Als Zweites möchte ich noch anmerken: Wo bleiben Sie eigentlich mit den Positionen, die Sie uns im letzten Jahr mit schöner Regelmäßigkeit vorgetragen haben, ob bei Podiumsdiskussionen, bei Demonstrationen oder in diesem Hohen Hause, Herr Minister? Sie haben angeprangert, dass Berlin, dass das Gesundheitsministerium dafür sorgen soll, dass wir in der Krankenhausfinanzierung einen Bundesbasisfallwert bekommen. Herr Minister, in der Tat beschreiten wir seit Jahren den Weg von der Einzelfallfestlegung eines einzelnen Krankenhauses hin zu der Festlegung eines Landesbasisfallwertes. Und daraus hätte sich jetzt der nächste Schritt entwickeln können. Es war angedacht, zu einem Bundesbasisfallwert zu kommen.
Aber Ihre Kolleginnen und Kollegen Länderminister, insbesondere von der CDU, haben Nein gesagt. Jetzt stehen das Regionalisierungsprinzip und die Absage an den Bundesbasisfallwert definitiv schriftlich im Koalitionsvertrag. Was sagen Sie nun den Krankenhäusern? Auf welchen Sankt-NimmerleinsTag wollen Sie sie vertrösten? In dieser Legislaturperiode bekommen Sie ihn jedenfalls nicht mehr. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um das Thema Bundesbasisfallwert anzusprechen: Auch ich bin ein Anhänger des Bundesbasisfallwerts. Ich kriege ihn in meinen Organisationen, in denen ich sonst noch tätig bin, aber auch nicht durch, weil die Interessenlagen ganz unterschiedlich sind. Wahr ist trotzdem, dass in der letzten Legislaturperiode eine Konvergenz der Basisfallwerte auf Länderebene beschlossen worden ist. Insofern haben wir eine Annäherung, die heute für eine geringere Differenz der Landesbasisfallwerte sorgt, als wir sie früher hatten. Zu der Zeit, als sie groß war, hat die Vorgängerin von Herrn Minister Laumann hier noch erklärt, dass sie gar nichts von einem Angleichungsprozess halte. Insofern empfehle ich: Vorsicht an der Bahnsteigkante!
Die Bundesregierung – so überschreibt die SPD ihren heutigen Antrag – plant in der Gesundheitspolitik den Ausstieg aus der solidarischen Krankenversicherung. Der Landtag soll deswegen eine Reihe von Aufforderungen nach Berlin richten. Aber sollen wir das wirklich tun? Denn schon die Annahmen, die dem Ansinnen zugrunde liegen, sind entweder falsch oder schief.
Anders als von der SPD-Landtagsfraktion behauptet, enthält der Koalitionsvertrag weder den Ausstieg aus einer solidarischen Krankenversicherung noch den Einstieg in eine Zweiklassenmedizin, die den
Arbeitnehmer einseitig belastet. Soweit sich die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung künftig in Ergänzung zum bestehenden Beitragsverfahren auch auf einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge stützt, werden sie – das ist klarer Wortlaut des Koalitionsvertrags – sozial ausgeglichen. Im Koalitionsvertrag heißt es wörtlich:
Langfristig wird das bestehende Ausgleichssystem überführt in eine Ordnung mit mehr Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden.
Es bleibt also für die Union bei dem Ziel, die zukünftige Finanzierung in der gesetzlichen Krankenkasse generationengerecht, nachhaltig und sozial ausgewogen zu gestalten. Und wir halten an unserer Überzeugung fest, dass es dazu einer Entkopplung von den Lohnkosten bedarf – einer Überzeugung, die ihren Niederschlag übrigens auch im Koalitionsvertrag Nordrhein-Westfalen von 2005 findet.
Verehrte Frau Gebhard, ob Arbeitgeberbeitrag oder Arbeitnehmerbeitrag, ob einkommensabhängig oder einkommensunabhängig – letztlich muss doch ökonomisch jeder Beitrag, der über die Lohnkosten finanziert wird, zwingend von den Arbeitnehmern aufgebracht werden, weil es immer die Arbeitnehmer sind, die die wirtschaftliche Deckung für alle in den Arbeitskosten enthaltenen Beitragsanteile erarbeiten müssen.
