Protocol of the Session on December 2, 2009

Selbstverständlich wäre es auch uns lieber, wenn wir in diesem Bereich größere finanzielle Sprünge machen könnten, aber wenn man die Altlasten einer Vorgängerregierung übernehmen muss und dann noch von einer der schwersten Wirtschaftskrisen aller Zeiten erwischt wird,

(Gerda Kieninger [SPD]: Im Schuldenmachen sind Sie aber auch nicht schlecht!)

ist es wichtiger, eine dauerhafte Bereitstellung der Grundstrukturen zu gewährleisten, als über Generationen hinweg Schulden zu machen,

(Gerda Kieninger [SPD]: Da haben Sie uns bei Weitem übertroffen!)

bis schließlich der strukturelle Totalzusammenbruch passiert.

Meine Damen und Herren von der Opposition, mit Ihrer Politik hätten wir das Unternehmen NordrheinWestfalen bereits insgesamt dichtmachen können.

In schwierigen Zeiten gilt es, die Grundstrukturen zu erhalten. Dies ist mit dem Haushaltsentwurf 2010 gesichert. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Steffens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pieper-von Heiden, Sie können versuchen, den Frauenhaushalt so lange schönzureden, wie es eben geht. Aber das glaubt Ihnen in diesem Land sowieso niemand mehr, denn dieser Frauenhaushalt ist nicht schön.

Wenn Sie die Augen nicht schließen, sondern aufmachen würden, würden Sie zum Beispiel bemerkt haben, dass es eine breit getragene Kampagne „Schwere Wege leicht machen“ in diesem Land gibt. Das ist keine Kampagne, die allein von den autonomen Frauenhäusern ausgeht, sondern sie umfasst mittlerweile alle Frauenhäuser.

Es gibt etliche Solidaritätsschreiben der unterschiedlichsten Verbände dazu. Mit diesem Aufruf und dieser Kampagne wird Alarm geschlagen, weil dieser Frauenhaushalt für die Frauenhäuser keine verbindliche Finanzierung vorsieht, wir aber eine verbindliche Finanzierung brauchen. Deswegen ist das reine Schönrederei.

Ich will es noch einmal an dem Beispiel deutlich machen, weil ich glaube, dass es für die Menschen dadurch am besten erlebbar ist. Sie haben im Bereich der Frauenhäuser gekürzt. Der Minister kann sich hierher stellen und sagen, die Zuwächse im Kinder- und Jugendbereich seien erfreulich. Es mag nett sein, wenn im Kindergartenbereich mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss und auch wird, aber im Bereich der Frauenhäuser haben Sie im letzten Haushalt gekürzt. Sie gleichen das hier nicht aus, obwohl mittlerweile noch eine Kostensteigerung hinzukommt.

Jedes Jahr suchen über 10.000 Frauen und Kinder in Notsituationen Frauenhäuser in NordrheinWestfalen auf. Wir wissen, in diesem Bereich gibt es mittlerweile extreme Probleme, um gerade die Kinder, die Ihnen in Ihrer Rede vorhin noch so am Herzen gelegen haben, in den Frauenhäusern zu begleiten und ihnen zu helfen. Sie sind zum Teil hoch traumatisiert und brauchen Unterstützung. Bei dem Personalabbau in Nordrhein-Westfalen ist das nicht möglich.

Die Frauenhäuser schlagen Alarm. Sie müssen Frauen mit Kindern zum Teil abweisen. Sie können sie nicht aufnehmen, weil sie keine entsprechende Betreuung anbieten können. Das ist unverantwortlich. Deswegen wollen wir eine kontinuierliche und

dauerhafte Finanzierung, zumindest aber erst einmal eine Aufstockung, damit die notwendige Beratung, Hilfe, Unterstützung und Zuflucht bereitgestellt werden kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Laschet, Sie haben im Ausschuss mittlerweile selbst eingeräumt, dass es nicht geht, dass man für mehr Arbeit seit Jahren dasselbe Geld bekommt, obwohl die Tarifvereinbarungen zu Mehrkosten geführt haben und die Miet- und Energiekosten ebenfalls gestiegen sind.

Man kann es am Beispiel der Frauenberatungsstellen, aber auch an den Frauennotrufen verdeutlichen. Mit den gleichen finanziellen Mitteln kann die gleiche Arbeit und Leistung nur erbracht werden, wenn sich die Beschäftigten selbst ausbeuten, wenn sie an vielen Stellen unentgeltlich arbeiten. Andernfalls kann man die gleiche Leistung nicht mehr erbringen. Das wäre ein Problem.

