Protocol of the Session on December 2, 2009

Meine Damen und Herren, es gibt in der Tat auf verschiedenen Unterrichtsgebieten einen Fachlehrermangel. Das ist kein Geheimnis. Aber woher kommt er denn? Zwischen 1982 und 1999 haben Sie doch so gut wie keine neuen Lehrer eingestellt. Sie haben das Einstellungsstoppschild ausgehängt. Und da wundert es Sie, dass sich junge Abiturienten sozusagen marktgerecht verhalten haben und vom Lehramtsstudium nichts wissen wollten?

Jeder Lehrer und jede Lehrerin, die heute in einer Schule arbeiten, muss spätestens 2002/2003 das Lehramtsstudium aufgenommen haben. Soll ich Sie daran erinnern, wer damals im Land die Verantwortung hatte? Sie, meine Damen und Herren von der Opposition!

Sie waren es auch, die ein munteres Streichkonzert bei den Ausbildungsplätzen in Studienseminaren vorgenommen haben. Auch diesem unverantwortlichen Handeln haben wir ein Ende gesetzt. Abgesehen davon, dass wir Lehrerinnen und Lehrer unsere Wertschätzung spüren lassen und ihnen hervorragende Einstellungsaussichten nach Abschluss ihres Studiums bieten, haben wir von FDP und CDU auch über 3.000 zusätzliche Plätze an den Studienseminaren geschaffen. Wir wollen die Auswirkungen Ihres Politikversagens so schnell wie möglich beheben.

(Beifall von der FDP)

Aber neue Lehrer müssen erst einmal ausgebildet werden. Wir können sie uns nicht aus den Rippen schneiden. Der Markt ist derzeit leergefegt. Wir haben im Prinzip alle eingestellt, die zur Verfügung standen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ziehen Sie bitte nicht durchs Land und beklagen das, was Sie selbst zu verantworten haben! Das ist unseriöse Politik. Damit veräppeln Sie die Menschen. Ihr Verhalten ist deshalb in besonderer Weise verwerflich, weil Sie genau wissen, dass selbst interessierte Eltern und Großeltern nicht auf einen Schlag nachvollziehen und überprüfen können, dass der heutige Fachlehrermangel Ergebnis alter rot-grüner Ausbildungs- und Einstellungspolitik ist. In diesem Punkt habe ich in meiner politischen Laufbahn selten so viel Unverfrorenheit und Verzerrungen erlebt wie diesbezüglich bei Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Die Dreistigkeit setzt sich fort. FDP und CDU schaffen mit dem Haushalt 2010 weitere rund 1.200 Lehrerstellen. Und siehe da: Ein bodenlos dreister oder unwissender Regierungspräsident mit SPDParteibuch und einer eigenen Landtagskandidatur im Auge will sich gerade einmal die Hälfte davon, nämlich 600, an Land ziehen, obwohl diese in seinem Regierungsbezirk überhaupt nicht nötig sind oder zur Verfügung stehen. – Das ist unglaublich. Das ist eine gezielte Verunsicherung von Eltern und Schulen.

Das bedeutet letztendlich, dass dieser Regierungspräsident mit SPD-Parteibuch weder fähig ist, sein Amt verantwortungsvoll auszuüben, noch loyal ist gegenüber seinem zuständigen Ministerium. Das gilt auch, wenn er inzwischen Verantwortung für dieses höchst fragwürdige Vorgehen übernommen hat. Abgesehen von diesem gravierenden Fehler ist es wohl ein enormer Interessenkonflikt, einerseits für die SPD für den Landtag zu kandidieren und andererseits als Regierungspräsident gegenüber der Ministerin loyal zu sein. Wie will er den Konflikt denn wohl auflösen?

Zurück zum Landeshaushalt 2010! Ein großer Erfolg ist der weitere Ausbau der Ganztagsangebote in Nordrhein-Westfalen. Seit dem Ende der Regierungsverantwortung von Rot-Grün konnte das Ganztagsangebot an Grundschulen von 20 auf 80 % gesteigert, also vervierfacht werden. An Hauptschulen ist eine Steigerung von 20 auf 50 % gelungen. Dies ist sogar mit einem 30-prozentigen Stellenzuschlag einhergegangen.

