Protocol of the Session on January 20, 2010

Das ist die falsche Politik auch deshalb, weil selbstverständlich auch außerhalb der Bundesrepublik über diese Fragen diskutiert wird. Dass auch außerhalb der Bundesrepublik darüber diskutiert wird, ist sogar mit einer Bundeskanzlerin Merkel möglich gewesen und war international auch unter der damaligen Entwicklungshilfeministerin möglich, der allerdings jetzt ein großartiges ideologisches und intellektuelles Licht nachgefolgt ist, nämlich Herr Niebel.

Herr Niebel hat für die FDP und für Herrn Westerwelle auftragsgemäß erklärt, dass es mit der FDP keine Finanzmarkttransaktionssteuer gibt. Diese ideologische Haltung, betrieben von NordrheinWestfalen, von der Blaupause des steuerpolitischen Wahnsinns ausgehend, hat in Berlin Platz gegriffen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist die Wand, Herr Dr. Petersen, vor die Sie gerade fahren. Insofern ist es selbstverständlich naheliegend, dass, wenn der Ministerpräsident etwas sagt, was richtig ist, auch wenn es sehr spät kommt – er hat sich hinter den fahrenden Zug geworfen; der Zug fährt längst und wird von der FDP aufgehalten –,

(Gisela Walsken [SPD]: Genau!)

das aufgegriffen wird. Nur weil Ihnen das unangenehm ist – übrigens heute schon mindestens zum zweiten Mal unangenehm; ich erinnere an die Stadtwerkedebatte –,

(Gisela Walsken [SPD]: Ja!)

müssen Sie sich nicht jedes Mal wegflüchten und so tun, als ob die Debatten bereits laufen würden. Wenn sie laufen, war es überflüssig, dass sich Herr Rüttgers geäußert hat. Es wäre notwendig gewesen, dass Herr Rüttgers seinen Koalitionspartner zur Ordnung ruft und von hier aus eine Bundesratsinitiative in diese Richtung startet.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber es ist überhaupt nicht nötig, dass der Arbeiterführer, der Staatsschauspieler, der im Nebenberuf als Ministerpräsident agierende Parteichef in Nordrhein-Westfalen, Herr Rüttgers, ein ums andere Mal etwas behauptet, was Sie überhaupt nicht machen, was Sie nur ankündigen und was in NRW regelmäßig an dem Hort des neoliberalen Unsinns, nämlich an der FDP in NRW, scheitert. Das ist Fakt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Lachen von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zur bundespolitischen Situation und zur Notwendigkeit von Steuereinnahmen sagen. Es ist nicht nur wegen der Lenkungswirkung notwendig, dass wir eine Börsenumsatzsteuer, besser noch eine Finanzmarkttransaktionssteuer bekommen, sondern es ist selbstverständlich auch wegen der öffentlichen Haushalte notwendig. Je nachdem, wie die ausgestaltet wird, bringt sie der Bundesrepublik zwischen 10 und 25 Milliarden €.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Was?)

10 bis 25 Milliarden € bei einer Finanzmarkttransaktionssteuer – aber nicht bei einer Börsenumsatzsteuer. Ich habe das eben unterschieden, Herr Finanzminister.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Vorsicht! Ich sage Ihnen: Wenn Sie leichtfertig darauf verzichten, aber gleichzeitig in Ihrer Partei über zu hohe Sätze bei Hartz-IV-Empfängern und über Arbeitseinsätze von Hartz-IV-Empfängern faseln, sind Sie nicht sozial, und dann braucht sich auch keiner mit Ihnen zu verbünden, sondern Sie müssen sich damit auseinandersetzen, dass Sie

nichts anderes als Handlanger dieser FDP mit ihrer falschen Politik sind. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Dr. Linssen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muss einer Opposition schon relativ schlecht gehen, wenn sie einen solchen Antrag stellt.

(Beifall von Christian Weisbrich [CDU] – Gi- sela Walsken [SPD]: Och!)

Zitate des Ministerpräsidenten werden nicht in ihrer Vollständigkeit dargeboten, und daraus wird abgeleitet, wir mögen doch bitte eine Bundesratsinitiative starten.

(Anke Brunn [SPD]: Wir können Ihnen ja auch das Interview geben!)

Sie mengen dann auch noch drei Sachverhalte durcheinander. Wunderbar. Sie sprechen heute zwar fast nur über eine Börsenumsatzsteuer, aber auf einmal geht Herr Becker, als er das Volumen nannte, das natürlich nie von einer Börsenumsatzsteuer erreicht werden kann – damit wird ein Zehntel erreicht, Herr Becker –

(Horst Becker [GRÜNE]: Aber wir wollen die Finanzmarkttransaktionssteuer! Sie müssen mal richtig hinhören!)

auf eine Transaktionssteuer. Lassen Sie mich ein paar Sätze zu dieser Angelegenheit sagen. Das Thema ist mehr als komplex. Dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt. Wie das aussehen soll, steht nicht in dem Antrag.

