Protocol of the Session on December 2, 2009

Daher klingt es zunächst plausibel, dieser Gruppe von Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang in die Rente – nichts anderes suggeriert der Begriff – zu ermöglichen.

Die Praxis der Altersteilzeit sieht leider völlig anders aus. Das ist keine neue Erkenntnis, sie wird aber jetzt noch einmal durch eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg untermauert.

Ich fasse die wichtigsten Erkenntnisse zusammen:

Das Altersteilzeitmodell dient eben nicht dem gleitenden Übergang in die Rente, sondern es dominiert das Blockmodell, was faktisch nichts anderes heißt als eine Form der Frühausgliederung aus dem Betrieb.

Nur 28 % der Nutzer von Altersteilzeit kommen aus einem Beruf mit hohen körperlichen Belastungen. Diese Arbeitnehmergruppe scheidet eher über den Weg der Erwerbsminderungsrente aus dem Berufsleben aus.

Es handelt sich im Kern bei der Gruppe, die in Altersteilzeit geht, überwiegend um Büroangestellte. Im IAB-Bericht heißt es:

Die ursprünglich anvisierte Zielgruppe wird nur selten erreicht. Denn insbesondere Beschäftigte mit unterdurchschnittlicher Belastung am Arbeitsplatz sowie Personen mit höheren Einkommen nutzen die Altersteilzeit.

Die geförderte Altersteilzeit ist nicht nur von Jahr zu Jahr teurer geworden, die Ausgaben der BA sind seit Einführung der Altersteilzeit von 1996 bis 2007 auf 7,2 Milliarden € gestiegen. Hinzu kommen Profiteure, vor allem Großbetriebe. Ein Drittel der Altersteilzeitplätze entfällt allein auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die sich bei uns in erster Linie darum kümmern, dass Arbeitsplätze entstehen und bestehen bleiben, kommt Altersteilzeit demnach eher nicht infrage.

Es hat sich außerdem herausgestellt, dass Altersteilzeit im Durchschnitt zwei Jahre früher Rente bedeutet als bei anderen Arbeitnehmern. Das kann angesichts der demografischen Entwicklung auch nicht wünschenswert sein. Wir wollen und brauchen mehr ältere Mitarbeiter in den Betrieben. Das jahrelang praktizierte Verjüngen von Personal können wir uns angesichts des drohenden Fachkräftemangels nicht mehr leisten. Wir müssen die Arbeitskraft dieser Mitarbeiter wertschätzen und dies auch zeigen, indem wir lebenslanges Lernen und gesundes Arbeiten gleichermaßen unterstützen.

Um die Folgen der Wirtschaftskrise zu reduzieren, ist das Instrument der Altersteilzeit aus den genannten Gründen eben nicht geeignet. Wenn man eine sozial verantwortliche und angemessene Arbeitsmarktpolitik betreiben will, bleibt einem nichts

anderes übrig, als den Antrag der SPD abzulehnen. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Tenhumberg, Sie haben unseren Antrag zwar erst heute Nachmittag auf den Tisch bekommen, aber wir hatten die Diskussion vor einiger Zeit schon einmal. Unser Antrag enthält im Grunde genommen dieselben Kernbotschaften und nur geringfügige Änderungen. An dem Thema hat sich nach wie vor nichts verändert, also dürfte er Sie nicht überraschen; denn dazu haben Sie sich, soweit ich mich erinnere, schon einmal geäußert. Daher hätten Sie sich auch inhaltlich dazu entfalten können.

Wir können dem Antrag der SPD, Verlängerung der Altersteilzeit, so nicht zustimmen und ihn nicht unterstützen – dazu haben einige meiner Vorredner schon etwas gesagt –, weil wir ein großes Problem damit haben: Was ist eigentlich Anspruch und Absicht dieses Systems, und was ist die Realität?

Zur Absicht: Mit dem Altersteilzeitgesetz wollte man eigentlich älteren Menschen, die sich in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt fühlen, einen gleitenden Übergang vom Berufsleben in die Rente ermöglichen und gleichzeitig jüngeren Menschen die Chance geben, langsam in die entstehende und anwachsende Lücke einzusteigen. Man wollte damit das Wissen, das Know-how im Unternehmen halten und den Menschen das abrupte Ende, von heute auf morgen in die Rente zu gehen, gleitend ermöglichen.

