Protocol of the Session on December 3, 2009

(Anke Brunn [SPD]: Und was sagt die Klien- tel dazu?)

Meine Damen und Herren, das ist keine Klientelpolitik, sondern das ist eine Politik für die Familien in unserem Land.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Nur die armen Familien bekommen nichts ab!)

Auch wenn sicherlich niemand auf die Idee kommen wird, wegen 20 € eine Familie zu gründen, so müssen wir doch darauf achten, dass die Wahrnehmung

dieser wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe nicht immer unattraktiver wird.

Wenn hier im Antrag von den Begriffen Normalverdiener und Spitzenverdiener geredet wird, dann verkennen Sie einen Sachverhalt völlig. Musste früher der Spitzensteuersatz erst bei dem zwanzigfachen des Durchschnittsverdienstes gezahlt werden, so wird dieser heute durch Inflation, steigendes Einkommensniveau und kalte Progression bereits ab dem 1,9-fachen Satz des Durchschnittseinkommens fällig. Da beziehe ich mich auf die Zahlen vom Bundesfinanzministerium – von Peer Steinbrück selbst und anderen vorgelegt –,

(Horst Becker [GRÜNE]: Ist der immer noch da?)

der das Durchschnittseinkommen mit 27.000 € angegeben hat. Da hat er die Transferempfänger einbezogen.

Meine Damen und Herren, gerade wir wollen die Mitte – Facharbeiterinnen und Facharbeiter, Angestellte – stützen; denn gerade sie, die das Kernstück unserer Gesellschaft bilden, erarbeiten und erwirtschaften das, was – und Sie noch ein bisschen großzügiger – wir im Umverteilungsstaat überhaupt umverteilen wollen.

Es geht um das große Kapital – das wissen wir alle –, das ist schnell flüchtig, sondern genau diese Mittelschicht ist der Leistungsträger unserer Gesellschaft. Ich denke, es ist auch eine Frage von sozialer Gerechtigkeit, genau das auch einmal festzuhalten.

Vorhin wurde die Erbschaftssteuerreform angesprochen. Sie können mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass die Behandlung von Geschwistern wie Fremde etwas wäre, was mit dem Schutz von Ehe und Familie in Einklang zu bringen ist.

Bei der erbschaftssteuerrechtlichen Behandlung von Unternehmensnachfolgen, liebe Kollegin Brunn, geht es eben darum, dass auch im Erbschaftsfall Unternehmen erhalten und fortgeführt werden können

(Gisela Walsken [SPD]: Genau das können sie jetzt! Sogar steuergünstig! – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

und nicht die Nachfolger unverhältnismäßige Belastungen treffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren – das soll meine letzte Bemerkung sein –, Frau Kollegin Löhrmann hat hier die Kommunalfinanzreform angesprochen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ich sage ausdrücklich: Die FDP spricht sich seit Jahren für eine kommunale Finanzreform aus,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Keine Drohung!)

die den Namen tatsächlich verdient,

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist gefährlich!)

mit der wir den Kommunen wirklich eine gesicherte beständige finanzielle Grundlage ermöglichen und nicht in Abhängigkeit einer volatilen Gewerbesteuer lassen. Ich wäre sehr froh, wenn wir einmal konstruktiv darüber diskutieren könnten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Danke schön, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Finanzminister Dr. Linssen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das wir heute diskutieren, ist beim besten Willen nicht neu. Wir haben darüber im November schon einmal diskutiert.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das werden wir noch öfter tun!)

Es scheint zwar alles gesagt zu sein, aber noch nicht von allen.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Ich rede auch noch!)

Deshalb machen Sie es erneut mit einem Antrag, mit einem Eilantrag – jeder so, wie er am Besten kann.

(Gisela Walsken [SPD]: In 14 Tagen wieder!)

Meine Damen und Herren, dass wir Wachstum erzeugen müssen, ist, glaube ich, unstrittig. Ich gehe davon aus, dass Sie die Jahre 2006, 2007 und 2008, die Sie hinsichtlich der Steuereinnahmen vorhin noch einmal beleuchtet haben, deshalb für so gut erachtet haben, weil wir ein anständiges Wachstum hatten.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Richtig! Und wer hat die Wurzeln gelegt? Wir kommen aus dem ganzen Dilemma, in dem wir uns im Moment befinden, nicht heraus, wenn wir nicht anständiges Wachstum bekommen. Sie sind der Meinung, das macht man immer mit Konjunkturprogrammen. Allerdings war auch Kolle- ge Steinbrück stets der Meinung, wir müssten auch Steuern senken. (Anke Brunn [SPD]: Die Frage ist, welche!)

