Dann will ich direkt am Anfang etwas dazu sagen, dass Sie wieder versuchen, mit einem Bild zu arbeiten, von dem mittlerweile als gesichert angenommen werden kann, dass es die Grundmelodie im Wahlkampf sein wird: Sie seien quasi auf gutem Wege gewesen, aber durch die plötzlich übrigens nicht nur aus Amerika über uns hereinbrechende Finanzkrise gehindert worden; sie habe dazu geführt, dass Sie am Ende bedauerlicherweise keine Konsolidierung hätten erreichen können.
meinem Manuskript: Selbst 2009, in diesem Jahr der scharfen Finanzkrise, haben Sie immer noch 3 Milliarden € mehr Steuereinnahmen, als wir im Jahr 2004 hatten. Das sind 10 %.
Wenn ich Ihre Maßstäbe anlege, dann muss ich sagen: Sie wirtschaften hier absolut unseriös, und das wird auch an einigen anderen Punkten deutlich.
Meine Damen und Herren, Sie möchten offensichtlich um jeden Preis die Zahl 6,7 Milliarden nicht reißen. Das verstehe ich; denn Sie sind ja am Anfang mit ganz großen Versprechungen angetreten: Sie wollten den Haushalt konsolidieren, Sie wollten gleichzeitig mehr für die Jugendarbeit, für die Weiterbildung und für die Kommunen ausgeben. Das alles haben Sie nicht eingehalten. Sie haben immer das Gegenteil davon gemacht, und Sie haben auch den Haushalt nicht konsolidiert. Deswegen müssen Sie jetzt am Ende auch irgendeine Erklärung dafür haben.
Dieses Erklärungsmuster habe ich Ihnen eben genannt. Dazu hat man dann noch als Nebenargumentation zur Kenntnis nehmen können: Dann kam da noch diese dumme WestLB über uns, die wir eigentlich haben verkaufen wollen; das war eigentlich auch alles Rot-Grün. Dazu würde ich jetzt gerne einmal – der Finanzminister wird gleich Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen – ein paar Fakten gerade rücken.
Die Finanzkrise, die übrigens nicht nur in den USA zustande gekommen ist, sondern auch in Europa und in Deutschland – ich erinnere an die IKB, letztlich eine private Bank und nicht eine Staatsbank, wie immer behauptet worden ist –, war im Jahre 2007. Vom Mai 2005 bis Mitte 2007 waren zwei Jahre Zeit. Wenn Sie sich doch so hätten durchsetzen wollen, wie Sie es gesagt haben, hätten Sie zusammen mit diesem Finanzminister die WestLB doch längst verkauft haben können. Das haben Sie aber nicht gemacht, und zwar deswegen nicht, weil der Finanzminister damals immer gesagt hat: Die wird noch mehr wert, wir müssen nur ein bisschen warten, die wird noch mehr wert. – Das war die Melodie. Dies alles lässt sich auch heute noch an den Pressespiegeln von damals nachvollziehen. Da haben Sie sich in der Koalition an Ihrem Finanzminister die Zähne ausgebissen. Deswegen sage ich: Lassen Sie an dieser Stelle Rot-Grün in Ruhe. Sie hatten zwei Jahre Zeit für den Verkauf der WestLB.
Zum Finanzminister an dieser Stelle noch ein Wort: Der Finanzminister Linssen – bei allem, wie wir manchmal auch nett und charmant miteinander umgehen können; hier muss man aber Klartext
reden – war in all diesen Jahren in den Aufsichtsgremien der WestLB. Er kann sich hier nun überhaupt nicht wegschwiemeln. Er müsste auch wissen, dass gerade die Geschäfte um die CDOs und die gesamten strukturierten Papiere insbesondere in den letzten drei Jahren vor der Krise zustande kamen. Das sagt Ihnen die gesamte Fachwelt. Da waren Sie hier am Ruder und nicht Rot-Grün. Deswegen lassen Sie diese Legendenbildung; sonst werden Sie das auch immer wieder so zu hören bekommen.
Meine Damen und Herren, was haben Sie nicht alles versprochen! Sie haben versprochen, dass Sie die vorübergehenden Kürzungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei Beamtinnen und Beamten in Nordrhein-Westfalen zurücknehmen würden. Sie haben 2006 aber das Gegenteil getan. Später haben Sie Besoldungserhöhungen verzögert und insgesamt 1 Milliarde € bei den Einkommen der Landesbediensteten eingespart.