Das ist aber nicht das, was in der Realität in der Umsetzung dieses Gesetzes passiert, sondern gewählt wird die zweite Variante, die Blockvariante – ich arbeite voll, bekomme „weniger“ Geld, kriege es über die BA aufgestockt und arbeite irgendwann, wenn ich den Block abgearbeitet habe, gar nicht mehr –, die ein reines Frühverrentungssystem ist. Das ist die Variante, die überwiegend in Anspruch genommen wird. Die Zahlen sind eben schon genannt worden; sie stehen aber auch in unserem Antrag. Nach wie vor nutzen rund 90 % die Blockvariante.

Das heißt: Überhaupt nur 10 % nehmen die eigentliche Absicht dessen, was dieses System bewirken sollte, in Anspruch, und darunter ist nur zu einem Teil die Gruppe, die man eigentlich mit diesem Gesetz erreichen wollte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Zweite ist – das habe ich damals schon gesagt; der Kollege Schmeltzer hat mich eben zitiert –, dass nur ein ganz geringer Teil, 30 bis 40 %, der Stellen überhaupt neu und mit jungen Menschen wiederbesetzt wird. Sehr viele der über Altersteilzeit frei gewordenen Stellen wird also überhaupt nicht wieder besetzt, was die zweite Absicht war: gleitender Übergang – Neubesetzung.

Daher ist das Altersteilzeitgesetz in der vorliegenden Form aus unserer Sicht unzureichend. Die Absicht und die Zielsetzung halte ich nach wie vor für richtig und wichtig.

Deswegen haben wir damals wie heute beantragt, dass man sich von Landesebene aus im Bund dafür einsetzt, eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, die einen flexiblen Übergang zwischen Erwerbsleben und Ruhestand ermöglicht, aber die Frühverrentungsschiene, die jetzt überwiegend genutzt wird, auszuschließen. Damit haben wir kein Problem. Das halten wir für den richtigen Weg. Dafür würden wir uns auch weiterhin einsetzen.

Deswegen, Herr Tenhumberg, können Sie unserem Antrag ganz problemlos zustimmen, weil das im Grunde genommen das ist, was Sie inhaltlich an der einen oder anderen Stelle gesagt haben. Wir wollen, wie gesagt, ein System, das wirklich die Absicht weiter beinhaltet. Das, was wir haben werden, wenn das Gesetz einfach so ausläuft, reicht nicht aus. Von daher muss man die eine oder andere Maßnahme sehr wohl noch ergreifen. Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen könnten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst noch einmal zu dem Antrag der SPD zur Altersteilzeit. – Ich glaube, dass wir nach jetzt fast 20 Jahren Vorruhestandspolitik erkennen müssen, dass es eine Mär war zu glauben, man könnte die Älteren – egal wie ausgestattet – in den Vorruhestand bringen und die Jüngeren würden eingestellt. Das System hat nicht funktioniert.

Der Vorruhestand ist in diesem Land dazu genutzt worden – insbesondere auch von öffentlichen Verwaltungen, aber auch von den großen Wirtschaftsunternehmen –, den Personalabbau auf Kosten der Sozialkassen zu organisieren. Das mag in einer bestimmten Phase der Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft auch vielleicht ganz nützlich gewesen sein. Es war nicht alles verkehrt. Aber die Dinge sind so abgelaufen wie eben beschrieben.

Denn da, wo die Altersteilzeit oder andere Vorruhestandsmodelle am meisten genutzt worden sind, verzeichnen wir den stärksten Personalabbau.

Zweiter Punkt. Die über die BA geförderte Altersteilzeit ist eine besondere Spezies dieser Politik. Wir haben in Deutschland knapp eine halbe Million Fälle Altersteilzeit – alle ohne Förderung durch die BA. Und wir haben zusätzlich etwa 100.000 im Jahr, die von der BA gefördert werden. Das sind nicht einmal 20 % der Altersteilzeitverträge, die unterschrieben werden. Für diese 20 %, für diese 100.000, geben wir 1,3 Milliarden € an Beitragsmitteln der Bundesagentur für Arbeit aus. Im Schnitt liegt die Förderung durch die BA pro Jahr bei 13.000 €. Da die durchschnittliche Altersteilzeit über fünf Jahre geht, liegt der Förderbetrag bei 65.000 €.

