Protocol of the Session on January 21, 2010

Sie äußern sich sehr abfällig darüber. Sie stehen hier zusammen mit Frau Beer und sagen: Dieses Kind scheitert im Leben. Und wenn das gleiche Kind mit den gleichen Kenntnissen eine Schule besucht, an der ein Schild „Gesamtschule“ hängt und dort dasselbe lernt, denselben Hauptschulabschluss macht, dann ist das auf einmal ein gutes Kind, weil es ja die Gesamtschule besucht hat.

(Beifall von der CDU)

Es erwirbt aber dort denselben Hauptschulabschluss, Frau Löhrmann. Es hat mit der Durchlässigkeit des nordrhein-westfälischen Bildungswesens zu tun, dass es die Chance bietet, an der Hauptschule auch die Fachoberschulreife erreichen zu können,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Warum schicken Sie dann Ihre Kinder nicht dahin?)

und dass in der Gesamtschule alle unterschiedlichen Abschlüsse vorgehalten werden. Wir müssen an dieser Stelle auf Kompetenzen schauen und nicht auf Türschilder, die an einzelnen Schulgebäuden hängen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Lächerlich!)

Das hat ansonsten keine sachliche Fundierung.

Zu der Arbeit der Zukunftskommission: Es gibt vieles, was uns ausdrücklich freut. Viele Stichworte wurden genannt: das liberale Bürgergeldmodell als Anspruch der Kommission, zu einer Harmonisierung zu kommen, zu einem einheitlichen Steuertransfersystem, die Frage, wie wir mit unseren Kindertages

stätten umgehen, allgemeine Beitragsfreiheit für Einrichtungen, eine Stärkung der frühkindlichen Bildung, das Ganze verbunden mit einer Qualifizierungsoffensive, auch höherwertige Abschlüsse für das Kita-Personal, für die Erzieher dort.

Wir haben den Anspruch, mehr Aufstieg zu organisieren, insbesondere auch für diejenigen, die sich nach ihrer Schulzeit entschlossen haben, zunächst einmal in berufliche Ausbildung zu gehen, für Handwerksmeister – all das, was wir in dieser Legislaturperiode entsprechend umsetzen. Es ist unser Anspruch, diese ganz persönlichen, aber auch für unser Land insgesamt wichtigen Aufstiegsprozesse zu organisieren. Jedem, der in NordrheinWestfalen Hand anlegt und nicht nur Hand aufhält, soll es künftig besser gehen. Und für diese Politik treten wir ein.

All die Instrumente, die von der Zukunftskommission vorgeschlagen werden, sind uns dafür sehr willkommen, gerade im Bereich der Innovation, bei Forschung und Entwicklung, beim Innovationsfonds. Auch über das Stipendiensystem wurde gesprochen.

Was mir sehr wichtig ist, weil es das Bild in der Kontrastierung von rot-grüner Politik auf der einen Seite und schwarz-gelber auf der anderen Seite zeichnet, ist das Rückkehrprogramm. Zu Zeiten von RotGrün haben exzellente Leute, Vordenker, gute Wissenschaftler, intelligente, produktive und innovative Köpfe unser Land verlassen. Sie sind ins Ausland geflohen, weil Sie sich hier in den realen Arbeitsbedingungen nicht unterstützt gefühlt haben.

(Thomas Trampe-Brinkmann [SPD]: Sie sind hier geblieben!)

Wir holen diese Leistungsträger jetzt für unser Land zurück, um zukünftig Innovation, Fortschritt, Wachstum und Stabilität für Nordrhein-Westfalen zu organisieren.

(Beifall von der FDP)

Das sind die Bilder, die wir in diesem Land vorfinden und auf die man nicht oft genug verweisen kann.

All das, was Sie als Opposition zur Studienfinanzierung vorgetragen haben, finden Sie durch den Bericht der Zukunftskommission ausdrücklich nicht bestätigt. Darin werden gerade Studienbeiträge als gerecht und wirtschaftlich sinnvoll bewertet, um zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Frau Löhrmann, über Hamburg würde ich im Bereich der Bildungspolitik lieber nicht reden. Da gibt es Volksaufstände. Gegen die grüne Bildungspolitik einer grünen Bildungssenatorin unterschreiben Hunderttausende von Hamburgern. Sie sagen, den Systembruch, der hier geschieht, lassen wir uns

nicht länger bieten. Auf die Auseinandersetzung gerade mit grüner Bildungspolitik in Hamburg freue mich ausdrücklich.

Ich würde mit Ihnen aber lieber nicht über rückwärtsgewandte Themen, sondern über Modernisierungsthemen sprechen,

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

zum Beispiel auch über die Perspektiven der Stammzellforschung, Frau Löhrmann, die die Zukunftskommission ausdrücklich anspricht und die für eine zukunftsgerichtete Debatte auch gesehen werden muss.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Über Energiepolitik und die Notwendigkeit von Kernenergie am Energiemix ist bereits gesprochen worden.

