Protocol of the Session on September 11, 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Nach diesem etwas missglückten historischen Exkurs von Herrn Lindner

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Nur peinlich!)

machen wir weiter in einer Aktuellen Stunde, die eher einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses in Dortmund gerecht wird als dem Landesparlament von Nordrhein-Westfalen.

(Lothar Hegemann [CDU]: Das hätten Sie wohl gern!)

Aber wenn es jetzt Mode wird, Haupt- und Finanzausschuss in einzelnen Kommunen nachzuspielen, Herr Wittke, hätten wir vielleicht auch mal Lust, Haupt- und Finanzausschuss in Gelsenkirchen zu spielen, um ein bisschen über das Hans-SachsHaus zu diskutieren.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle betrachten die Dortmunder Situation aus großer Ferne.

(Heiterkeit und Zurufe von CDU und FDP)

Wir leben davon, was in den Medien darüber berichtet wird. Sie sind wie ich weder Mitglied des Rates der Stadt Dortmund noch Mitglied des Haupt- und Finanzausschusses in Dortmund. Wir wissen das, was wir wissen, im Wesentlichen aus den Medien. Gestern ist im Rahmen der Pressekonferenz und vorgestern in einer – wie ich gehört habe – dreieinhalbstündigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses die Haushaltssituation in Dortmund diskutiert worden.

(Zuruf von der CDU: Also doch nicht so weit weg, oder?)

Übrig geblieben ist offensichtlich für das Jahr 2009 ein Haushaltsrisiko in der Größenordnung von 20 bis 30 Millionen €.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das, was Sie mit dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde – 230 Millionen € Haushaltsloch – weismachen wollen, meine Damen und Herren, ist von Ihnen erfunden, erstunken und erlogen; davon hat in Dortmund niemand gesprochen.

(Beifall von der SPD)

Statt nach der Pressekonferenz, als gestern der Kassensturz gemacht worden ist, als deutlich geworden ist, dass Dortmund von einem Haushaltsloch von 230 Millionen € weit entfernt ist, heute die Gelegenheit zu ergreifen, Ihre Entrüstungsmaschine einen Gang zurückzunehmen, haben Sie noch einen Gang aufgedreht und – das behaupte ich – die Schraube auch überdreht.

Ich werde gleich einige andere Beispiele nennen, was in anderen Kommunen passiert ist. Sie sollten sich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU und FDP, eines vor Augen halten:

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])

Wenn Sie jetzt Dortmund zum Anlass nehmen, von Wahlbetrug zu reden, sollten Sie sich immer vergegenwärtigen, dass es nicht sein kann, dass demokratische Volksparteien zum einen am Wahlabend Krokodilstränen darüber vergießen, wie gering die Wahlbeteiligung ist, wenn man zum anderen auf der Jagd nach Schlagzeilen völlig überdreht einen Vorwurf formuliert, der Menschen zukünftig von Wahlen abhält, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Ui! – Ralf Witzel [FDP]: Sie meinen wohl Lan- gemeyer!)

Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit einer solchen Begrifflichkeit. Es ist respektlos gegenüber dem gewählten Oberbürgermeister,

(Ralf Witzel [FDP]: Sie meinen wohl Lange- meyer!)

und es zeigt, meine Damen und Herren von FDP und CDU, dass es Ihnen nicht passt, dass wir in Dortmund gewonnen haben. Sie sind schlichtweg ein schlechter Verlierer.

(Beifall von der SPD)

Wer mit dem Finger auf einen zeigt, auf den zeigen mindestens vier Finger zurück. Fangen wir mit dem ersten Finger an:

In Neuss verkündet der Bürgermeister Herr Napp am 22. August, die Gewerbesteuer in Neuss würde nur um 3 % einbrechen.

(Bodo Wißen [SPD]: Aha!)