Am Beispiel Notrufe kann man sehen, wie viele Aufgaben hinzugekommen sind: durch Stalking, durch Probleme mit K.-o.-Tropfen, durch Genitalverstümmelung und Zwangsheirat. – All diese Aufgaben kommen hinzu, müssen geleistet und erbracht werden. Deswegen brauchen wir mehr Geld.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das gilt auch für die spezialisierten Beratungsstellen. Für Nordrhein-Westfalen brauchen wir dringend zumindest zwei Beratungsstellen für Genitalverstümmelung, weil das Problem in NordrheinWestfalen existiert. Davor können wir die Augen nicht verschließen.

Wir haben aber noch zwei weitere Bereiche, die aus meiner Sicht eine massive frauenpolitische Rolle spielen. Zum einen handelt es sich um den Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Das geht in dieser Form aus unserer Sicht nach wie vor nicht.

Sie haben mit der gesetzlichen Änderung festgeschrieben, dass multiprofessionelle Teams mit Ärzten perspektivisch nicht mehr möglich sind, sondern nur dort existieren, wo noch Ärztinnen vorhanden sind. In dem Moment, in dem diese die Stelle wechseln oder aus Altersgründen ausscheiden, entfällt dieser Bereich. Das ist aus unserer Sicht nicht mit dem Gesetz vereinbar, weil die fachliche Beratung durch Ärzte erbracht haben muss.

Ich weiß, dass wir im Ausschuss seit einiger Zeit darüber streiten. Wir werden das noch an anderer Stelle klären lassen; denn Sie befinden sich auf dem Holzweg. Sie bringen die Frauen um die Rechte, die sie aus unserer Sicht haben.

Für noch problematischer halte ich einen anderen Bereich. Dazu haben wir gerade neue Richtlinien

bekommen. Es gab ein Wohnungslosenprogramm in Ihrem Ministerium. Bei allen Anhörungen wurde von den Expertinnen und Experten gesagt, dass es dringend notwendig ist, in diesem Bereich Angebote gerade für Frauen zu unterbreiten. Das ist nicht passiert. Obwohl Ihnen das Geld vom Parlament zugewiesen worden ist, haben Sie das Programm ein ganzes Jahr lang ausgesessen. Sie haben nichts umgesetzt.

Zum Ende des Jahres haben Sie jetzt eine Vorlage vorgelegt, wie Sie sich die Abwicklung vorstellen. Auf einmal können auch wieder andere Bereiche aus dem Programm finanziert werden, die gar nicht dazu gehören. Dieses Programm ist bei Ihnen völlig falsch aufgehoben. Wir würden es für richtig halten, dass die Wohnungslosen dem Ministerium von Herrn Minister Laumann zugeordnet werden. Dort ist zumindest die notwendige Sozialkompetenz für diese Personengruppe vorhanden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Jetzt hat Herr Minister Laschet das Wort.

(Zuruf von der SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Steffens sagt am Ende immer, Herr Laumann habe mehr Empathie und die Dinge seien bei ihm besser aufgehoben.

Wir glauben, das Programm ist ein gutes Programm.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Was Sie gerade kritisiert haben, müssten wir vielleicht im Ausschuss noch einmal vertiefen.

Der vorliegende Haushaltsentwurf im Etat der Frauenpolitik ist eine gute Grundlage in wichtigen Handlungsfeldern. Dazu gehört zunächst die Frage der beruflichen Gleichstellung. Nicht zuletzt die immer noch bestehende Lohndifferenz zeigt deutlich, wie schwierig es ist, hier zu einer wirklichen Gleichstellung zu kommen. Darum wollen wir die Ursachen der Ungleichheit mit neuen Projekten, aber auch mit der Fortführung erfolgreicher Projekte angehen.

So steht die Überwindung der ungleichen Bezahlung bei unserem Projekt im Mittelpunkt, das den etwas langen, aber aussagekräftigen Namen trägt „Geschlechtsspezifische Entgeltungleichheit: Entwickeln und Erproben von Lösungsansätzen in der betrieblichen Praxis“. Es kommt darauf an, in der Praxis neue Ansätze zu entwickeln. Dem dient dieses Projekt. Nordrhein-Westfalen ist damit eines von ganz wenigen Ländern in Deutschland, die sich nicht mit flankierenden Maßnahmen wie zur Berufswahl oder zum Aufstieg begnügen, sondern

unmittelbar bei den verborgenen diskriminierenden Mechanismen ansetzen.