Sie bemühen so gerne die Bertelsmann-Studie. Dazu ist zwar schon einiges gesagt worden, aber noch längst nicht zu all den Dingen, die hier falsch dargestellt worden sind. Es ist noch eine Korrektur an der einen oder anderen Stelle notwendig. Uns liegt sehr daran, die Bertelsmann-Studie sachgerecht und differenziert auszuwerten, Frau Löhrmann. Es gibt Hinweise darauf, wo wir zukünftig noch besser werden können. Aber es gibt auch viele Falschdarstellungen durch die Opposition.

Deshalb macht es Sinn, einmal zu schauen, was in der Bertelsmann-Studie steht. Ich zitiere aus dem NRW-Teil. Auf Seite 201 ff. wird berichtet:

Das bundesweit höchste Aktivitätsniveau Wirtschaftswachstum lässt hoffen, dass NRW die aktuelle Wachstumsschwäche überwinden und seine gute Platzierung im Aktivitätsbereich Einkommen verteidigen kann.

Es heißt weiter:

Die Finanzkraft der nordrhein-westfälischen Kommunen ist deutlich größer als in weniger dezentral organisierten Bundesländern. Mit 63,2 % ist der Anteil der kommunalen Einnahmen am Gesamtbudget des Landes mit Abstand der höchste im Bundesgebiet. Dort gibt es einen Länderdurchschnitt von 40,8 %. Um den untergeordneten Gebietskörperschaften auch in Zeiten einer weltweiten Wirtschaftskrise den Rücken zu stärken, gewährt ihnen die Landesregierung eine bessere finanzielle Ausstattung. Rund 84 % der 2,84 Milliarden € aus dem Konjunkturpaket II sollen an die Städte und Gemeinden gehen. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, da die Kommunen die Gegebenheiten vor Ort am besten kennen und einschätzen können, wie sie ihre Mittel am effizientesten einsetzen.

Dann geht es weiter:

Die Bemühungen der Landesregierung, die Rahmenbedingungen für Innovationen zu verbessern, sind bereits sichtbar. Im Zielgrößenbereich Beschäf

tigung liegt NRW mit 5,86 Punkten in der Gruppe der erfolgreichsten Länder. Viele ausländische wie heimische Firmen loben den Standort NRW wegen der guten Vernetzung sowie der Qualität von Wissenschaft und Forschung. Den Universitäten als Keimzellen für Forschung und Innovation kommt im Prozess des strukturellen Wandels NRWs zum technologieorientierten Standort eine wichtige Bedeutung zu. Um die Rahmenbedingungen dafür besser zu gestalten, will das Land zukünftig seine Forschungsinfrastruktur weiter ausbauen.

Dann wird referiert, was passiert: Konjunkturpaket II, 33 NRW-Hochschulen mit angegliederten universitären Forschungseinrichtungen sind betroffen, 8 Milliarden € für Hochschulmodernisierungsprogramme, Hochschulfreiheitsgesetz usw.

Im Bereich der inneren Sicherheit rangieren wir im vorderen Mittelfeld. Darüber lesen Sie:

Obwohl NRW mit dem Ruhrgebiet und der Rheinschiene die höchste Großstadtdichte sowie den höchsten Bevölkerungsanteil in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern aufweist, liegen hier 12 der 20 sichersten Städte bundesweit. In Wuppertal und Bielefeld wurde 2007 die niedrigste Kriminalitätsrate unter Deutschlands größten Städten registriert. Die nordrhein-westfälische Polizei setzt dabei auf „Fahnden statt verwalten“ und auf in Brennpunkten angesiedelte kriminalpräventive Gremien und Netzwerke.

Und so weiter, und so fort. Sie können das alles sehr viel detaillierter nachlesen. Bemerkenswert ist aber vor allem die Abrechnung mit der SPD-Politik, die Sie darin finden. Gegen Ende des NRWKapitels steht:

Der einstige Montanriese hat sich noch nicht vollständig von der Subventionslast des Bergbaus befreit. Doch es herrscht Aufbruchstimmung. Positive Entwicklungen wie der expandierende Dienstleistungsbereich in Düsseldorf oder die florierende Logistikbranche um den Düsseldorfer Binnenhafen sind nicht zu übersehen. Viel zu lange hat das Land in die Vergangenheit „investiert“. So wurde Nordrhein-Westfalen durch Subventionen ausgebremst, die in den Steinkohlebergbau flossen und den Strukturwandel behinderten. NRW als einstiges Zentrum der Schwerindustrie scheint aber die größte Hürde zur Hightech-Region genommen zu haben. Beispiel dafür sind erfolgreiche Logistikprojekte wie logport I und logport II.

