Protocol of the Session on November 5, 2009

Daran werden wir sicherlich arbeiten.

Lassen Sie mich auch ein paar Sätze zur Gewerbesteuer sagen, weil Sie das Thema aufgegriffen haben, Herr Becker. Im Antrag der SPD lese ich, das ganz Schlimme an der Einkommenssituation der Städte und Kommunen sei das Minus von 22 % bei der Gewerbesteuer bis zum September 2009. Das ist richtig, ja. Das müsste Sie doch eigentlich veranlassen, darüber nachzudenken, dass eine solch

volatile Steuer für das gleichmäßige Geschäft der Kommunen mit relativ gleichmäßiger Inanspruchnahme der Finanzen wirklich verändert werden muss.

(Beifall von CDU und FDP)

Diese Steuer ist so volatil, dass sie in den Jahren 2006, 2007 und 2008 raketenartig gestiegen ist und im Jahr 2009 bis Ende September um 22 % zurückgefallen ist. Es muss Ihnen doch klar sein, dass man eine solche Steuer für das Geschäft der Kommunen eigentlich nicht haben darf. Jeder von uns weiß aber, dass dafür ein vollständiger Ersatz geliefert werden muss. Bitte stellen Sie es nicht infrage! Was Sie hier erzählen, ist gegen jedes bessere Wissen.

Richtig ist: Hätten die Kommunen einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer, würden Sie sicherlich besser fahren, weil es eine im Verlaufe der Jahrzehnte stetig, aber nicht mit enormen Ausschlägen wachsende Steuer ist. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich die Steuereinnahmen des Landes ansehen, dann sehen Sie genau, dass die Umsatzsteuer sogar in dieser schwierigen Situation die einzig stabile Steuer ist. Die Kommunen würden davon natürlich wesentlich mehr profitieren.

Es ist meines Erachtens möglich – wenn Sie ein bisschen darüber nachdenken –, in solch schwierigen Zeiten über die Gewerbesteuer zu sprechen. Wenn sie in konjunkturell boomenden Zeiten raketenartig steigt, finden Sie dafür kein Echo. Ich verstehe nicht, warum reflexartig immer dasselbe wie in 2003 behauptet wird, wenn man doch den Zeitablauf sieht und eigentlich klüger geworden sein müsste.

Gestatten Sie zwei Zwischenfragen? Die erste wäre von Herr Kollegen Becker.

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Kollege Becker.

Herr Minister, vor dem Hintergrund Ihrer gerade gemachten Ausführungen möchte ich Sie gerne fragen: Können Sie uns wenigstens ansatzweise erklären, wie der vollständige Ersatz vor dem Hintergrund aussieht, dass es sich bei der Gewerbesteuer um eine Steuer mit eigenem Hebesatzrecht bei den Kommunen handelt, während alle anderen Steuerzuweisungen und abtretungen, die Sie bis jetzt genannt haben, immer im Belieben des Bundes und der Länder stünden? – Dies würde meiner Ansicht nach insbesondere vor dem Hintergrund der verfassungsmäßig eingeführten Schuldenbremse dazu führen, dass diese Zu

weisungen immer zulasten der Kommunen reduziert würden.

Herr Becker, wenn feste Sätze vereinbart sind, wurden diese bisher auch nicht in Frage gestellt.

(Horst Becker [GRÜNE]: Doch, davon kenne ich mehrere!)

Nein. Bei der Umsatzsteuer ist die Verteilung so: Wir verhandeln jetzt zum Beispiel wieder, um eine Kindergeldregelung hinzubekommen, über Festbeträge oder Umsatzsteuerpunkte. Sie wissen, dass jeder Bundesfinanzminister ungern Umsatzsteuerpunkte abgibt, weil er von der Dynamik selber profitieren möchte. Schlechtestenfalls wird es aus meiner Sicht also auf Festbeträge hinauslaufen.

Wenn es vereinbart wird, ist es vereinbart und wird nicht entgegen der Vereinbarung infrage gestellt. Bezüglich der Umsatzsteuer kann ich die Frage so klären.