(Horst Becker [GRÜNE]: Was haben Sie denn die letzten fünf Jahre gemacht?)

Es geht nach dem Motto „Das kümmert uns überhaupt nicht“, sondern wir landen mal wieder einen Antrag, damit wir etwas zu erzählen haben.

(Gisela Walsken [SPD]: Genau!)

Meine Damen und Herren, dass wir in diesem Finanzmarkt Regeln brauchen, ist wohl jedem Beteiligten klar, egal, aus welcher Ecke er kommt. Das heißt, wir wissen auch, dass die soziale Marktwirtschaft in diesem Bereich zum größten Teil nicht stattgefunden hat. Wir haben ein Ordnungsprinzip, und die Ordnung ist in diesem Bereich nicht gegeben gewesen. Deshalb ist es zu Recht Aufgabe vieler Verantwortlicher, sich zu überlegen, wie man nachsteuern kann.

Insofern ist eine Börsenumsatzsteuer natürlich ein Instrument, über das man nachdenken kann.

(Gisela Walsken [SPD]: Sehen wir auch so!)

Natürlich ist es richtig, dass das in London seit ewigen Zeiten so gehandhabt wird

(Gisela Walsken [SPD]: Ja!)

und da 0,5 bis 1,5 % auf ganz bestimmte Produkte erhoben werden. Wir haben es in Paris und auch in anderen Städten. Trotzdem müssen wir uns bei allen Instrumenten, die wir in Erwägung ziehen, natürlich darüber unterhalten: Gibt es durch so etwas international Verzerrungen? Wird der Standort Nordrhein-Westfalen, Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Standorten beschädigt?

(Gisela Walsken [SPD]: Ja, ja!)

Das muss man sehr genau abwägen. Man kann nicht einfach sagen: London hat das gemacht, also ist das wunderbar. Denn in London gab es natürlich andere begünstigende Faktoren, und da spielte die Börsenumsatzsteuer im Grunde überhaupt keine Rolle. Trotzdem ist das der größte Finanzplatz Europas geworden.

(Horst Becker [GRÜNE]: Aha! – Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Aber Sie wissen vielleicht, dass seinerzeit sogar auf Anregung der Bundeskanzlerin – jedenfalls auf deutsche Initiative hin – in Pittsburgh im Rahmen des G20-Gipfels darüber gesprochen wurde, dass wir zum Beispiel auch eine internationale Transaktionssteuer prüfen müssen.

Ich kann jetzt nicht beides machen, sondern ich muss prüfen: Gibt es ein Instrument, um diejenigen, die die Krise verursacht haben, stärker an der Heilung der Schäden zu beteiligen? Das ist in vollem Gange. Ich nehme an, das wissen Sie auch. Insofern darf ich noch erwähnen, dass auch der Europäische Rat im Dezember 2009 gesagt hat: Wir müssen in diese Richtung denken. Es mehren sich auch die Stimmen derer, die sagen: Jawohl, lasst uns darüber nachdenken.

Also warten wir den Prozess mal ab. Wir sind intern schön dabei – damit Sie ganz beruhigt sein können –, aber wir machen es uns nicht so einfach wie Sie

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

und hüpfen jetzt auf ein Instrument und sagen: Das ist der Stein der Weisen.

Ich will noch ein paar Bemerkungen zur Schaffung von verbindlichen Regelungen für die Haftung und die Vergütung der Bankmanager machen. Sie wissen, dass der Bundesgesetzgeber bereits im Juli 2009, auch noch unter der Großen Koalition, tätig geworden ist.

(Gisela Walsken [SPD]: Im Februar!)

Ich weiß nicht, ob Sie vergessen haben, dass damals Steinbrück mit federführend war. Aus Ihren

Anträgen kann man nicht lesen, dass Sie Kenntnis von einer solchen Entwicklung haben.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Das heißt, das Bundesfinanzministerium hat jetzt unter Leitung von Schäuble einen Referentenentwurf vorgelegt, der intensiv geprüft wird. Ich halte es für richtig, wenn wir diesen Entwurf auch sehr genau im Lande diskutieren. Denn ich glaube, dass der Weg, der eingeschlagen worden ist, der richtige ist.

Sondersteuer auf Boni. Meine Damen und Herren, das ist Ihr Lieblingskind. Ich glaube, dass das, was Schäuble in dem Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums vorschlägt, besser ist.

(Anke Brunn [SPD]: Also hat Herr Rüttgers nicht recht!)