Liebe Leute, kann man wirklich für ein Fünftel der Fälle eine solche Privilegierung gegenüber vier Fünfteln der Fälle, die ohne Förderung der BA auskommen, aufrechterhalten und das guten Gewissens gegenüber den anderen Beitragszahlern verantworten?

(Beifall von der CDU)

In der Politik ist es so, dass dies nur noch zwei Parteien wollen: Das sind die Linken und die SPD. Alle anderen sehen mittlerweile ein – das sehen wir auch an dem Antrag der Grünen –, dass sie diese Förderung der Altersteilzeit für nicht mehr zweckmäßig und einfach für eine Überprivilegierung eines bestimmten Teils der Altersteilzeit halten.

Außerdem wissen wir, wo die geförderte Altersteilzeit stattfindet, und zwar da, wo überdurchschnittlich verdient wird und da, wo wir überdurchschnittlich große Verwaltungs- oder Betriebseinheiten haben.

Sie können noch so viele Anträge stellen wie Sie wollen. Die Landesregierung von NordrheinWestfalen ist der Meinung, dass es dabei bleiben soll, dass Ende dieses Jahres diese Förderung ausläuft.

Was bleibt, ist die Förderung der Altersteilzeit über Steuern und über Beiträge. Davon profitieren ja alle Altersteilzeitfälle. Wenn das gut 500.000 Menschen im Jahr machen, haben wir Steuer- und Beitragsausfälle von ca. 900 Millionen €. Das ist immer noch eine gewaltige Privilegierung.

Ich glaube, dass die Tarifvertragsparteien gut beraten wären – das sollte man allerdings nicht gesetzlich vorschreiben –, weg von der Verblockung mehr zu einem gleitenden Übergang in den Ruhestand zu gehen, wie das einmal vorgesehen war.

(Beifall von der CDU)

Davon sind ja fast alle noch ganz weit weg. Denn dass die Älteren ihre Kompetenz in den Betrieben lassen, geht doch nur über Gleiten. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir die Blockmodelle nicht mehr überprivilegiert fördern sollten. Von daher

bleibt die Landesregierung dabei, dass sie kein Problem damit hat, dass diese Förderungsart Ende dieses Jahres ausläuft.

Es ist meines Erachtens richtig, dass man in den nächsten Monaten über Teilrenten und die Frage, wie man mit Tarifverträgen und Teilrenten auf bestimmte Probleme der Verlängerung der Lebensarbeitszeit reagieren kann, diskutieren muss. Nur, meine Damen und Herren: Wir fangen 2012 überhaupt erst mit der Verlängerung an. 2030 kommen wir dann bei 67 an, sodass sich die Frage der Rente mit 67, wenn man einmal ehrlich ist, so akut gar nicht stellt.

Herr Schmeltzer, Sie können in der nächsten Sitzungswoche wieder Anträge zu diesem Thema stellen; das ist Ihr gutes Recht. Aber es wird diesen Anträgen so ergehen, wie es ihnen ergehen muss: dass sie schlicht und ergreifend – so hoffe ich – von der Mehrheit des Parlamentes abgelehnt werden. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht, sodass wir dann auch zur Abstimmung kommen können.

Die antragstellende Fraktion der SPD hat um direkte Abstimmung über ihren Antrag gebeten. Wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 14/10141 zustimmen möchte, möge bitte mit der Hand aufzeigen. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der CDU, der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung des Abgeordneten Sagel. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Als Nächstes lasse ich über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/10355 abstimmen. Wer dem Inhalt dieses Entschließungsantrages seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. –

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Herr Laumann, aufzeigen!)

Das sind die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Enthaltungen? – Das sind die Fraktion der SPD und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Damit ist der Antrag ebenfalls abgelehnt.

Als nächsten Tagesordnungspunkt rufe ich auf:

4 Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen, zur Steigerung der Fördermöglichkeiten der NRW.BANK und zur Änderung anderer Gesetze

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksachen 14/9394 und 14/9931

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen und Verkehr Drucksache 14/10158