Protocol of the Session on January 20, 2010

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es bemerkenswert, dass sich gerade die Redner von SPD und Grünen über die sozialen Wirkungen des Bildungssystems beschweren, wo sie doch im Jahre 2005 diese Situation hinterlassen haben, wie sie selber in ihren Landtagsdrucksachen einräumen mussten. In ganz Deutschland gab es kein anderes Bundesland, in dem der Zusammenhang zwischen Bildungschancen und sozialer Herkunft so groß war wie bei dem Bildungssystem, das Rot-Grün hier hinterlassen hat.

(Beifall von der CDU)

Deshalb sage ich Ihnen: Ein Bildungssystem, das auf Leistung setzt – eben nicht auf Herkunft, eben nicht auf Standeseliten, sondern auf Leistung –, ist eine Einladung an all diejenigen, die wollen und können, und gerade deshalb sozial gerecht. Es ist ein sozial gerechtes Bildungssystem – wenn man akzeptiert, dass die Ergebnisse von Bildungslaufbahnen an ihrem Ende unterschiedlich sind, weil Menschen unterschiedlich begabt und unterschiedlich fleißig sind, dass aber alle faire Chancen beim Zugang haben und es nicht irgendwelche Standesgesellschaften gibt, die Sie hier herbeireden. Leistung ist die Variable, über die sich jeder, der Aufstieg will, auch wenn ihm vonseiten seines Elternhauses nicht alles in die Wiege gelegt worden ist, weiterentwickeln kann. Für diese Menschen, die in diesem Land den Aufstieg wollen, für die schaffen wir Stipendiensysteme. Das reicht nicht nur für 0,3 %, sondern für eine Versorgungsquote von 10 %.

Das Land Nordrhein-Westfalen ist in ganz Deutschland beispielhaft in Vorleistung getreten und hat all das, was es sich vorgenommen hat, auch strukturell

auf Bundesebene umgesetzt. Sie von der Opposition sollten sagen: Wir freuen uns! Noch nie hatten wir eine solche Stipendienkultur in NordrheinWestfalen und in ganz Deutschland! 10 % eines Altersjahrgangs werden zukünftig versorgt! Vielen Dank, dass dies durch die Koalition der Erneuerung möglich geworden ist! – Das wäre einmal eine gute Botschaft in dieser Debatte gewesen.

(Beifall von FDP und CDU)

Zum Thema Studiengebühren! Das wird ja nachgerade abenteuerlich. Auch Sie persönlich, Frau Dr. Seidl, haben in der letzten Legislaturperiode mit der rot-grünen Landesregierung als Allererstes Studiengebühren eingeführt –

(Beifall von FDP und CDU)

nur eben nicht, damit die Gelder zusätzlich den Fakultäten zugute kommen und für ein besseres Studium und eine bessere Ressourcenausstattung sorgen. Sie haben die Studiengebühren zum Zwecke der Haushaltssanierung eingeführt. Ihr Finanzminister hat hier gestanden und gesagt: Nichts davon kommt zusätzlich den Hochschulen zugute. Wir brauchen das jetzt, um Haushaltslöcher zu schließen. – Danach gab es die Massendemonstrationen hier vor der Tür, die in dieser Legislaturperiode bei Weitem nicht diese Dimensionen erreicht haben. Das hätten Sie der Ehrlichkeit halber auch mal sagen können.

(Beifall von FDP und CDU)

Ein Drittes. Was die Mühsal des Jobbens angeht: Ich weiß, dass Grüne und auch einige Sozialdemokraten immer ein bisschen Schwierigkeiten damit haben, eine positive Sicht auf das Arbeiten zu entwickeln und sich dafür einzusetzen. Aber das Bild, das von Studenten gezeichnet wird, dass derjenige, der auch zum Zwecke der eigenen Qualifikation stundenweise einer studienbegleitenden Tätigkeit nachgeht, ein Zwangsjobber sei, der nicht mehr weiterstudieren könne, wenn er nicht jobben würde, ist ausdrücklich falsch.

Für mich war es während meines Studiums – und nicht deshalb, weil ich mir mein Studium nicht hätte leisten können – eine Selbstverständlichkeit, dass ich Dinge nebenher gemacht habe.

(Beifall von der FDP)

Ich habe gerne bei meinem Professor am Lehrstuhl gearbeitet, weil mir das ermöglicht hat, mich in die Materie, die für mich später beruflich relevant werden sollte, auf ganz besondere Weise zu vertiefen.