Gerade die Kontrastierung zwischen vergangenheitsorientierter SPD-Politik mit der Verantwortungszuweisung, wer eigentlich in der letzten Legislaturperiode als Person im Wissenschaftsbereich für all die hier aufgelisteten Versäumnisse die Verantwortung übernommen hat – niemand anderes als Hannelore Kraft –, ist schon sehr instruktiv. Wenn Sie sich auf der Basis viel für die Zukunft erhoffen,

dann können wir ganz beruhigt die Dinge weiter betrachten.

Herr Witzel, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie Ihre Redezeit schon um fünf Minuten überzogen haben.

Wir hatten doch ein Überziehungskontingent aufgrund der Redezeit der Landesregierung.

Da ergibt sich ein Plus, ja.

Ich habe aber auch nur noch eine überschaubare Anzahl von anzusprechenden Punkten.

Es gibt in dieser Bertelsmann-Studie in der Tat auch kritische Aussagen. Es gehört zu jeder sachgerechten Debatte, dass man auf diese Punkte eingeht, aber auch aufklärt. In diesem Bericht steht auf Seite 214 ff.:

Ebenfalls dringender Handlungsbedarf steht beim Wirkungsfaktor erteilte Unterrichtsstunden je Schüler, wo das Land seit Jahren den letzten Platz belegt. Diesen letzten Platz hat Schwarz-Gelb im Jahr 2005 nach dem Politikwechsel von der rot-grünen Vorgängerregierung aufgrund ihrer jahrelangen Tradition geerbt. Das ist richtig.

Wir haben ein System mit etwa 150.000 Vollzeitlehrerstellen zur Unterrichtung unserer Kinder im Bildungsbereich. Selbst enorme Neueinstellungszahlen im vierstelligen Bereich können nicht all das aufholen, was von Rot-Grün durch eine Politik unterlassener Einstellungen über all die Jahre an Sünden für die Zukunft angerichtet worden ist. Die rot-grünen Relationswerte waren in all den Jahren querbeet über alle Schulformen, Schulstufen und Altersjahrgänge in jeder bundesweiten Statistik immer die schlechtesten.

Wir haben hier den Aufholprozess angetreten. Aber auch wenn wir auf einem guten Weg sind: Wir sind noch nicht am Ziel. Das macht es erforderlich, dass wir unsere Politik der Verbesserungen im Bildungsbereich fortsetzen. Sonst könnten es auch andere machen. Es ist wichtig, dass wir unsere Politik weiter umsetzen können.

Natürlich muss man die statistischen Daten des Jahres 2007 auch in den richtigen Kontext einordnen. Das haben wir gemacht und gefragt: Wie kommen einige der Relationswerte im Zusammenhang mit der Frage, wie viel Unterricht erteilt wird, zustande? Guckt man mal hinter die Kulissen, stellt man bemerkenswerterweise fest: Es ist richtig, dass nordrhein-westfälische Schüler im Jahr 2007 auch deshalb weniger Unterricht erteilt be

kommen haben als Schüler anderer Bundesländer, weil Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode den Trend hin zu Schulzeitverkürzungsmodellen verschlafen und das Abitur nach zwölf Jahren nicht schon frühzeitiger beschlossen hat und weil andere Bundesländer der Vergleichsgruppe in den Jahren zuvor längst begonnen hatten, die Stunden aus höheren Jahrgängen nach vorne zu verlagern, um insgesamt den kürzeren Bildungsgang zu organisieren, und somit einen Stundenaufwachs haben. Wir mit dem alten „G9“-Modell und der pro Jahrgang niedrigeren Stundenzahl werden also verglichen mit denen, die schon eine entsprechende Unterrichtsverdichtung haben, weil aus höheren Jahrgängen Unterrichtskontingente bereits vorgezogen worden sind.

Und noch etwas, was man der Opposition nicht oft genug sagen kann: Sie haben zu Zeiten rot-grüner Mangelbewirtschaftung im Bildungsbereich einen für uns fatalen Scheck zulasten der Zukunft gezogen, nämlich durch all das, was Sie an Vorgriffstellen organisiert haben. Sie haben mehrere tausend Stellen geschaffen, die wir mit dem heutigen Haushalt finanzieren müssen, die aber nicht unmittelbar unterrichtswirksam werden. Das sind nachträgliche Rückvergütungen für das, was Sie zu den Zeiten, als die Unterrichtskontingente angefallen sind, als die Unterrichtsstunden in den Schulen gebraucht worden sind, an Lehrereinsatz organisiert, aber nicht bezahlt haben, weil Sie den Wechsel auf die Zukunft gezogen haben.