Frau Thoben, fair, wie wir sind, messen wir Sie heute nur an Ihren eigenen Ankündigungen aus Ihrer sogenannten kleinen Regierungserklärung vom 24. August 2005 im Wirtschaftsausschuss. Sie kündigten damals – ich zitiere – an: „Für uns steht der Mittelstand im Zentrum der Wirtschaftspolitik.“ Ergebnis: Fehlanzeige! Das Mittelstandsgesetz haben Sie abgeschafft, und – Bemerkung am Rande – das Wasserentnahmegesetz, das Sie abschaffen wollten, haben Sie aktiv verlängert. Der Mittelstand und die Verbände haben Ihnen hier im Landtag bereits 2008 eine Vielzahl guter Anregungen für ein optimales Mittelstandsgesetz gegeben. Vollmundig haben die Kollegen Lienenkämper und Brockes für die
Fraktionen von CDU und FDP in einer gemeinsamen Presseerklärung im Juli 2008 prophezeit – ich zitiere –:
Statt schöner Worte und unverbindlicher Absichtserklärungen wird das neue Mittelstandsgesetz substanzielle Verbesserungen für die mittelständischen Betriebe in NRW bringen.
Bis heute gibt es aber keinen neuen Entwurf für ein Mittelstandsgesetz. Bis heute ist nichts geschehen. Sie hatten angekündigt, den Mittelstand ins Zentrum rücken zu wollen. Nein, bei Ihnen steht der Mittelstand nicht im Zentrum, sondern im Abseits, Kolleginnen und Kollegen. So gehen Sie damit um.
Wir werden öffentliche Aufträge mittelstandsfreundlich in Teil- und Fachlose aufteilen. Wir werden dies nicht nur sagen, sondern wir werden es gerade bei landeseigenen Gesellschaften auch durchsetzen.
Das Gegenteil ist der Fall. Straßen.NRW hat zum Beispiel im Sauerland und im Kreis Soest ein PPP zum Erhalt des Landesstraßennetzes ausgeschrieben. Die Losgröße betrug jeweils 100 km mit 15 Brückenbauwerken. Darüber haben wir mit Mittelständlern gesprochen. Ergebnis: Diese Größenordnung bezeichnen mittelständische Unternehmen als absolut unerreichbar. Die Politik des Verkehrsministers – damals noch Oliver Wittke – sei nach Auffassung dieser Unternehmen nicht mittelstandsfreundlich, sondern bevorzuge Großunternehmen. Im Bieterverfahren seien in der zweiten Runde nur noch Töchter der Großunternehmen. Das ist das Fazit des Mittelstandes zu Ihrer Politik, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Apropos Mittelstand und Handwerk: Wir alle wissen, dass unser regionales Handwerk gute Arbeit nicht mit Billiglöhnen anbieten kann und soll. Deshalb ist Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer richtig.
Wir können über den Weg, wie man das erreichen will, streiten. Sie haben aber gleich das gesetzliche Ziel der Tariftreue abgeschafft. Frau Thoben, das schadet dem Mittelstand.
Anstatt über intelligente Wege zu reden und miteinander darüber zu streiten, wie man das Ziel erreichen kann, haben Sie das Ziel negiert und abgeschafft.
Sie haben aber nichts Vernünftiges an die Stelle gesetzt, weil Ihnen nichts dazu einfällt, Herr Kollege Brockes. Ahnungslos wie eh und je!
Kolleginnen und Kollegen, das Thema CO2Förderung kann ich heute nur kurz streifen. Wir haben schon öfter ausführlich darüber diskutiert. Aber auch hier schmücken Sie sich mit fremden Federn. Schlimmer noch, das Geld wird in komplizierten und bürokratischen Verfahren vergeben. Viele Teilnehmer, die nicht zum Zuge kommen, sind frustriert, weil für sie gilt: Außer Spesen nichts gewesen.
Lassen Sie mich ein Beispiel aus der Praxis nennen. Ich zitiere aus der Niederschrift der 28. Sitzung des Kreisausschusses Coesfeld vom 30. September diesen Jahres:
Landrat Püning weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Antragsverfahren extrem kompliziert sind. Ohne eine professionelle Unterstützung würde sich die Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen nicht an den Verfahren beteiligen. Ohne Hilfe bestünde keine Akzeptanz bei der Zielgruppe; denn die Verfahren seien sehr komplex. Die Anträge hätten einen erheblichen Umfang und die Zeitabläufe seien lang.
