Die Situation lädt sich wie folgt auf: Es spielen verschiedene Ethnien. Das ist meistens, aber nicht im
mer, ein Spiel – das habe ich versäumt zu sagen –, in dem Türkiyemspor gegen Germania oder Alemannia angetreten war. Es gibt auch Germania gegen Alemannia, bei dem das passiert, aber seltener. Meistens ist es bei Türkiyemspor, also der Kombination von beidem.
Da lädt sich etwas auf, was natürlich nicht der Sport, sondern die Gesellschaft verursacht hat; das wissen wir alle. Das sind Jugendliche mit Migrationshintergrund, die das Gefühl haben, in dieser Gesellschaft benachteiligt zu sein. Wenn während des Spiels zwischen den Gegenspielern ein paar Worte gefallen sind, und wenn der deutsche Schiedsrichter in der 89. Minute den Elfer pfeift, den sie als ungerecht empfinden, drehen die durch. Das ist ein häufiger Vorgang.
Da muss etwas getan werden. Wir können die Vereine nicht im Regen stehen lassen. Herr Wolf, da sind Sie im Spiel. Bei den Vereinen – das habe ich auf der Tagung, von der ich berichtete, wahrgenommen – ist eine große Unsicherheit darüber da, wo das Sportrecht, die Sportgerichtsbarkeit greift. Was mache ich als Verein? Wenn ich sehe, der kriegt die Rote Karte vom Schiedsrichter, ist das Sportrecht, das ist kein Problem. Wenn sich aber Zuschauer in den Konflikt einmischen und auf den Platz laufen, ist die Frage: Wo ist der Moment, wo ich die Polizei einschalte?
Da brauchen die Vereine Hilfestellung. Da hilft ihnen ein Papier „Mit Sport gelingt Integration“, wie Sie es formuliert haben, nicht. Ich stelle mir gerade den Fußballobmann vor, der in seiner Hütte am Telefon sitzt und überlegt: Was mache ich jetzt? Dann bekommt er von Ihnen eine Broschüre, die Sie hier vorschlagen, vermutlich mit einem ähnlichen Titel. Das hilft ihm nicht, sondern ihm hilft eine konkrete Absprache, dass die Polizei veranlasst wird, sich vor Ort mit Vereinen abzustimmen.
Um einen solchen Prozess zu veranlassen, muss Herr Wolf im Grunde mit sich selber reden, nämlich der Innenminister mit dem Sportminister. Das macht er aber nicht. Sie hätten ihn auch dazu auffordern können. Das halte ich für ein Defizit Ihres Antrags. Man muss sich dem Phänomen nähern und Vorschläge machen, wie man dieses Problem lösen kann.
Das zweite Defizit, das ich sehe: Sie stellen den Integrationscharakter des Sports in den verschiedenen Sportarten nicht differenziert genug dar. Sie haben selber die Kampfsportarten erwähnt. Wir wissen, dort ist ein hoher Anteil von Migrantinnen und Migranten vertreten. Auf der anderen Seite haben wir aber zum Beispiel das Schützenwesen, Schützenvereine. Auf dem Land sind sie gut vertreten, aber von Migranten wird dort kaum die Rede sein. Bei den Kampfsportvereinen, bei den Boxvereinen haben wir vermutlich eher die völlig andere Situation, dass wir in bestimmten Stadtteilen der
Sie haben für alle dasselbe Rezept: Wir machen da einen schönen Preis und eine Broschüre. Das wird so nicht gehen. Sie werden differenzieren müssen. Die Problemlage ist bei den verschiedenen Sportarten völlig unterschiedlich. Darauf geht Ihr Antrag in keinster Weise ein.
Dritter Punkt. Es ist ein ganz altes Problem, auf das ich gerade vor einem Monat wieder gestoßen worden bin, weil ich in meinem Wahlkreis um Vermittlung gebeten wurde. Der Klassiker ist: Wir haben einen Sportverein, in dem Migrantinnen und Migranten vertreten sind, manchmal mit eigener Abteilung, manchmal sind sie auch in den Mannschaften gemischt.