Zuschläge bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer sind meines Erachtens auch ein Mittel. Herr Körfges, ich glaube, Sie hatten die Ungleichheit der Lebensverhältnisse angesprochen. Sie ist jetzt in hohem Maße gegeben. Vergleichen Sie Düsseldorf mit Oberhausen, dann wissen Sie, was los ist. Das ist natürlich immer ein Verdienst des jeweiligen Bürgermeisters oder eben die schlechte Leistung des jeweiligen Bürgermeisters, völlig klar.

(Bodo Wißen [SPD]: Soweit ich weiß, war Herr Wittke mal in Gelsenkirchen Bürger- meister!)

Sie würden sicherlich nicht diese wahnsinnig große Ungleichheit haben, wenn Sie mit Zuschlägen bei Körperschaft- und Einkommensteuer arbeiten würden. Herr Becker, lassen Sie uns wenigstens einmal darüber nachdenken! Es könnte die Situation der Kommunen verstetigen und darum – meine ich – auch verbessern.

In ihrem Antrag wird beklagt, dass die Gewerbesteuereinnahmen um 22 % gesunken sind. Gleichzeitig wird dagegen gewettert, dass jemand darüber nachdenkt, ob wir bei der Gewerbesteuer und der Ausstattung der Kommunen irgendetwas ändern können.

Herr Minister, es gibt noch eine zweite Zwischenfrage.

Gehen Sie bitte davon aus, dass wir den Versuch machen – dafür wurde auch eine Kommission eingesetzt –, mit den Kommunen in ein Boot zu kommen. Wir müssen es mit ihnen gemeinsam lösen. Natürlich wollen wir es nicht gegen die Kommunen durchsetzen. Das ist schon im Jahr 2003 gescheitert, weil

man annahm, ein Konjunkturaufschwung kommt, und dann kann man schlecht darüber reden. Aber vielleicht kann man jetzt darüber reden.

Nehmen wir die zweite Zwischenfrage auch noch?

Ja.

Sie sind einverstanden. – Bitte schön, Herr Kollege Groth.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Linssen, dankenswerterweise haben Sie gerade zugegeben, dass diese Diskussion zuletzt – es ist ja nicht das einzige Mal gewesen, dass über diese ideologischen Vorstellungen der FDP diskutiert worden ist – im Jahr 2003 unter anderem daran gescheitert ist, dass man auf der Seite der Kommunen keinen vollständigen Ersatz gesehen hat.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Sie haben eben ja sehr deutlich gemacht, dass die Gewerbesteuer eine volatile Steuer ist, also Aufschläge nach oben und nach unten aufweist. Dem widerspricht auch niemand. Wäre es, weil alle diese Gespräche längst gescheitert sind und alle Sachverständigen sich längst dagegen entschieden haben, die Diskussion über einen solchen Reformprozess, wie er schon im Jahr 2003 gescheitert ist, wieder einleiten zu wollen, vor dem Hintergrund dieser Ausschläge nicht besser, diese Diskussion in Kenntnis der alten Ergebnisse nicht noch einmal zu führen, weil dabei ohnehin nichts herauskommt, sondern stattdessen das Richtige zu tun, nämlich die Gewerbesteuer konjunkturunabhängiger zu gestalten?

Denn Sie wissen sehr genau, Herr Finanzminister, dass diese Steuer erst im letzten Jahrzehnt konjunkturabhängiger gemacht worden ist. Das ist die Frage. Geht es dann nicht darum, die Gewerbesteuer – mit den Elementen, die Sie rausgekegelt haben, insbesondere die CDU auf Bundesebene – wirklich konjunkturunabhängiger zu gestalten?

Bitte schön, Herr Minister.

Herr Groth, zunächst muss ich Ihnen antworten, dass längst nicht alle Sachverständigen Ihrer Meinung sind. Vielmehr gab es im Jahr 2003 ein ganz kontroverses Bild. Nur weil die Kommunen nicht zugestimmt haben, haben wir es so gemacht. Ich würde sogar fast sagen: Die Mehrzahl der Sachverständigen ist für eine Änderung.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ach!)

Natürlich, Herr Groth. Wenn Sie einmal in die Annalen schauen, werden Sie sehen, wie die Sachverständigen sich artikuliert haben.

Dann haben Sie gefragt, ob man dieses – aus meiner Sicht nicht auf Dauer geeignete – Instrument nicht so verstetigen könnte, dass man eine kontinuierliche Einnahme hat.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das war ein Vor- schlag der Sachverständigen!)

