Protocol of the Session on October 8, 2009

Herr Kuschke, ich beantworte Ihnen gerne jede Zwischenfrage, die Sie hier stellen.

Ich halte es für richtig und erforderlich, dass das Parlament alle Informationen bei der Landesregierung abfragen kann, die von Interesse sind. Ich halte wenig davon, dass wir in allen Bereichen der Politik, verbunden mit einem riesigen Verwaltungsaufwand, ein Berichtswesen größter Detailliertheit auf den Weg bringen, ohne vorher zu wissen, ob all das, was automatisch publiziert wird, konkret im Einzelfall von Interesse ist. Aber ich erwarte selbstverständlich von dieser und jeder anderen Landesregierung, Herr Kuschke, dass es, sobald es parlamentarisches Interesse gibt, zu einer Veröffentlichung kommt.

Mit Ihrer Frage haben Sie mich ja auch persönlich angesprochen. Ich denke, ich kann mich deshalb sehr glaubwürdig zu diesem Thema äußern, weil ich selber in meiner Rolle in der letzten Legislaturperiode, nämlich Anfang 2005, als mich ähnliche Motive bewegten, Herr Kuschke, wie Sie, dazu eine Anfrage gestellt habe. Sie können das in Landtagsdrucksache 13/6561 nachlesen.

Eines ist mir bei der Beantwortung Ihrer Frage sehr wichtig: All das, was Sie eben kritisiert haben, Herr Kuschke, was die Landesregierung von sich aus tut und was aus Ihrer Bewertung von heute zu wenig ist, haben Sie damals ganz genauso praktiziert. Ich habe eine lange Liste bekommen, die Sie in der erwähnten Landtagsdrucksache nachlesen können. Darin steht ausdrücklich – damals hatten Sie nun wirklich die Verantwortung –, es gehe um schützenswerte Interessen von Dritten, es gebe entsprechende Datenschutzauflagen, man könne nicht beliebig alles publizieren.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode im Detail nachgefragt, was sich hinter besonders volumenstarken Ausgabepositionen in diesem Bereich verbirgt. Das ist nicht veröffentlicht worden. Nachher kam heraus – an den Stellen, an denen etwas durchgesickert ist –, dass Sie 35.000 € an Steuergeldern für ein so sinnvolles Gutachten wie „Waldpädagogik unter Gender-Aspekten“ oder 100.000 € für die Motivforschung „Strukturen und Motive im Privatwald von NRW“ ausgegeben haben. Überall dort sind öffentliche Mittel geflossen.

Wenn man sich anschaut, was Sie damals auch auf meine Anfrage hin an Datenbasis zur Verfügung gestellt haben, dann muss man sagen, dass das nicht den Anforderungen und Kriterien genügt, die

Sie hier heute einfordern. Deshalb sage ich Ihnen, Herr Kuschke, in Beantwortung Ihrer Frage: Wenn Sie Erwartungen äußern, seien Sie so fair und gucken Sie auch auf das, was Sie hier vorgetragen haben.

(Carina Gödecke [SPD]: Herr Witzel, dürfen wir klüger werden oder nicht?)

Ich kann das ganz glaubwürdig sagen, weil mich genau die Fragestellungen, die Sie hier heute und in den letzten Wochen beschäftigt haben, in meiner früheren Rolle, belegbar durch Landtagsdrucksachen, in der letzten Legislaturperiode auch beschäftigt haben.

Ich darf mit meinem Zitat der „Westfalenpost“ fortfahren. Diese schreibt:

SPD und Grüne hatten der Regierung Rüttgers „Lobbyismus” und übertriebene Öffentlichkeitsarbeit angekreidet. Die Koalition weist das zurück. Für Kampagnen „We love the new” wendet NRW bis 2010 neun Millionen Euro auf. Die Wirtschaftsoffensive „Go” von Rot-Grün kostete 19 Millionen.

Dazu darf ich ergänzen: SPD und Grüne gaben ausweislich der Großen Anfragen und der publizierten Daten neben 56 Millionen € für Kampagnen auch 45 Millionen € für Veröffentlichungen und 92 Millionen € für Veranstaltungen aus.

Es wurde festgestellt, dass Rot-Grün uns als damaliger Opposition längst nicht alle Fragen zu den Beraterverträgen umfassend beantwortet hat, etwa zu einem über 850.000 € oder zu einem anderen über 1,3 Millionen €. In beiden Fällen wurden Minister beraten, die den Grünen angehören, die deshalb in dieser Debatte sehr vorsichtig sein sollten.