Dann gibt es das übliche Gerangel um die Vorstandsposten, um die Funktionäre. Das läuft nach meinen Erfahrungen immer gleich. Die Deutschen empfinden, dass sich die Migranten profilieren wollen, dass sie sozusagen im Vorstand putschen, den Verein unterwandern wollen, weil sie Vorstandsämter anstreben. Und die Migranten beklagen sich darüber, dass ihnen die deutschen Vorstandsmitglieder keinen Zugang geben wollen, dass die Funktionäre mauern, dass sie nicht in die Entscheidungsstrukturen gelassen werden. Da müssen auch Handreichungen her. Darum müssen wir uns sportpolitisch kümmern, um solche Dinge vor Ort ein Stück weit klären zu helfen. Das passiert überhaupt nicht, Sie nehmen das Phänomen gar nicht wahr.
Fazit – damit bin ich auch am Ende meiner Ausführungen –: Der Antrag ist in den Bereichen in Ordnung, wo Sie sagen, Sport hat integrativen Charakter, bietet eine Chance zur Integration. Sie blenden aber aus, dass es eben auch Defizite und Schwierigkeiten gibt. Bei dieser fehlerhaften Analyse kommen Sie dann zu keinen Lösungsvorschlägen. Das ist das Problem. Sie müssten ja Lösungsvorschläge für die Praxis schaffen, damit dem Verein, damit dem Sport mit Ihrem Antrag geholfen werden kann. Das tun Sie in meinen Augen in keinster Weise.
Insofern freue ich mich auf die Debatte im Sportausschuss. Wir werden uns auch überlegen, einen eigenen Entschließungsantrag vorzubereiten. Das wird die Debatte im Ausschuss ein Stück weit zeigen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir haben hier sehr polarisiert diskutiert. Das ist nicht im Sinne unseres Antrages. Wir wollen sehr konkret dafür sorgen, dass
Herr Stüttgen, Herr Groth und auch Herr Bischoff, natürlich hat alles das, was Sie gesagt haben, auch etwas, worüber man nachdenken muss. Aber gerade was die Integration angeht, muss man meines Erachtens so sorgfältig arbeiten, dass es insgesamt der Aufgabe gerecht wird, so wie die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sie sehen, dass nämlich Integrationsarbeit ein Querschnittsthema ist, das über alle Ministerien getragen wird. Es ist wichtig, dass das hier sehr deutlich gemacht wird.
In der Integrationsarbeit weht nämlich seit 2005 ein neuer Wind. Und unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, unsere Nordrhein-Westfalen mit Migrationshintergrund, mit Zuwanderungsgeschichte sind uns willkommen. Ich bin sicher, sie spüren das auch.
Unser heutiger Antrag „Mit Sport gelingt Integration“ greift dieses Thema mit großer Konsequenz auf. Wir werden im Zuge einer ständigen kontinuierlichen Verbesserung die Chancen der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte heben. Wir sind uns dabei der Schlüsselfunktion des Sports bewusst. Der Sport ist demokratiefördernd. Das gilt insbesondere für junge Leute. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch über die Schulen an die jungen Menschen herankommen.
Ich will das an einem Beispiel festmachen. Wenn wir im offenen Ganztag sehr viele Sportangebote am Nachmittag durch Sportvereine sicherstellen – man muss an dieser Stelle auch einmal den Sportvereinen danken –, dann ist es tatsächlich so, dass gerade Kinder mit Zuwanderungsgeschichte das erste Mal Kontakt mit Sportvereinen haben. Hier liegen riesige Chancen in der Integrationsarbeit für die Zukunft unserer Gesellschaft. Die werden wir sehr konsequent in den nächsten Jahren heben.