Dies würde bedingen, dass man noch mehr ertragsunabhängige Elemente in die Gewerbesteuer hineinnimmt. Da sage ich Ihnen ganz klar: So etwas ist mit mir nie zu machen. Das würde die Firmen nämlich sofort zum Exitus bringen.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

Überlegen Sie doch einmal, wie das heute ist. Deshalb hat Herr Steinbrück auch zu Recht eingesehen, dass wir zumindest für zwei Jahre darauf verzichten müssen, zum Beispiel die Zinsschrankenmodelle so wie bisher fortzuführen. Die jetzige Koalition hat sich dafür entschieden, es auf Dauer abzuschaffen. Denn was heißt das denn? In so schwierigen Zeiten wie heute sind Betriebe, die kein Geld verdienen und Verluste machen, dennoch dazu verurteilt, Gewerbesteuer zu zahlen. Damit wird die Liquidität der Firmen dermaßen geschädigt, dass Arbeitsplätze vernichtet werden! Deshalb ist dies kein Weg, lieber Herr Groth.

(Beifall von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen – ich wiederhole das, was ich schon gestern gesagt habe – in den Jahren 2009 und 2010 versuchen, mit allen möglichen Elementen, die auch zu höherer Verschuldung führen, das zarte Pflänzchen Konjunktur am Leben zu erhalten und die Konjunktur zu stärken; denn – das haben die Jahre 2006 bis 2008 gezeigt – wenn Sie ein anständiges Wachstum haben, erzielen Sie ordentliche Steuereinnahmen und können sich auch vieles leisten, was Sie sich vorher nicht leisten konnten.

Das Verheerendste wäre es, wenn Sie aufgrund Ihrer statischen Sicht jetzt so weitermachten wie bisher. Das würde auch nicht zum politischen Erfolg für Sie führen; dessen bin ich mir sehr sicher. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Linssen. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Wißen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Löttgen, Sie haben nach unseren Kon

zepten gefragt. Thema dieses Tagesordnungspunkts ist natürlich der Koalitionsvertrag im Bund, aber auch die Kommunalpolitik dieser Landesregierung. Da Sie auch von Kriegsromanen gesprochen haben, ist mir sofort „Krieg und Frieden“ eingefallen. Das ist allerdings eher ein Liebesroman. Im Zusammenhang mit Ihrer Frage nach Konzepten der SPD habe ich dann aber gedacht, dass wir daran erinnern müssen: Den wahren Liebesroman vom Land zu den Kommunen hat die SPD geschrieben,

(Lachen von der CDU – Rainer Lux [CDU]: Roman! – Der Redner hält eine Unterlage hoch.)

und zwar mit dieser Broschüre mit dem Titel „Stärkungspakt Stadtfinanzen“. Sie stellt die Situation der Kommunen hervorragend dar. Damit möchten wir ein Konjunkturprogramm für Kommunen auflegen und den arg gebeutelten Kommunen in diesem Land ein Sofortprogramm bieten; denn von Luftnummern haben die Kommunen in NordrheinWestfalen als dem größten Bundesland wahrlich nichts.

Der wahre Kriegsroman bzw. die wahre Kriegserklärung ist der Koalitionsvertrag auf Bundesebene. Dabei handelt es sich nämlich um eine Kriegserklärung von CDU und FDP an die Kommunen in Deutschland und insbesondere an die Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eigentlich müssten Sie Sachwalter der Interessen der Kommunen sein. So sieht es die Verfassung vor. So hat es die Föderalismuskommission auch noch einmal festgestellt. Sie, das Land und die Landesregierung, haben die Verantwortung für die Kommunen. Ich sage Ihnen: Sie handeln verantwortungslos. Eigentlich müsste man Ihnen deshalb das verfassungsrechtlich garantierte Sorgerecht für die Kommunen sofort entziehen. Ich prophezeie Ihnen auch, dass das spätestens im Mai 2010 geschehen wird.

Wenn der hier auf Landesebene stattfindende schwarz-gelbe Regierungsmurks als Blaupause für den Bund dienen soll, dann gute Nacht! Das sagen nicht nur wir als Opposition, sondern bis hin zum Landkreistag – da hat der Kollege Becker vollkommen recht; ich bin dort Mitglied des Präsidiums – ganz viele Beteiligte.