(Zuruf von Sören Link [SPD])

Mit der Ganztagsoffensive für weiterführende Schulen ermöglichen FDP und CDU erstmalig den Ausbau von 216 Gymnasien und Realschulen zu gebundenen Ganztagsschulen.

Wir haben darüber hinaus mit den Mitteln für die Übermittagbetreuung und mit dem 1000-SchulenProgramm erstmals flächendeckend Investitionsangebote zum Aufbau von Mensen aus originären Landesmitteln gemacht. Dabei wurden natürlich auch pädagogische Angebote zur Übermittagbetreuung geschaffen.

Selbstverständlich denken wir auch an die Lehrerinnen und Lehrer, die an den Schulen in NordrheinWestfalen eine herausragende Arbeit leisten. Das oftmals schwierige soziale Umfeld und die vielfältigen, aber notwendigen Reformen verlangen unseren Pädagogen viel ab. Deshalb haben wir in den letzten Jahren die Mittel für den betriebsärztlichen Dienst erhöht und zusätzliche Beförderungsstellen geschaffen. Außerdem erhöhen wir mit diesem Haushalt nochmals die Mittel für Schulwanderungen und Schulfahrten um weitere 2 Millionen €. Wir wollen damit verdeutlichen, dass wir uns der Leistun

gen der Lehrerinnen und Lehrer sehr bewusst sind und ihr Engagement hoch schätzen.

Meine Damen und Herren, mit dem neuen Schulgesetz haben wir in der nordrhein-westfälischen Schulpolitik einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Wir haben den Unterrichtsausfall mehr als halbiert, wir haben die Qualität des Unterrichts gestärkt, wir haben die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen erhöht,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist doch wohl ein Witz! Wo denn?)

wir haben die personellen Ressourcen der Schulen kontinuierlich verbessert, wir bauen die Ganztagsangebote massiv aus, wir erhöhen konsequent die Mittel für die Lehrerfortbildung,

(Horst Becker [GRÜNE]: Sagen Sie einmal: In welcher Sekte leben Sie eigentlich?)

und wir haben das zukunftsweisendste Lehrerausbildungsgesetz in ganz Deutschland auf den Weg gebracht. Wir haben in den letzten Jahren alle Grundsteine gelegt, um Nordrhein-Westfalens Schulen endlich wieder auf die Erfolgsspur zu führen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] – Sören Link [SPD]: Da klatscht nur noch Herr Witzel!)

Schon in diesem Schuljahr haben wir 4,5 % Schülerinnen und Schüler weniger als 2005, dafür aber real 4,6 % mehr Lehrerstellen als 2005. Im Schuljahr 2010 haben wir sogar 5,4 % mehr Lehrerstellen bei dann schon 6,1 % weniger Schülerinnen und Schülern als 2005. Da rechnen Sie sich einmal die Relationen aus! Sie hätten es umgekehrt gemacht. Weniger Schüler hätten bei Ihnen auch weniger Lehrer bedeutet.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Schauen Sie sich nur einmal Ihre Beschlüsse aus dem Dezember 2004 an. Ihre rot-grüne Bildungspolitik bedeutete Abbau und Erosion. Unsere Bildungspolitik bedeutet Aufbau und Qualitätsverbesserungen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Wenn Sie so wei- termachen, sind Sie bald wieder dort, wo Sie sich hinsehnen – in der Opposition!)

Weil Sie das nicht hören wollen, rufen Sie jetzt dazwischen. Dennoch bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vor allen Dingen bedanke ich mich für die engagierte Arbeit unserer Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in dieser Art und Weise von Durchlässigkeit im Schulsystem NordrheinWestfalens redet, der denkt auch noch, dass die Erde eine Scheibe ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die FDP wird bei dieser Wahrnehmung der Realität in den Schulen sicherlich an der Kante herunterfallen. Bildung ist dieser Regierung angeblich unglaublich viel wert – das haben wir schon mehrfach gehört –; noch nie sei so viel Geld in die Bildung unserer Kinder investiert worden.