Doch, Frau Steffens. Es ist immer die Produktivität der Arbeit, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die in den Arbeitskosten enthaltenen Anteile der Sozialversicherung finanzieren müssen. Es ist immer so.
So zu tun, als würde dies zwar für die Arbeitnehmerbeiträge gelten, für den Arbeitgeberbeitrag aber außer Kraft gesetzt sein – als könne der Arbeitgeber sich gewissermaßen vorstellen, dass dieser Teil der Arbeitskosten in seiner betrieblichen Kalkulation nicht wieder als Einnahme auftauchen muss –, lässt doch jedes betriebswirtschaftliche Verständnis vermissen. Gerade von Sozialdemokraten, die ein gewisses gewerkschaftliches Grundgerüst mitbringen, hätte ich erwartet, dass bei ihnen völlige Klarheit darüber herrscht, dass auch der Arbeitgeberbeitrag durch die Plackerei der Arbeitnehmer erwirtschaftet werden muss.
Weil das mit der Parität ja auch so ein Thema ist, sei nur am Rande darauf verwiesen, dass unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder, also in einer rot-grünen Regierungskoalition, die Parität der Beitragsfinanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgehoben wurde; denn die Einführung der heutigen 0,9%igen Sonderbeiträge erfolgte mit dem GKV-Modernisierungsgesetz aus dem Jahr 2003. Auch die Einführung der Kassengebühr in der einzelnen Praxis und die Erhöhung von Zuzahlungen für Arzneimittel erfolgten in dieser Zeit.
Was nun Ihr drittes Thema, den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, angeht, sei nur auf die Ausgabe der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ vom 5. Oktober 2009 verwiesen,
Ärzte und Krankenkassen plündern den Gesundheitsfonds: Scheinerkrankungen breiten sich aus, Milliardenbeträge werden mithilfe manipulierter Diagnosen falsch verteilt. Die neue Bundesregierung muss sich beeilen, das Problem in den Griff zu bekommen.
Ich sage ja nicht, dass dieses Ausplündern tatsächlich stattfindet. Angesichts einer solchen Darstellung muss es aber doch zum Schutz aller ein gemeinsames Ziel sein, die Ausgestaltung des Morbi-RSA auf das notwendige Maß zu bringen und ihn zu vereinfachen sowie unbürokratisch und unanfällig für Manipulationen zu gestalten. Darüber müssen wir untereinander doch nicht in Streit geraten.
Nach meinem Gefühl formulieren Sie heute den ganzen Tag über in allen Ihren hier gestellten Anträgen – in der nächsten Zeit wird das vielleicht auch so bleiben – immer wieder dasselbe Mantra: das Mantra von der Kälte, die durchs Land zieht; das Mantra von dem Sozialstaat, der aufgegeben wird. Sie versuchen, immer wieder Werbung dafür zu machen, dass der Landtag jetzt erklären soll: Nein, nein, nein; das kann nicht sein. – Im Grunde geht es um die Frage, ob Sie sich der Herausforderung stellen, den Sozialstaat zu modernisieren, um ihn für die künftigen Herausforderungen besser rüsten zu können.
Das von Ihnen angewendete strategische Mittel ist – und das müssen wir uns in der Koalition für die gesamte Zeit bis zum nächsten Landtagswahltermin merken –, Ihr politisches Verständnis von Solidarität als das einzig zulässige und einzig korrekte, gewissermaßen als das einzige mit Autorität versehene Verständnis von Solidarität darzustellen, um dann für das wohlklingende Etikett „solidarisch“ ein Monopol zu beanspruchen und damit jede Debatte über sozialpolitische Alternativen und ein aktuali
Sie denken, dass Sie damit punkten können. Das Eis, auf dem Sie sich bewegen, ist aber doch sehr brüchig, glaube ich.
Ich will an Andrea Fischer erinnern, die bis 2001 Bundesministerin für Gesundheit war und heute als selbstständige Beraterin für Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft arbeitet. Vor Kurzem hat sie im „Tagesspiegel“ einen Gastkommentar veröffentlicht, aus dem ich jetzt zitiere. Ich sage nicht, dass das meine Meinung ist. Es ist ein Zitat von Andrea Fischer, grüne Bundesgesundheitsministerin bis zur Ablösung durch Ulla Schmidt im Jahr 2001.
Ist es wirklich der Gipfel der sozialen Gerechtigkeit, wenn wir unsere Krankenversicherung durch prozentuale Beiträge vom Lohn bezahlen?
Es ist im Prinzip kein falscher Gedanke, mit einer solchen Prämie für jeden Menschen festzulegen, welchen Preis er für seine Gesundheit in einem solidarischen System aufbringen muss. Die Umverteilung ist eine sozialpolitische Aufgabe danach – und getrennt von der Gesundheitspolitik. Mit diesem für alle gleichen Betrag sollte niemand überfordert werden, nicht die Einkommensarmen, nicht die Menschen mit Familie. Das Steuersystem ist der Ort, an dem die gesamte finanzielle Situation eines Menschen erfasst und wo er entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu Abgaben verpflichtet wird. Eigentlich also genau das richtige System, um Solidarität konkret werden zu lassen.
Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass das schwierig ist. Ich will auch nicht bestreiten, dass die Union eine Vorgeschichte, eine Anamnese, hat, in der diese Schwierigkeiten besonders deutlich zutage getreten sind.
Das Einzige, was ich feststellen will, ist Folgendes: Ich mache mir über die Komplexität dieses Themas keine Illusionen. Ich sage Ihnen ausdrücklich, dass es ohne eine Beschreibung des richtigen Systems, um Solidarität konkret werden zu lassen, besser bei den Grundsätzen des gegenwärtigen Krankenversicherungssystems verbleibt. Dass es so schwierig ist, darf aber doch nicht dazu führen, dass man den Versuch unterlässt, eine Entkopplung von den Lohnkosten zu bekommen, wenn man all die Schwierigkeiten kennt, die im herrschenden System bestehen, und weiß, wie wichtig es aus den eben darlegten betriebswirtschaftlichen Gründen ist, sich hierfür einzusetzen.
Dass die Koalition – die Berliner wie die nordrheinwestfälische – großes Interesse an der Solidarität hat, ist auch daran zu erkennen, dass wir jetzt in dem Koalitionsvertrag festgehalten haben: Zunächst
einmal wird eine Erhöhung der Beiträge dadurch vermieden, dass die Auswirkungen der Krise durch einen Schutzschirm in Gestalt von Steuermitteln aufgefangen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeiten, in denen die SPD in Nordrhein-Westfalen sich Erfolg davon versprechen konnte, soziale Gerechtigkeit zu definieren und auf diese Interpretation dann ein Monopol zu beanspruchen, sind Vergangenheit. Deswegen empfehle ich uns sehr, den in dieser vergangenen Tradition formulierten Antrag der SPD abzulehnen und mit dem grünen Antrag, weil er dem der SPD so sehr ähnelt, genauso zu verfahren. Die Koalitionsfraktionen werden das jedenfalls tun. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Dr. Romberg das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass die Freien Demokraten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik den Bundesgesundheitsminister stellen. Das ist eine riesige Chance. Denn mit Philipp Rösler bekommt das Land nicht nur jemanden, der fachlich etwas von der Sache versteht – das war in der Vergangenheit leider häufig nicht so –,
sondern er verkörpert die gesundheits- und sozialpolitischen Ziele der FDP aufgrund seiner Persönlichkeit mit besonderer Glaubwürdigkeit.
Das heißt, wir wollen uneingeschränkte Solidarität mit den Kranken und Schwachen, egal, in welcher Lebenslage und in welchem Alter.
Wir wollen eine Chancengleichheit für alle Bürger, damit sie ein selbstbestimmtes würdevolles Leben führen können und Zugang zu gesundheitlichen Leistungen erhalten.
Wir wollen eine Politik, die Freiheit mit Fairness verbindet. Diese Freiheit begreifen wir nicht als das Zurückdrängen staatlicher Einmischung, sondern als Voraussetzung, um individuelle und zugleich gemeinschaftliche Gestaltungsspielräume für die unterschiedlichen Lebensentwürfe zu ermöglichen.
Es ist bezeichnend, dass die Sozialdemokraten mit ihrem Antrag zur Gesundheitspolitik ein Horrorgemälde an die Wand malen und hoffen, dass sich die Bürger von diesen schrillen Farben wirklich verschrecken lassen. Aber diese Rechnung ging schon