanziell Leistbare, um den Standort Nordrhein-Westfalen zukunftssicher zu machen. Wir haben seit 2005 die Förderung

von Innovationen um ein Viertel auf fast 600 Millionen € gesteigert. Wir haben heute im Bereich Forschung und Entwicklung fast 11 % mehr Arbeitsplätze als 2005. Das ist weit mehr als der Bundesdurchschnitt und der höchste Zuwachs in der Geschichte unseres Landes. Ich finde, auch darauf können wir stolz sein.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass ich Ende vergangenen Jahres Abu Dhabi besucht habe. Ich war damals fasziniert von der visionären Öko-Stadt Masdar City, konzipiert von Sir Norman Foster. Die Stadt soll ohne Autos auskommen, keine Treibhausgase emittieren, keine Müllhalden benötigen; sie soll ihren eigenen Strom produzieren und ohne fossile Brennstoffe auskommen. Das ist eine kühne Vision. Ob sie machbar ist, wird sich zeigen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ein Schritt vor, fünf zurück!)

Bei uns – das kann man allerdings sagen – so schnell sicherlich nicht. Und dennoch weist diese Idee, diese Vision den Weg in ein neues Zeitalter, das Ökonomie und Ökologie nicht mehr als Gegensätze begreift, sondern als Einheit. Hier liegen die großen Innovationen des 21. Jahrhunderts und hier liegt der nächste große Innovationszyklus.

Nordrhein-Westfalen – ich habe es eben gesagt – ist und bleibt Industrieland. Hier liegen unsere Stärken. Ich frage aber: Ist eine ökologische Industrieregion möglich? – Meine Antwort lautet: Ja.

(Beifall von der CDU)

Aber nicht als Ökotopia. Eine ökologische Industrieregion muss beides verbinden: Industrie und nachhaltiges Wirtschaften,

(Beifall von der CDU)

industrielles und grünes Wachstum. Eine Politik für eine ökologische Industrieregion heißt: Kraftwerke nicht stilllegen, sondern modernisieren.

(Beifall von CDU und FDP – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das reicht mir aber nicht!)

Deshalb ist es richtig, dass wir den Kraftwerkspark erneuern mit Kraftwerken, die bei gleicher Stromerzeugung um rund 20 % effizienter sind als die alten. Wir wollen, dass alte Kohlekraftwerke so schnell wie möglich abgeschaltet werden. Neue werden nur genehmigt, wenn sie den CO2-Ausstoß deutlich reduzieren und die Energieeffizienz verbessern – so wie in Datteln.

(Beifall von CDU und FDP)

Und deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen, muss das neue Kraftwerk da auch gebaut werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Eine Politik für eine ökologische Industrieregion heißt, sich auch zum Chemiestandort NordrheinWestfalen zu bekennen: zu einem Chemiestandort mit innovativen Techniken – deshalb brauchen wir auch die CO-Pipeline –, aber auch als Standort zur Weiterentwicklung von sogenannten Überlebenstechnologien wie der Wasserwirtschaft oder der Entsorgungswirtschaft. Hier liegen große Potenziale auch für den Weltmarkt. Das Wirtschaftsministerium arbeitet an einer gemeinsamen Strategie zur Bündelung unserer Stärken auf diesem Feld. Eine Politik für eine ökologische Industrieregion heißt auch, die erneuerbaren Energien auszubauen. Auch daran arbeiten wir.

(Beifall von CDU und FDP)

Mit einer umfassenden Klimastrategie wollen wir bis 2020 den Umsatz der regenerativen Energiewirtschaft auf 15 Milliarden € steigern und die Anzahl der Beschäftigten in der Branche auf 40.000 erhöhen. Wir treiben die Energieforschung zum Beispiel mit dem neuen Energieforschungszentrum an der RWTH Aachen und dem weltweit einzigartigen solarthermischen Versuchskraftwerk in Jülich voran.

(Beifall von der CDU)

Bis 2020 wollen wir mit dem „Biomasseaktionsplan NRW“ auch die Strom- und Wärmeproduktion aus Biomasse von knapp neun Milliarden auf fast 18 Milliarden Kilowattstunden verdoppeln.