Sylvia Löhrmann war einmal schlauer als Hannelore Kraft und hat sich gar nicht erst an dieser Großen Anfrage für die Grünen beteiligt. Sie wusste wahrscheinlich, warum. Genützt hat es ihr nichts. Denn bloßgestellt wurden SPD und Grüne hier gemeinsam. Ich sage Ihnen: Sie haben ein ganz klassisches Eigentor geschossen. Sie winden sich wie ein Aal im Netz. Deshalb müssen Sie sich natürlich nun damit abfinden, dass Ihre Initiative hier und heute paniert in der Pfanne landet.

Die neue Landesregierung hat immer gesagt, dass Sie auf eine hoch qualifizierte Beratung und eine angemessene Öffentlichkeitsarbeit setzt. Deshalb ist natürlich auch externer Sachverstand unerlässlich, um die eigene Fachkompetenz in besonders komplexen Angelegenheiten weiter zu ergänzen, neue Sichtweisen und Impulse zu erfahren oder für zeitweilige Aufgaben spezifische personelle Unterstützungen zu bekommen.

Wenn Sie nachfragen, Herr Kuschke, warum Steigerungsraten gerade im Bereich von Auftragsvergaben des Finanzministers liegen, dann schauen Sie sich einfach die Wirtschafts- und Finanzkrise an.

Schauen Sie sich auch die Zustände an, die Sie bei der WestLB hinterlassen haben.

(Markus Töns [SPD]: Sie haben das ange- richtet! Das ist billiger Populismus – und dann noch falsche Angaben!)

Bei dem, was hier mit einer finanziellen Durchschlagskraft von mehreren Milliarden Euro an Steuergeld und Risikopotenzial zu regeln war, macht es durchaus Sinn, sich fundierte fachliche Expertise einzuholen, die im laufenden Geschäft in dem Detaillierungsgrad natürlich nicht immer vorhanden ist. Das gilt auch für große Verkaufsprojekte. Denken Sie an die LEG-Privatisierung, die notwendig ist, wenn man eine Politik „Privat vor Staat“ verkauft, um im Interesse des Steuerzahlers Gelder zu erwirtschaften und Risiken von den Menschen und Steuerzahlern für die Zukunft zu nehmen.

CDU und FDP haben beim Thema Transparenz seit 2005 vieles auf den Weg gebracht, sodass ich das mit großem Selbstbewusstsein hier vertreten und verteidigen kann. Wir haben in einer Qualität, wie sie für Sie nie denkbar gewesen ist, eine Parlamentsvereinbarung auf den Weg gebracht, die wir in der letzten Plenarwoche diskutiert haben: von uns eingeführt.

(Widerspruch von Carina Gödecke [SPD])

Wir haben für umfangreiche Transparenz bei öffentlichen Unternehmen und bei Sparkassen gesorgt. Teile davon hat dieses Parlament bereits beschlossen. Das Transparenzgesetz für öffentliche Unternehmen werden wir in Kürze noch beschließen – eine Initiative gegen Klüngel und gegen Filz für mehr Transparenz und Wahrnehmung der Öffentlichkeit in dieser wichtigen Frage von dieser Koalition.

(Beifall von der FDP)

Wir sorgen für Transparenz beim WDR – das werden wir in diesem Jahr auch noch beschließen – durch Vergütungsoffenlegungen für Leitungsgremien,

(Widerspruch von Edgar Moron [SPD])

die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes bei der Auftragsvergabe des WDR. Das ist auch ein lange schwelender Streit. All das haben wir in Form von Gesetzentwürfen ins Verfahren eingebracht und in weiten Punkten schon beschlossen. Wir würden uns natürlich freuen, wenn die Opposition, so sie es denn ehrlich meint, unsere Initiativen parlamentarisch positiv begleiten würde. Wir haben für die Transparenz bei Geldauflagen in der Justiz gesorgt. Auch das ist von CDU und FDP in diesem Land eingeführt worden.

Bei Ihnen hingegen, Herr Kuschke, kann man, wenn man sich die frühere Informationszurückhaltung von Rot-Grün anschaut, feststellen: Rot-Grün und Transparenz passen so gut zusammen wie Mafia

und Nächstenliebe. Wenn sich die SPD mit ihrem Entschließungsantrag zu den Großen Anfragen nun erlaubt, Dinge einzufordern, die sie selber kategorisch abgelehnt hat, ist das wenig glaubwürdig. Stellen Sie sich hierhin und sorgen Sie aktiv für Transparenz in eigener Angelegenheit.

Herr Witzel, Herr Kuschke hat eine Frage. Möchten Sie die beantworten?

Herr Kuschke darf mich immer fragen.

Bitte, Herr Kuschke.

Der letzte Punkt fällt auf Sie zurück. Warum kümmern Sie sich nur um Transparenz bei anderen, aber nicht um Transparenz bei der Landesregierung? Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn Sie es wollen – Sie haben das Stichwort gegeben –, dann bringen wir auch einen Gesetzentwurf dazu ein.

(Zurufe von der CDU: Wo war da eine Frage? – Wolfram Kuschke [SPD]: Da war eine Fra- ge dabei! – Weitere Zurufe)

Herr Kuschke, ich möchte in zweierlei Hinsicht auf Ihre Transparenzfrage antworten. Zum einen: Wenn Sie mir eben so aufmerksam zugehört haben, wie ich das bei Ihnen getan habe, haben Sie von mir vor wenigen Minuten enumerativ eine Vielzahl gesetzgeberischer Initiativen vernommen,

(Wolfram Kuschke [SPD]: Bei anderen!)

bei denen es uns wichtig ist, in dem Bereich, in dem der Landesgesetzgeber betroffen ist, für mehr Transparenz zu sorgen.

(Zuruf von der SPD: Zur Frage!)

Zum anderen habe ich Ihnen gesagt, Herr Kuschke – ich sehe das als Parlamentarier selbstbewusst, denn wir sind die erste Gewalt und haben über alle Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsame Interessen –: Bei allen Rollen, in denen wir früher gesteckt haben, in denen wir heute stecken und in denen wir uns zukünftig innerhalb der ersten Gewalt des Staates begegnen, erwarte ich selbstverständlich, dass eine Landesregierung alle Informationen, soweit das rechtlich zulässig ist, zur Verfügung stellt.

Das haben wir früher eingefordert; das fordern wir jetzt ein. Deshalb haben wir der von uns getragenen

Landesregierung eine sehr umfangreiche Große Anfrage gestellt und natürlich auch die Beantwortung dieser Fragen erwartet. Sie haben das für einen Teil der Politik der letzten Jahre vorgenommen; wir haben das für einen anderen Zeitabschnitt getan.

(Zuruf von der SPD: Sie haben aus unserer Großen Anfrage abgeschrieben!)

Natürlich erwarten wir, dass qualifiziert geantwortet wird. Ich halte es ausdrücklich für eine Selbstverständlichkeit, dass das Parlament diese Informationen, also die mehreren Tausend Seiten Datenmaterial, die wir gebrannt auf CD erhalten haben, bekommt.

Ich darf Ihnen, Herr Kuschke, in Beantwortung Ihrer Frage, warum nicht alles automatisch, wie Sie es hier gefordert haben, immer in fest kodifizierten Regelungen und Veröffentlichungsroutinen erfolgen muss, aber sagen: Wir müssen eine vernünftige Güterabwägung vornehmen zwischen dem, was in der Bearbeitung praktikabel ist, und dem Erkenntnismehrwert, den Politik damit verbindet.

Deshalb bleibe ich bei meiner Aussage. All das, was das Parlament aus gutem Grunde konkret interessiert, muss bei einer Regierung abgefragt werden können. Die Regierung muss dazu bereit sein, das transparent im Rahmen dessen, was rechtlich zulässig ist, zu veröffentlichen. Aber wir müssen nicht in Veröffentlichungsroutinen Riesendatenkolonnen auf Halde erarbeiten, die im Einzelfall vielleicht gar nicht alle von Interesse sind. Deshalb: Fragen Sie konkret zu den Dingen, die Sie beantwortet haben möchten, so wie wir das auch gemacht haben. Dann erwarten wir natürlich auch eine transparente Beantwortung.

Ich glaube, das wird die jetzige Regierung sehr viel detaillierter tun, als es Ihrer damaligen Bereitschaft entsprach. Das ist der positive Ausblick, den wir ausdrücklich in die Zukunft richten.

(Carina Gödecke [SPD]: Sie haben eben ge- sagt, wir sollten unsere verfassungsmäßigen Rechte wahrnehmen! Mehr haben Sie nicht gesagt!)

Ich glaube, wir haben eine gute Entwicklung. Wir haben noch nie ein Stadium mit so viel Transparenz bei der Veröffentlichung erreicht, wie das heute der Fall ist. Wir hätten uns das damals gewünscht.

Aber, Herr Kuschke – damit bin ich bei meiner letzten Bemerkung zu Ihnen –, eines müssen Sie fairerweise auch eingestehen: Die externen Aufträge und Gutachten, die bei Ihnen in weitaus größerem Volumen vergeben wurden, können Sie nicht einfach vom Tisch wischen. Wir haben Ihnen das in der letzten Legislaturperiode vorgehalten. Ich habe an diesem Rednerpult gestanden und Ihnen 2005 vorgerechnet, wie viele Tausend Lehrerstellen zum

Beispiel neu eingerichtet werden könnten, wenn diese vielen Auftragsvergaben nicht erfolgt wären.