Sie haben das von Ihnen so beschimpfte und heruntergeredete Wasserentnahmegeld nicht etwa mit einem Federstrich aus der Welt geschaffen, sondern sich zu einer degressiven, über zehn Jahre auslaufenden Kürzung durchgerungen, die im Jahr 2010 beginnen soll. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wer’s glaubt, wird selig. So, wie wir Sie in den letzten vier Jahren erlebt haben, werden Sie auch dies nach der Wahl, wenn Sie wider Erwarten weiterregieren sollten, wieder einkassieren. Das sind nichts anderes als Märchengebäude, die Sie der Öffentlichkeit vormachen, genau wie das Märchengebäude der 6,7-Milliarden-Obergrenze bei der Verschuldung.
Sie werden am Ende des Jahres, wenn Sie wider Erwarten weiterregieren können, sagen: Es ist leider nicht aufgegangen – Finanzkrise –, hat alles etwas länger gedauert, als wir erwartet haben. Ich sage Ihnen noch einmal: Rot-Grün hat damals die deutlich niedrigeren Steuereinnahmen gehabt, und RotGrün hat das ausgehalten. Rot-Grün hat in dieser Zeit übrigens die Kommunen fair behandelt.
Ja, selbstverständlich! Herr Kollege, zu unserer Zeit haben sie die Grunderwerbsteueranteile bekommen, die Sie gestrichen haben. Zu unserer Zeit haben sie auch die Zuschüsse für die Krankenhausinvestitionen bekommen, die Sie gestrichen haben.
Zu unserer Zeit haben sie mehr Hilfen für die Weiterbildung bekommen, die Sie gestrichen haben. Zu unserer Zeit haben sie mehr für die Jugendförderung bekommen als zu der Zeit, als Sie dies dann übernommen haben, obwohl Sie im Wahlkampf
Diese Landesregierung ist im Zusammenhang mit dem KiFöG gegenüber den Kommunen eine der schäbigsten Landesregierungen gewesen. Das gibt es in dieser Art und Weise bundesweit fast kein zweites Mal, was Sie hier zulasten der Kommunen veranstalten!
Stellen Sie doch einfach einmal eine Zwischenfrage, Herr Kollege! Wenn Sie es fundiert könnten, würden Sie einmal eine Zwischenfrage stellen. Dann dürfte ich Ihnen auch länger antworten.
30 % dessen, was wir an Steuereinnahmen hatten, haben Sie mehr gehabt. Sie haben den Kommunen nur 15 % mehr gegeben als vorher. Mithin macht das, was Sie ihnen vorenthalten haben, ziemlich genau die Hälfte aus, nämlich auch wieder 15 %.
Sie rechnen immer in absoluten Zahlen. Das ist aber völlig unwichtig. Wenn ich jemandem, dem in einem bestimmten, systematischen Gebilde eine Lohnerhöhung zugesagt wurde, sage, er solle sich nicht so anstellen, ihm sei zwar eine Lohnerhöhung zugesagt worden, doch bekomme er nun 1 %, weil das in absoluten Zahlen mehr sei, als er jemals bekommen habe, dann wird er Ihnen aber ganz schön etwas erzählen. Und genau das machen Sie mit den Kommunen.
Meine Damen und Herren, das, was Sie hier veranstalten, ist eine absolut unseriöse Steuerpolitik. Ich werde das an einem anderen Punkt deutlich machen, der gleich ausführlicher besprochen wird, deswegen mache ich es relativ kurz. Sie tun hier so, als würden Sie sparen – an Geschichten wie zum Beispiel an einem landesweiten Zuschuss für das Sozialticket, wie beim kostenlosen Essen mittags in den Schulen oder Ähnlichem. Ich will Ihnen das einmal im Zusammenhang mit den kostenlosen Mittagessen in den Schulen erklären.
Wenn sie allein die Steuerausfälle von über 600 Millionen €, die den Besserverdienenden durch die Zustimmung im Bundesrat, die auch abhängig ist von der Zustimmung aus Nordrhein-Westfalen, über den Tisch gereicht werden, den Kosten von 63 Millionen € für eine beitragsfreie Mahlzeit mittags in den Schulen gegenüberstellen, dann kommen Sie ziemlich genau auf eine Strecke von zehn
Jahren, in denen Sie das beitragsfreie Mittagessen bezahlen könnten, wenn Sie auf den Quatsch, den Sie aus ideologischen Gründen nur für Herrn Westerwelle und diese gaga gewordene Steuerpolitik der FDP machen, verzichten würden. Das ist die Wirklichkeit.
Solange Sie eine solche Politik veranstalten, können Sie nicht mehr ernsthaft für sich in Anspruch nehmen, Sie seien seriös. Mit Seriosität hat diese Haushaltspolitik dieser Landesregierung aber auch nicht das Geringste zu tun. Auch deswegen gehören Sie in fünf Monaten abgelöst. Ich bin optimistisch, dass das gelingt. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für eine Antwort hat sich der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. Linssen, bereitgestellt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Becker, auch Lautstärke kann eine wahrheitsgetreue Berichterstattung nicht ersetzen. Das kann ich nur zu Ihrem Beitrag sagen.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sagen Sie mal Ihrem Kollegen Laumann! – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])
Obwohl ich es schon öfter getan habe, möchte ich Ihnen noch einmal sagen, was wir seit 2005 gemacht haben. Vielleicht geht das irgendwann in Ihre Köpfe hinein. Wir haben seit 2006 Ihre horrende Nettoneuverschuldung, die Sie 2003, 2004 und 2005 mit jeweils 6,7 bzw. 6,8 Milliarden € gemacht haben, heruntergefahren auf 3,2 Milliarden €, dann auf 1,9 Milliarden € und schließlich auf 1,1 Milliarden €. Herr Kollege Weisbrich hat Ihnen vorgetragen, dass das Jahr 2008 im Grunde mit einem positiven Saldo hätte abgeschlossen werden können, hätten wir nicht die Risiken der WestLB und die Finanzmarktstabilisierungsrisiken abgedeckt.
Herr Becker, ich möchte Ihnen, da Sie es immer wieder vortragen, noch einmal entgegenhalten, dass ich nicht im Aufsichtsrat der WestLB AG war. Sie ist im Jahr 2001 gegründet worden. Ich war nicht im Aufsichtsrat – vielleicht merken Sie es sich doch irgendwann einmal –, sondern im Verwaltungsrat der NRW.BANK. Das hat damals Ihre Regierung vielleicht sogar richtig gemacht, als sie entschieden hat, ich solle nicht in den Aufsichtsrat der WestLB AG, sondern ich dürfe in die Förderbank. So halten wir es mit Frau Kraft ja auch, wie Sie wissen. Das ist scheinbar gute Tradition. Vielleicht können Sie, Herr Becker, das einmal wahrheitsgemäß vortragen.
Danke, Herr Minister. Würden Sie mir Recht geben, dass die gesamte Fachliteratur und Fachszene in Bezug auf das Anwachsen der strukturierten Papiere deutlich davon ausgehen, dass das jenseits von 2001, also zur Jetzt-Zeit passiert ist, und nicht vor 2001, und dass das in einer Exponentialkurve insbesondere in den letzten drei Jahren vor Ausbrechen der Finanzkrise passiert ist?
Lieber Herr Becker, das ist keine Antwort auf die von Ihnen vorhin fälschlich behauptete Tatsache. Sie sprechen jetzt über Papiere und fragen, wann sie sich entwickelt haben. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass sie von der Bank ab 1998/1999 gekauft worden sind und dass fast 80 % vor dem Jahr 2005 gekauft wurden. Das habe ich Ihnen schon einmal vorgetragen. Ihre Behauptung stimmt einfach nicht. Es ist nicht nach 2005 passiert. Ich bin seit Mitte des Jahres 2005 im Aufsichtsrat. Wir haben uns in dieser Zeit nichts vorzuwerfen, um es klar und deutlich zu sagen.
Sie haben die weitere Behauptung aufgestellt, wir hätten zwei Jahre lang Zeit gehabt, die Bank zu verkaufen. Ich will Ihnen sagen, wie das wirklich war: In den Jahren 2002, 2003 und 2004, also während Ihrer Regierungszeit, gab es in der Bank Riesenverluste von insgesamt 4,8 Milliarden € in drei Jahren, die uns heute als Kapital fehlen.