Es gibt qualifizierende „Abfallprodukte“ dieser Tätigkeiten – nicht aus sozialer Not, sondern aus Interesse an bestimmten Tätigkeiten. Es gibt Studenten, die sehr gerne in Unternehmen reinschnuppern, die dort Praktika machen oder als Werkstudenten einen Tag pro Woche in Betrieben tätig sind.

Es ist doch nichts, was man geißeln muss, wenn junge Menschen auch neben ihrem Studium leistungsbereit sind und sagen: Ich halte mich eben nicht von morgens bis abends nur an der Schreibtischkante fest, ich will auch die betriebliche Praxis frühzeitig kennenlernen. – Das ist doch keine Politik der sozialen Ausgrenzung. Das sind doch vernünftige junge Menschen, die man nur darin unterstützen kann, sich den Kontakt zur beruflichen Praxis frühzeitig zu suchen.

(Beifall von der FDP)

Umso leichter haben diese jungen Menschen es nachher bei ihrem beruflichen Einstieg.

Was die Frage der staatlichen Leistungen angeht, so haben wir uns nichts vorzuwerfen. Ich lehne es nur ab, dass Sie immer beides gegeneinander ausspielen. Wir haben mit der neuen Bundesregierung eine Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze um 2 % erreicht, die zum 1. August 2010 wirksam wird. In der Debatte im Bund befindet sich eine höhere Anerkennung der steuerlichen Freibeträge um 3 %. Wir haben die Heraufsetzung der Altersgrenze auch für das BAföG im Master-Studium auf das 35. Lebensjahr.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert)

Das sind alles Punkte, mit denen bewusst für eine größere Kompatibilität sorgen. Wir haben, wie gesagt, die Versorgungsquote des Stipendienprogramms mit 10 % im Vergleich zu unseren schon ehrgeizigen Planungen verfünffacht.

Herr Kollege.

Damit, Herr Präsident, bin ich bei meiner letzten Bemerkung.

Aber eine kurze, wenn ich bitten darf.

Meine allerletzte Bemerkung, Herr Präsident, auch wenn es Sie von der Opposition nicht freuen wird: Wir finanzieren dieses Stipendienprogramm über eine Verantwortungsgesellschaft, über eine Bürgergesellschaft, für die wir ausdrücklich zur Voraussetzung machen, dass sich Private daran beteiligen. Für Sie ist das Feindbild damit also perfekt: „Privat vor Staat“ auch in der Studienfinanzierung.

Herr Kollege!

Wir wollen eben alles Kapital mobilisieren und freuen uns über diejenigen, die hier von privater Seite Verantwortung übernehmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Witzel. – Das Wort hat jetzt Herr Minister Dr. Pinkwart.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, der uns vorliegt, macht, wenn man ihn genau liest, deutlich, wie schwer sich die Opposition damit tut, dass die Landesregierung, aber auch die neue Bundesregierung, gerade was die Studienfinanzierung und damit auch die soziale Dimension des Bologna-Prozesses anbetrifft, in einer so vorbildlichen Weise tätig ist. Sie müssen sich schon in seltsamen Wendungen üben, um das noch irgendwie mit Kritik belegen zu können.

Was die BAföG-Anpassung betrifft: Wir wissen, wie wichtig es ist, wenn man über das BAföG mehr jungen Menschen aus einkommensschwächeren Familien bessere Chancen eröffnen will, regelmäßig die Bedarfssätze und auch die Einkommensgrenzen anzupassen. Insofern muss sich gerade die antragstellende Fraktion der SPD fragen, warum es in den Regierungskoalitionen zuerst mit den Grünen und dann mit der CDU –

(Zuruf von Dr. Ruth Seidl [GRÜNE])

im Übrigen wegen der Bremse Steinbrück – Jahre gedauert hat, bis es 2007 zur Anpassung ab dem Jahr 2008 kam. Sie hätten genauso schnell wie die neue Bundesregierung handeln können, die nach der Anpassung 2008 jetzt schon mit der nächsten Anpassung kommt. Die neue Bundesregierung nimmt einen Zweijahresabstand. Sie haben damals einen Siebenjahresabstand zu verantworten gehabt, was schon widerlegt, dass es Ihnen mit dem Anliegen einer sozialen Dimension des BolognaProzesses wirklich ernst ist.