Soweit Herr Püning, Landrat des Kreises Coesfeld. Übrigens gehören 64 % der Kreistagsmitglieder der CDU an. Der Kreistag stellt für 2010 und 2011 insgesamt 70.000 € bereit, um eine entsprechende Unterstützungsstelle zu finanzieren.
Lassen Sie mich abschließend sagen, die Kommunen müssen eigenes Geld in die Hand nehmen, damit Licht in Ihr Förderchaos gebracht wird. Das sagt die Praxis: mittelstandsfeindlich, kompliziert, zeitaufwendig, keine Akzeptanz und teuer. Das ist Ziel-2-Förderung à la Frau Thoben.
In den letzten Jahren mussten wir oft über Krisenmanagement reden. Es gab genug Beispiele dafür, Frau Thoben: Nokia, Opel, Karstadt, BenQ. – Der politische Ablauf war immer gleich. Ministerpräsident und Wirtschaftsministerin haben sich demonstrativ mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern solidarisiert. Das ist richtig, aber alleine nicht ausreichend. Es ist notwendig, aber eben nicht hinreichend, Frau Thoben. Es werden große Worte ge
schwungen. Es wird gefordert, es wird verhandelt. Es werden gute Bilder mit Kolleginnen und Kollegen produziert. Der Regierung Rüttgers geht es um Schauspiel, nicht um die Tat. Herausgekommen ist in der Sache nichts, sei es bei Nokia, bei BenQ oder bei Karstadt.
Die Arbeitsplätze sind weg oder gefährdet, und die Regierung Rüttgers schaut tatenlos zu. Ich nenne ein Beispiel zu Nokia. Bei Nokia brauchte es eineinviertel Jahre, bis man sich auf das Projekt „Wachstum für Bochum“ festgelegt hat. Es dauerte eineinhalb Jahre, bis das Geld von Nokia da war und fast zwei Jahre, bis die erste Hälfte der mittlerweile seit über einem halben Jahr feststehenden Projekte bewilligt werden konnte. Die Hälfte der Projekte war nach zwei Jahren bewilligt, die andere Hälfte immer noch nicht. Konkret geschehen ist aus dem Programm „Wachstum für Bochum“ bisher nichts.
Die Landesregierung beginnt die Arbeit zum Aufbau von Beschäftigung kurz bevor die Betroffenen aus der Transfergesellschaft in die Arbeitslosigkeit fallen. Das ist ein Armutszeugnis dieser schwarzgelben Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich komme zum Schluss. Der Ministerpräsident missbraucht die Sorgen der Kolleginnen und Kollegen für billigen Populismus. Es wird hemmungslos über die Rumänen gelästert. GM-Manager werden wüst beschimpft.
Nur gehandelt wird nicht. Es ist ein Schauspiel des Sozialschauspielers Rüttgers – mehr nicht. Auch in dem von Ihnen intonierten Grundtenor der kreativen Ökonomie – ich erinnere an die drei T – ist in diesem Land nun wahrlich nichts zu spüren. Es ist nur heiße Luft, Frau Thoben.
Auf die Industriepolitik werden die Kollegen Römer und Bollermann noch ausführlicher eingehen. Dort reicht es bei Ihnen gerade zur Bekenntnispolitik. Bekenntnispolitik ist die kleine Schwester der Tatenlosigkeit, um das noch einmal deutlich zu sagen.
Deshalb charakterisiere ich die Wirtschaftspolitik dieser Landesregierung auch mit Shakespeare: Viel Lärm um nichts. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich will zu Beginn meiner Rede nicht Shakespeare zitieren, sondern in Abwandlung von Shakespeare sagen, das war nichts und laut, lieber Kollege Eiskirch.
Für einen Oppositionspolitiker ist es auch schwierig, zu einem Einzelplan sprechen zu müssen, der Ausweis der erfolgreichen Wirtschaftspolitik dieser Regierungskoalition ist.
Herr Kollege Eumann, gestern sind die neuen Arbeitsmarktdaten für Deutschland und für NRW veröffentlicht worden. Völlig atypisch ist die Arbeitslosigkeit nicht nur in Deutschland insgesamt, sondern vor allem bei uns in Nordrhein-Westfalen in einem November zurückgegangen. Das ist in den letzten Jahrzehnten nie dagewesen. Die Hälfte des Rückgangs der Arbeitslosigkeit, den wir in Deutschland zu verzeichnen hatten, war hier bei uns in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen.