Protocol of the Session on January 20, 2010

Danke schön, Herr Killewald. – Für die FDP spricht Herr Dr. Romberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwa 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung leben derzeit in Nordrhein-Westfalen. Davon sind 1,1 Millionen Menschen älter als 60 Jahre. Alleine aus der Tatsache, dass auch in diesem Bereich der Anteil älterer Menschen weiter zunehmen wird, ergeben sich für Politik und Gesellschaft insgesamt neue Herausforderungen.

Die UN-Konvention, die in Deutschland im März 2009 in Kraft getreten ist, beinhaltet die Verpflichtung, jede Form von Diskriminierung der Betroffenen auszuschließen und ihnen die gleichen Teilhaberechte zu garantieren wie Nichtbehinderten.

Im Augenblick wird auf Bundesebene geprüft, inwieweit die Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen bereits dem Standard der Konvention gerecht werden und ob bzw. wo eventuell nachgebessert werden muss. Selbstverständlich fangen wir in der Politik für diesen Personenkreis ja nicht bei Null an. Dieser Prozess wurde in NordrheinWestfalen bereits eingeleitet. Die Landesbeauftragte für Menschen für Behinderungen, Angelika Gemkow, hat im Rahmen der Delegiertenversammlung des Landesbehindertenrates betont, dass die Konvention als Richtschnur gelten sollte, an der wir entsprechende Positionen und Gesetzesvorhaben ausrichten sollten.

Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass NordrheinWestfalen mit dem Behindertengleichstellungsgesetz bereits gut aufgestellt ist.

Dass die Politik für diesen Personenkreis bei der nordrhein-westfälischen Landesregierung einen hohen Stellenwert besitzt, hat auch durch das ressortübergreifende Programm „Teilhabe für alle“ gezeigt, in dem inzwischen 59 Projekte gebündelt worden sind. Es geht dabei um die Bereiche Arbeit, Bildung, Familie, Wohnen, aber selbstverständlich auch um den Abbau von Barrieren. Ich möchte an das konkrete Beispiel erinnern, dass die Landesregierung bereits 2008 ein Förderprogramm für Integrationsunternehmen ins Leben gerufen hat, mit dessen Hilfe 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen sollen.

Barrierefreies Bauen ist erklärte Zielsetzung der nordrhein-westfälischen Wohnraumförderung, und zwar sowohl im Neubau als auch im Wohnungsbestand. Auch im Kinderbildungsgesetz sind wir auf einem guten Weg. Dass in den letzten Jahren die

Zahl der stationären Wohnplätze zugunsten von selbständigen Wohnmöglichkeiten im ambulanten Bereich reduziert wurde, ist ebenfalls ein ermutigendes Zeichen.

(Beifall von der FDP)

Der FDP-Fraktion liegen besonders die Bürger- und Menschenrechte am Herzen. Deshalb möchten wir erreichen, dass die individuellen Voraussetzungen und Unterstützungsbedarfe tatsächlich berücksichtigt werden. Dafür ist besonderes Fingerspitzengefühl erforderlich, um nicht zu einem fürsorgeorientierten Paradigma zurückzukehren und diese Menschen zu entmündigen. Vor diesem Hintergrund wäre es gut, wenn die Chancen des persönlichen Budgets für mehr Selbstbestimmung bei der Wahl der Hilfen intensiver als bisher genutzt werden.

(Beifall von der FDP)

Darüber hinaus stellt die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe gerade auch auf die leistungsrechtlichen Fragen bezogen ein wichtiges Ziel dar.

Die Kollegen haben schon angesprochen, wie die Beratungen fortgesetzt werden: Wir werden dazu eine Anhörung machen und heute der Überweisung des äußerst umfangreichen Antrags, zu dem wir jetzt im Plenum nicht detailliert Stellung nehmen können, zustimmen. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Romberg. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Laumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkretisiert die bislang von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannten Menschenrechte in einem eigenen Werk für alle Menschen mit Behinderungen. Es ist für Deutschland am 26. März 2009 verbindlich in Kraft getreten.

Das Übereinkommen berührt alle Lebensbereiche von Menschen mit Behinderungen. Wegen Umfang und Tiefe der einzelnen Normaussagen wird es zu Recht als Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gewürdigt. Es ist der Maßstab, an dem sich jeder Beitrittsstaat messen lassen muss. Was dieses Übereinkommen im Einzelnen fordert, ist zu analysieren.

Die Grünen haben sich inhaltlich intensiv mit der UN-Behindertenrechtskonvention auseinandergesetzt. Dabei habe ich erfreut zur Kenntnis genom

men, dass auch die Opposition die rechtlichen Ausgangssituationen für die Menschen mit Behinderungen in unserem Land dahin gehend bewertet, dass wir in Deutschland im internationalen Vergleich gut abschneiden.

Allerdings fiel mir schon beim ersten Lesen auf, dass die Grünen eine wesentliche Vorschrift wohl nicht so ernst nehmen. Die UN-Konvention enthält nämlich folgende Vorgabe für das weitere Vorgehen – ich möchte sie wörtlich zitieren –:

Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen … über die sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das steht doch drin!)

An diese Vorgaben hält sich mein Ministerium konsequent. Die Landesregierung hat zur regierungsinternen Bearbeitung der UN-Behindertenkonvention bereits am 13. Mai 2008 eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung meines Ministeriums eingerichtet. Wie es sich für die Querschnittsaufgabe Behindertenpolitik gehört, arbeiten die Staatskanzlei und alle Ressorts hier mit.

Mein Ministerium hat bereits am 17. Februar 2009 alle behindertenpolitisch wichtigen Akteure und Institutionen in Nordrhein-Westfalen gebeten, ihre Bewertungen der neuen Konvention bis zum 30. August 2009 mitzuteilen. Die Beiträge wurden bearbeitet und gesichtet.

Termingerecht sind Ende November die Gespräche mit allen gesellschaftlichen Kräften in NordrheinWestfalen aufgenommen worden, um der umfangreichen Stoffsammlung Kontur zu geben.

Über das Themenfeld Bildung haben die Ausschüsse des Landtags bereits auf der Grundlage verschiedener Anträge debattiert. Dazu hat es auch im Mai 2009 eine öffentliche Anhörung des Schulausschusses gegeben.

Frau Ministerin Sommer hat auf einer Veranstaltung im Rahmen der Zukunftskommission, zu der auch Vertreter der Zivilgesellschaft eingeladen waren, Ende Oktober erklärt, dass es ihr Ziel sei, ein grundsätzliches Elternwahlrecht in Bezug auf den schulischen Förderort eines behinderten Kindes einzuführen.

(Ministerin Barbara Sommer: Richtig!)

Zur Thematik „Bildung und UN-Behindertenrechtskonvention“ hat Frau Sommer zudem einen Gesprächskreis zur schulischen Weiterbildung mit Vertretern der Schulträger, der Lehrer, der Eltern

verbände aller Schulformen, mit Wissenschaftlern und Vertretern der Fraktionen sowie mit Vertretern von Fachverbänden und anderen Ressorts eingerichtet, der erstmals am 25. Januar tagen wird.

Der so angelegte und aufgenommene NRW-Dialog wird von uns fortgesetzt. Erst nach dem Abschluss des Dialogs kann ermessen werden, ob und inwieweit Schlussfolgerungen aus dem neuen Recht zu ziehen sind.

Ich möchte gerne einen weiteren Punkt ansprechen. Ich würde es gut finden – aber das kann keiner von uns heute verbindlich zusagen, weil wir am 9. Mai einen neuen Landtag wählen –, wenn wir in der neuen Wahlperiode auch die Mitglieder der Fraktionen des nordrhein-westfälischen Landtags in die Arbeitsgruppe in meinem Ministerium einbeziehen und versuchen würden, wie es in der Behindertenpolitik eine...

(Zuruf von der SPD: Dann sind Sie kein Mi- nister mehr!)

Warten Sie es in Ruhe ab. Ich habe nicht gesagt, dass ich das hier verbindlich zusage. Ich empfinde eine Demut vor dem Wähler. Aber nachdem ich heute die Zeitungen gelesen habe, muss ich feststellen: An Ihrer Stelle würde ich mir ein paar Sorgen mehr machen, als ich sie mir zurzeit machen muss.

(Heiterkeit von CDU und FDP)

Aber ich glaube, dass es eine gute Tradition gibt und dass wir im neuen Landtag einmal schauen sollten, ob wir die Wege, die in Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung der UN-Konvention beschritten werden müssen, nicht auch wieder in möglichst großer Gemeinsamkeit festlegen.

Ich glaube, dass die Gemeinsamkeiten der Fraktionen in der Behindertenpolitik eine gute Tradition sind. Wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, sage ich: Ich möchte gerne, dass wir versuchen, das hier im Landtag fortzusetzen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Laumann. – Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/10523 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das

Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich komme zu:

16 Gesetz zur Änderung des Hafensicherheitsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/10435

erste Lesung

Die Rede zur Einbringung wird von Minister Laumann zu Protokoll gegeben. (Siehe Anlage 3)

Eine weitere Beratung ist deshalb für heute nicht vorgesehen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/10435 an den Ausschuss für Bauen und Verkehr. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das so angenommen.

Wir kommen zu:

17 Staatsvertrag zur Versorgungslastenteilung bei länderübergreifenden Dienstherrenwechseln

Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Artikel 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/10497