Integration hat etwas mit Verständnis, gegenseitiger Toleranz, Offenheit und Transparenz zu tun. Je selbstverständlicher Integration durch Verantwortungsträger immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt wird – auch das ist der Sinn des heutigen Antrages –, umso größer werden die Akzeptanz und das gelebte Miteinander in der Bevölkerung.
Alfred Herrhausen hat einmal gesagt: Man muss es nicht nur wollen, sondern auch können. Man muss es nicht nur können, sondern auch tun. Gerade in der Integrationsarbeit ist der letzte Satz der entscheidende. Es kommt auf das Tun an. Und der Aktionsplan „Integration“ mit 20 Punkten, die Sie alle kennen, ist der nachprüfbare Beweis dafür, dass hier Integrationsarbeit auch tatsächlich das Tun beherrscht.
bundesweit Vorreiter und Vorbild. Ich bin sehr froh darüber, dass Sie sagen, Sie wollten das gemeinsam machen. Ich finde, dass es auch zum Fairplay gehört, dass ich durchaus über Ihr Grätschen hinwegsehe und sage: Lasst es uns gemeinsam versuchen.
Das Bewusstsein, Integration über Sportvereine zu verbessern, kann zum Beispiel mit einem Sportintegrationspreis gestärkt werden. Wir haben weitere Beispiele genannt, die ich hier nicht alle aufführen will.
Ich bedanke mich auch im Namen meiner Fraktion – ich denke, dass ich für das gesamte Parlament spreche – bei allen Sportvereinen und Übungsleitern, die bereits heute integrativ arbeiten. Ich bitte Sie, aufmerksam darauf zu achten, dass auch Mädchen und Frauen mit Zuwanderungsgeschichte den Zugang zum Sport erhalten.
Grundsätzlich: Der Anteil von Vereinsmitgliedern mit Zuwanderungsgeschichte ist in unseren Vereinen noch zu gering. Insbesondere für Mädchen und Frauen müssen Angebote generiert und geschaffen werden.
Es geht aber nicht nur um den Vereinssport, sondern auch um den vereinsungebundenen Sport in sozialen Brennpunkten. Gerade wurde der Mitternachtsbasketball genannt. Wir haben eben nur über Vereinsarbeit gesprochen. Herr Bischoff, Sie haben das Thema verfehlt. Es geht um die Integrationswirkung des Sportes insgesamt. Man kommt mit Sport an die Jugendlichen heran und kann dafür sorgen, dass die Kinder Spielkameraden und Jugendliche kennenlernen, die aus anderen sozialen Schichten sind. Das wirkt im Übrigen auch sehr stark integrativ.
Deswegen bin ich mir sehr sicher, dass wir weiter dafür sorgen müssen – wie es im Bereich des Schwimmens hier angesprochen wurde –, dass Übungsleiter mit kulturgleichem Hintergrund immer mehr Platz nehmen.
Manfred von Richthofen hat als Präsident des Deutschen Sportbundes 2001 ein bemerkenswertes Programm „Integration durch Sport“ veröffentlicht. In diesem Programm finden sich unzählige, fachlich kompetente Hinweise, die die Integrationswirkung des Sports zur Verbesserung des integrativen Miteinanders beschreiben. Diese Ideen und Anregungen sind zeitgemäß. Sie müssen überrollt und überprüft werden. Ich denke, wir werden das tun.
Der Sport kann einen wichtigen und wertvollen Beitrag zum demokratischen und toleranten Zusammenleben in unserem Lande leisten.
Der organisierte Sport kann in dieser auf lange Dauer angelegten Entwicklung eine führende Rolle einnehmen. Er kann aber den sozialen und gesellschaftlichen Integrationsprozess nicht alleine gestalten.
Meine Damen und Herren, ich halte abschließend fest: Ohne den Sport kann Integration nicht gelingen. Mit Sport gelingt Integration. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss.
Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal Herr Kollege Groth zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kern, um die Frage, wer es erfunden hat, wollen wir uns nicht streiten. Sie haben aber gerade noch einmal Manfred von Richthofen zitiert. Das steht alles fest. Man ist sich einig, wie das geht. Man braucht auch nicht weitere und immer wieder neuere Dinge.
Wir müssen das aber unterfüttern und uns einig sein, dass das auch Geld kostet und dass wir, wenn wir Modellprojekte machen, den Landessportbund nicht im Regen stehen lassen dürfen. Und das ist das, was da fehlt und was wir kritisieren.
Ich füge eines hinzu: Es geht nicht nur um die Integration von Menschen mit Behinderungen, sondern auch um diejenigen, die sozial randständig sind; dazu haben Sie auch etwas gesagt. Und es geht zum Beispiel um die Integration oder Reintegration von straffällig Gewordenen. Auch das fehlt mir. Es sind die, die im Knast sitzen, insbesondere die Jugendlichen. Wenn Sie sich anschauen, was der Untersuchungsausschuss in der Frage herausgefunden hat und wie wenig Sportangebote sie haben – wir wissen doch, dass das beim sozialen Lernen und bei der Reintegration hilft –, dann müssen wir auch das mit einbeziehen.
Ihr Antrag heute, meine Damen und Herren von FDP und CDU, hat leider wenig Beifall bekommen. Das tut mir leid für das zarte Pflänzchen, das da sprießt. Der Antrag ist heftig kritisiert worden, weil wir alle ein bisschen darüber genervt sind, dass Sie in den vergangenen vier Jahren nicht ernsthaft etwas Konzeptionelles vorgelegt haben. Wenn das aber die zarte Pflanze ist, die wir jetzt gemeinsam hegen wollen, bin ich für Bündnis 90/Die Grünen sehr gerne bereit, Hilfestellung zu leisten. Machen wir einen vernünftigen Antrag daraus und bringen richtig Substanz hinein. Alle vier Fraktionen unterschreiben und wir schauen dann, was die Landesregierung daraus macht. Dann ist mir um die Integration nicht bange. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Kollege Groth. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal Herr Innenminister Dr. Wolf zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit hatte ich es ursprünglich nicht vor, noch einmal das Wort zu ergreifen. Da aber Herr Bischoff – sportlich gesehen – ins Abseits gelaufen ist, möchte ich dazu noch kurz Stellung nehmen.
Es war gerade nicht die Absicht des Antrages, Gewalt auf Fußballplätzen zu thematisieren. Das ist schon deswegen nicht gut, weil sie ausdrücklich kein spezifisches Problem im Migrantenbereich ist, sondern eines, das leider Gottes immer wieder vorkommt. Dem Thema widmen wir uns – anders als Sie es dargestellt haben – selbstverständlich an jedem Wochenende.
Mit Blick auf die Zuhörer auf der Tribüne möchte ich aber auch sagen: Jedes Wochenende finden Tausende von Spielen statt, die reibungslos über die Bühne gehen.
Wir sollten also nicht so tun, als ob überall und an jedem Wochenende die Schlägerei die Regel ist. Ich will nur am Rande darauf hinweisen, dass das auch kein Phänomen ist, das sich in den letzten vier Jahren entwickelt hat. Das hat es auch früher gegeben.
Dass es sich in den unteren Spielklassen ein Stück verstärkt hat, liegt natürlich auch darin begründet, Herr Bischoff, dass es in den oberen Klassen sehr viel schwieriger geworden ist. Diejenigen, die sich sozusagen berufsmäßig austoben möchten, haben in den oberen Klassen schlechtere Karten, weil wir mithilfe der Sportvereine und vor allen Dingen auch der Verbände die Stadionsicherheit erhöht und die gesamten Abläufe in der ersten und zweiten Liga verbessert haben, sodass – das geben wir offen zu – die Probleme in den unteren Ligen durchaus nicht zu leugnen sind.