Dass es Ihnen, Rot wie Grün, nicht ernst war, den Bologna-Prozess in einer sozialen Dimension einzuführen, wird auch daran deutlich, dass Sie – wissend, dass gerade an den Universitäten im Sinne einer besseren Chancengerechtigkeit für alle eine vernünftige Betreuungsrelation notwendig gewesen wäre – in rot-grüner Bundes- und Landesverantwortung den Bologna-Prozess eingeführt haben, ohne den Hochschulen zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil: In Nordrhein-Westfalen haben Sie mit dem Qualitätspakt die Mittel für die Hochschulen sogar zurückgefahren, statt sie vernünftig auszustatten. Das ist doch erst durch unsere Landesregierung korrigiert worden.

(Beifall von der FDP)

Das ist schon dadurch belegt, dass Sie es sehr schwer haben, sich mit dem auseinanderzusetzen, was sich hier verbessert hat.

Es gibt aber auch fachliche Bemerkungen, die ich zu Ihrem Antrag, Frau Boos, hier vorbringen muss und die zeigen, wie schwer Sie sich tun.

(Dr. Anna Mazulewitsch-Boos [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Darf ich das zu Ende ausführen? Sie können gleich gerne Ihre Frage stellen. – Sie sagen zum Beispiel, das wäre ganz schrecklich, die soziale Dimension wäre gefährdet, weil sich der Frauenanteil verringere. Frau Boos, warum informieren Sie sich nicht erst einmal, bevor Sie das behaupten? In Nordrhein-Westfalen ist es jedenfalls anders, als Sie es in Ihrem Antrag schreiben. Wir haben in Nordrhein-Westfalen im Wintersemester 2008/2009 einen Anteil weiblicher Studienanfänger an allen Studienanfängern von 48,93 % und bei den Masterstudiengängen von 51,06 %. Das ist genau entgegengesetzt zu Ihrem Antrag. Es ist nicht so, dass die Frauen gehindert werden, ein Masterstudium aufzunehmen. Vielmehr nehmen bei uns überproportional viele Frauen Masterstudiengänge auf. Das zeigt ebenfalls: Der Antrag hat noch nicht einmal die fachliche Substanz, um an unserem Regierungshandeln substanziell Kritik üben zu können.

Lassen Sie mich einen anderen Punkt ansprechen, den ich schon bemerkenswert finde, bei dem Sie sich komplett widersprechen – sowohl SPD wie Grüne. Sie tragen nahezu gebetsmühlenartig vor, es sei doch lange versprochen worden – auch von der Wirtschaft in Deutschland –, einmal ein ordentliches Stipendiensystem aufzulegen. Da müsse doch jetzt etwas kommen. Aber kaum kommt etwas, schreiben Sie in einen Antrag – das ist schon bemerkenswert; das darf ich mit Genehmigung des Präsidenten zitieren –:

Dadurch, dass die Förderbedingungen ausschließlich von privaten Geldgebern diktiert werden,

(Lachen von der FDP)

während die öffentliche Hand zwar Mittel gibt, aber keine inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten hat, wird hier die Reproduktion einer selbst erklärten „Bildungselite“ unterstützt.

(Lachen von der FDP)

Ich kenne Bürger dieses Landes Nordrhein-Westfalen, die keinen akademischen Abschluss haben, die mit einer beruflichen Qualifizierung Unternehmen gegründet haben, die Zeit ihres Lebens mit ihrem Unternehmen für Arbeits- und Ausbildungsplätze gesorgt haben und von denen manche jetzt wie in Düsseldorf – ich könnte die Unternehmerfamilie nennen – Millionen aus ihrem Erarbeitetem der Hochschule für neue Forschungsfelder, aber auch für Stipendien stiften. Wenn Sie denen vorhalten, ihnen ginge es um die Reproduktion der Bildungselite, obwohl sie selbst seinerzeit keine akademische Ausbildung vom Land in Anspruch genommen ha

ben, ist das ein Anschlag auf die, die sich hinter dieses Land und die Studierenden stellen wollen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Dann nehmen Sie bitte alle Aufforderungen zurück, die Sie über Jahre gebetsmühlenartig vor sich hergetragen haben, die Wirtschaft solle endlich mal etwas tun. Jetzt tut sie was – und Sie werfen ihr vor, dass sie sich überhaupt betätigt.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist das!)

Einen letzten Satz möchte ich noch anfügen dürfen.

Bitte.