Ich versuche, Ihnen noch einmal in Erinnerung zu bringen, was hier Kollege Weisbrich vorgetragen hat. Warum sind die Konjunkturprogramme I und II in Ordnung? Warum ist das Bürgerentlastungsgesetz in Ordnung? Warum ist das, was die Große Koalition mit dem 14-Milliarden-€-Entlastungspro

gramm gemacht hat, in Ordnung, und warum sind die 8 Milliarden € jetzt des Teufels?

Es liegt natürlich daran, dass wir über diese Maßnahme beim Beherbergungsgewerbe eine Diskussion haben, und auf die setzen Sie sich und meinen, damit könnten Sie das Ganze chaotisieren.

(Anke Brunn [SPD]: Ja, mit Recht!)

Sie werden erleben, es wird zu einem ordentlichen Ergebnis kommen. Man kann über bestimmte Maßnahmen immer diskutieren. Beim Konjunkturpaket I und II war ich manchmal auch anderer Meinung. Das war damals ein Kompromiss der Großen Koalition, und so wird es jetzt auch einen Kompromiss der neuen Koalition geben.

(Anke Brunn [SPD]: Vermittlungsausschuss!)

Das Maßnahmenpaket wird kontrovers diskutiert. Die Wissenschaft kann sich damit sicherlich lange aufhalten. Nur in der Politik muss man sich irgendwann entscheiden, und dann werden wir auch entscheiden.

Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur Förderung von Familien machen. Frau Freimuth hat dazu schon etwas gesagt. Ist das nun wirklich Klientelpolitik? Das können Sie doch nicht allen Ernstes behaupten. Von den 4,6 Milliarden € gehen tatsächlich 260 Millionen € in den Kinderfreibetrag; das andere geht ins Kindergeld. Sie können sich doch nicht hinstellen und sagen: Das ist irgendeine Klientelpolitik, das ist eine Politik für Reiche. Früher waren Sie für solche Konsumanstöße immer wahnsinnig dankbar.

(Anke Brunn [SPD]: Sagen Sie doch mal et- was zu den Hotels und zur Erbschaftsteuer!)

So habe ich es jedenfalls immer empfunden. Warum soll das jetzt nicht mehr der Fall sein?

Beim Thema Kommunen singen Sie das Lied vom Raubzug durch die kommunalen Kassen nun jeden Tag.

(Horst Becker [GRÜNE]: Das kann nicht oft genug gesungen werden! – Gegenruf von Hans-Willi Körfges [SPD]: Strafmildernd! – Gegenruf von Horst Becker [GRÜNE]: Aber nicht bei Wiederholungstätern!)

Sie kommen nicht darüber hinweg, dass wir den Kommunen im Jahr 2009 den höchsten Betrag haben zugute kommen lassen, der jemals gezahlt worden ist. In 2010 wird das der zweithöchste Betrag sein.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Haben Sie schon für nächstes Jahr gerechnet?)

Das ist Ihnen nicht genug. Sie haben sich als Landtagsabgeordneter angewöhnt, möglichst immer dem Land in die Tasche zu fassen und sich immer vor die Kommunen zu stellen. Das habe ich inzwischen kapiert. Das ist Oppositionsgehabe. Das ist ganz

typisch, weil Ihnen offensichtlich der Landeshaushalt relativ egal ist.

(Hans-Theodor Peschkes [SPD]: Sie hatten auch 39 Jahre Zeit, das zu üben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der SPD, ich kann mich kaum erinnern, als die Gewerbesteuer in 2006, 2007 und 2008 explodierte, dass ein Bürgermeister bei mir gewesen ist und mir erklärt hat: Ich habe zu viel Gewerbesteuer. Was mache ich nur damit?

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Dafür haben Sie denen die Grunderwerbsteuer abgenom- men!)

Jetzt saust die Gewerbesteuer in den Keller, und das Elend ist angesagt. Ja, wenn eine solche volatile Steuer immer gewünscht ist, dann muss man doch in guten Zeiten ansparen, damit man in schlechten Zeiten etwas hat.