Das Zweite sind Nachteile durch Berufsunterbrechung, die ebenfalls Ursache für die Lohndifferenz sind. Frau Kollegin Westerhorstmann hat das schon angesprochen. Die Internetplattform Forum W und die regionalen Maßnahmen wie das Netzwerk W wirken ebenso wie der massive Ausbau der Kinderbetreuung, der es vielen Müttern ermöglicht, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. In der Frauenpolitik geht es vor allem um die Frauen, die beides miteinander vereinbaren. Gleichermaßen stellen wir über das Elterngeld fest, dass sich zunehmend auch Väter der Kinderbetreuung widmen.

Wichtig ist auch das Projekt zur Unterstützung von Frauen in Forschung und Technik. Frau Pieper-von Heiden hat eben schon darauf hingewiesen, was allein im Etat des Wissenschaftsministers passiert. Auch hier haben wir begleitende Projekte zur Unterstützung von Frauen in Forschung und Technik. Dies gilt gerade im Hinblick auf Weichenstellungen bei der Berufswahl.

Das Jahr 2009 war ein ganz besonderes, da wir den Vorsitz in der GFMK hatten, der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz der deutschen Länder. Wir haben in dem Punkt Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, Frauen und Integration, in diesem Jahr wichtige Impulse gesetzt. Die gesellschaftliche Teilhabe ist eine ganz wichtige Frage, der wir uns in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen, dem Frauenrat und dem Netzwerk von Frauen und Mädchen mit Behinderungen auch in Zukunft stellen werden.

Lassen Sie mich mit dem sehr wichtigen Bereich Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen schließen. Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen bleibt leider nach wie vor eine wichtige und unverzichtbare Aufgabe der Gleichstellungspolitik. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht wieder einmal die Frage, ob unser derzeitiges System der Finanzierung der Frauenhäuser nicht durch eine bundeseinheitliche, einzelfallunabhängige Finanzierung abgelöst werden könnte. Das ist eine Frage, welche die Frauenpolitik seit Jahrzehnten beschäftigt; zum ersten Mal ist 1985 auf dem bundesweiten Frauenhauskongress über diese Frage diskutiert worden.

Ich sehe heute weder die rechtlichen – weil es keine Bundeszuständigkeit gibt – noch die politischen Konsensmöglichkeiten im Hinblick auf diese Frage. Wir haben das Thema bei der Frauenministerkonferenz in Nordrhein-Westfalen zur Debatte gestellt, aber es gibt keinen einzigen Kollegen und keine einzige Kollegin aus den anderen Ländern, der oder die eine völlig neue Systematik auch nur im Ansatz befürworten würde. Ich warne vor der Illusion, dass eine bundesweite Regelung die Situation hier in Nordrhein-Westfalen verbessern würde. Ich befürchte eher eine Standardabsenkung, denn immer

hin fördern wir auf Landesebene mit der Vorhaltung von drei festen Stellen nach wie vor auf sehr hohem Niveau.

Entgegen anderslautender Behauptungen – wie eben wieder von Frau Meurer vor dem Plenum des Landtags geäußert – findet jede Frau, die es wünscht, in einem Frauenhaus Schutz und Hilfe. Keine Frau wird abgewiesen. Es gibt freie Plätze, die sie zu jeder Minute, auch im Internet, abrufen können.

(Helga Gießelmann [SPD]: Aber nicht immer in erreichbarer Nähe!)

Wenn Sie, nachdem Sie den Saal verlassen haben, das Internet aufrufen, sehen Sie, wo es freie Plätze gibt. Insofern sollten wir die Frauen nicht verunsichern. Es gibt freie Plätze, und keiner wird abgewiesen.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Man muss sich auch noch einmal den Querschnittscharakter der Politik klar machen. Durch das Gesetz, auf dessen Grundlage inzwischen derjenige, der schlägt und Gewalt ausübt, der Wohnung verwiesen wird, haben wir in Nordrhein-Westfalen – das hat der Innenminister kürzlich noch einmal deutlich gemacht – 10.000 Wohnungsverweisungen. Das bedeutet, dass 10.000 Frauen weniger den Weg ins Frauenhaus gehen müssen und der Mann, der geschlagen hat, die Wohnung verlassen muss.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Es ist doch gut, nicht nur Hilfe in Notlagen zu finanzieren, sondern Strukturen herzustellen, die solche Gewalttaten unmöglich machen.