Schaut man sich das aber einmal genau an, dann ergibt sich ein anderes, viel nüchterneres Bild. Sicherlich sind die Personalausgaben um mehr als 489 Millionen € gestiegen. Aber den Löwenanteil machen die gestiegenen Pensionskosten aus. Eigentlich müsste die Botschaft daher korrekt heißen: Noch nie ist so viel Geld in Pensionen geflossen. Natürlich haben alle, die in den Ruhestand gegangen sind, sich dieses redlich verdient. Aber verkaufen Sie diese Steigerungen bitte nicht als Aktivposten in den derzeitigen Bildungsbiografien der Kinder oder als Investition in die Zukunft!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Natürlich wurden mit diesem Haushalt tatsächlich neue Stellen geschaffen, zum Beispiel 647 Stellen für den Ganztagsbereich und 25 Stellen für Schulpsychologinnen. Insgesamt sind es genau 927 Stellen. Aber diese Stellen ändern überhaupt nichts an den Grundbedingungen einer Schulklasse, Frau Ministerin. Da tut sich dadurch gar nichts. Das sind nämlich hauptsächlich Stellen für den Ganztag.

Die Schüler-Lehrer-Relation verbessern Sie auch, aber vor allen Dingen – und das ist ein bildungspolitischer Skandal – einseitig in der Sekundarstufe II an Gymnasien, nicht an den Gesamtschulen.

(Beifall von den GRÜNEN)

So sieht es in diesem Land unter Schwarz-Gelb mit der Bildungsgerechtigkeit aus!

Aufschluss darüber, wo der Schlüssel zu mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Chancengleichheit und mehr dringend benötigtem volkswirtschaftlichem Nutzen ist, gibt die Studie von Prof. Wößmann im Auftrag der Bertelsmann Stiftung mit dem Titel: „Was unzureichende Bildung kostet“. Professor Wößmann rechnet in seinem Szenario akribisch vor, welche Folgekosten durch entgangenes Wirtschaftswachstum anfallen, wenn wir die Bildungskrise nicht in den Griff bekommen. NRW ist für ihn einer der Problemfälle. Seinen konservativen Berechnungen zufolge würde dem Land allein bis 2050 ein zusätzlich erzeugtes Bruttoinlandsprodukt in Höhe von fast 148 Milliarden € entgehen. NRW ist eines der Bundesländer, die von einer tiefgreifenden Reform am meisten profitieren würden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu müssen die folgenden Bereiche in Angriff genommen werden. Es geht darum, die Bildungsbenachteiligung abzubauen und sich auf eine hochwertige, breite Grundbildung zu konzentrieren, ohne Spitzenleistungen zu vernachlässigen.

Erstens: qualitativ hochwertige frühkindliche, altersgemäße vorschulische Bildung.

Zweitens: Unterricht in heterogenen Lerngruppen. – Prof. Wößmann betont das ausdrücklich. Es muss in Nordrhein-Westfalen ein längeres gemeinsames Lernen und eine konsequente Individualisierung geben.

Drittens: konsequente Selbstständigkeit und begleitende Evaluation der Schulen.

Viertens: intensive Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte.

(Beifall von den GRÜNEN)

In all diesen Handlungsfeldern haben Sie nur Stückwerk vorgelegt, und Sie verweigern in einer ideologischen Blockadehaltung den konsequenten Umbau des Bildungssystems, das auf Sortieren, soziale Auslese und Abgrenzung setzt, hin zu einem Bildungssystem, in dem nicht mehr danach gefragt wird, ob das Kind zu einer Schulform passt. Diesen Paradigmenwechsel müssen wir endlich hinbekommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn das mit Ihnen nicht möglich ist, muss es die neue Landesregierung, die andere Verantwortliche haben wird, endlich auf den Weg bringen.

(Ralf Witzel [FDP]: Wovon träumen Sie nachts?)

Ja, Herr Witzel, Ihre Zeit ist abgelaufen.

(Beifall von den GRÜNEN)