Sein Kämmerer verkündet acht Tage nach der Wahl: minus 10 %, 30 Millionen € Haushaltsloch. Das ist so viel wie in Dortmund, nur ist die Stadt fünfmal kleiner.

(Beifall von der SPD)

Der zweite Finger: In Krefeld sagte Ihr Bürgermeister vor der Wahl, dass es einen ausgeglichenen Haushalt gibt. Nach der Wahl gesteht er ein großes Haushaltsloch ein. Wo ist da Ihr Aufschrei, meine Damen und Herren? Wo ist Ihr Brief, Herr Wüst, an Ihren Kollegen in Krefeld, um ihn zum Rücktritt aufzufordern?

(Beifall von der SPD)

Dritter Finger: In Köln erklärt der abgetretene Oberbürgermeister sieben Tage nach der Wahl ein Haushaltsloch von 163 Millionen €. Wo ist der Aufschrei, meine Damen und Herren? Wo ist hier von Wahlbetrug die Rede?

(Lothar Hegemann [CDU]: Das war vorher schon! – Zuruf von der SPD: Peinliches Schweigen!)

Nehmen wir den vierten Finger. In Essen fährt der neu gewählte Oberbürgermeister wenige Tage nach der Kommunalwahl zum Regierungspräsidenten, um Folgendes zu erfahren: Essen droht im nächsten Jahr ein Haushaltsloch von 400 Millionen €. Jede Straßenbahn, jedes Museum, jede Schule, jeder Kindergarten wird dann den Banken und nicht mehr den Bürgern von Essen gehören, meine Damen und Herren. Das ist Ihr Vermächtnis aus zehn Jahren CDU.

(Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen noch etwas: Ihr Oberbürgermeister Reiniger verkündet wenige Tage vor der Wahl spektakulär: Wir steigen mit 30 Millionen € in den Stadionbau bei Rot-Weiß Essen ein. – Wobei ich mich frage, was eine Kommune in einem Verein zu suchen hat,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Bestimmt mit Herrn Wittke beim Stadionbau!)

dessen Angestellte verlernt haben, Tore zu schießen.

(Heiterkeit von der SPD)

Wenige Tage vor der Wahl: Wir steigen ein und bauen dieses Stadion. Wenige Tage nach der Wahl erklärt der Regierungspräsident: Dafür ist in Essen gar kein Geld vorhanden. – Wo, meine Damen und Herren, ist da Ihr Aufschrei?

(Beifall von der SPD)

Der fünfte Finger – jetzt wird es anatomisch schon ein bisschen schwierig –:

(Zuruf von Sören Link [SPD])

Gestern Abend – wenige Tage nach der Wahl – hat der Rat der Stadt Willich auf Vorlage des Bürgermeisters eine Haushaltssperre beschlossen. Wo ist da Ihr Aufschrei? Wo ist Ihre Skandalisierung von Wahlbetrug?

(Zurufe von der CDU)

Und jetzt das Allerletzte: Seit gestern wissen wir, dass das Haushaltsloch in Duisburg nicht wie geplant 150, sondern 250 Millionen € betragen wird.

(Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wo war denn da Herr Sauerland?)

Herr Wüst, Finger hoch, wer von Ihnen fordert denn jetzt Herrn Sauerland zum Rücktritt auf? Herr Wüst, wieso bleibt Ihr Finger unten?

(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

Sie müssten sich doch jetzt melden. Das, was Sie hier veranstalten, ist doch pharisäerhaft, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Im Übrigen gehört zur Ehrlichkeit auch Folgendes: Wenn Sie schon mit dem Finger auf andere zeigen, wenn wir über Ehrlichkeit reden, dann reden wir doch einmal darüber, warum der Kommunalminister dieses Landes den Finanzbericht und den Finanzstatus der Kommunen nicht wie üblich im Sommer vorlegt, sondern erst im Herbst vorlegen wird, nämlich nach der Kommunalwahl. – So viel zur Ehrlichkeit in Richtung der Liberalen.