Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Nach diesem etwas missglückten historischen Exkurs von Herrn Lindner
machen wir weiter in einer Aktuellen Stunde, die eher einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses in Dortmund gerecht wird als dem Landesparlament von Nordrhein-Westfalen.
Aber wenn es jetzt Mode wird, Haupt- und Finanzausschuss in einzelnen Kommunen nachzuspielen, Herr Wittke, hätten wir vielleicht auch mal Lust, Haupt- und Finanzausschuss in Gelsenkirchen zu spielen, um ein bisschen über das Hans-SachsHaus zu diskutieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle betrachten die Dortmunder Situation aus großer Ferne.
Wir leben davon, was in den Medien darüber berichtet wird. Sie sind wie ich weder Mitglied des Rates der Stadt Dortmund noch Mitglied des Haupt- und Finanzausschusses in Dortmund. Wir wissen das, was wir wissen, im Wesentlichen aus den Medien. Gestern ist im Rahmen der Pressekonferenz und vorgestern in einer – wie ich gehört habe – dreieinhalbstündigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses die Haushaltssituation in Dortmund diskutiert worden.
Übrig geblieben ist offensichtlich für das Jahr 2009 ein Haushaltsrisiko in der Größenordnung von 20 bis 30 Millionen €.
Das, was Sie mit dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde – 230 Millionen € Haushaltsloch – weismachen wollen, meine Damen und Herren, ist von Ihnen erfunden, erstunken und erlogen; davon hat in Dortmund niemand gesprochen.
Statt nach der Pressekonferenz, als gestern der Kassensturz gemacht worden ist, als deutlich geworden ist, dass Dortmund von einem Haushaltsloch von 230 Millionen € weit entfernt ist, heute die Gelegenheit zu ergreifen, Ihre Entrüstungsmaschine einen Gang zurückzunehmen, haben Sie noch einen Gang aufgedreht und – das behaupte ich – die Schraube auch überdreht.
Ich werde gleich einige andere Beispiele nennen, was in anderen Kommunen passiert ist. Sie sollten sich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU und FDP, eines vor Augen halten:
Wenn Sie jetzt Dortmund zum Anlass nehmen, von Wahlbetrug zu reden, sollten Sie sich immer vergegenwärtigen, dass es nicht sein kann, dass demokratische Volksparteien zum einen am Wahlabend Krokodilstränen darüber vergießen, wie gering die Wahlbeteiligung ist, wenn man zum anderen auf der Jagd nach Schlagzeilen völlig überdreht einen Vorwurf formuliert, der Menschen zukünftig von Wahlen abhält, meine Damen und Herren.
Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit einer solchen Begrifflichkeit. Es ist respektlos gegenüber dem gewählten Oberbürgermeister,
und es zeigt, meine Damen und Herren von FDP und CDU, dass es Ihnen nicht passt, dass wir in Dortmund gewonnen haben. Sie sind schlichtweg ein schlechter Verlierer.
Wer mit dem Finger auf einen zeigt, auf den zeigen mindestens vier Finger zurück. Fangen wir mit dem ersten Finger an:
In Neuss verkündet der Bürgermeister Herr Napp am 22. August, die Gewerbesteuer in Neuss würde nur um 3 % einbrechen.
Sein Kämmerer verkündet acht Tage nach der Wahl: minus 10 %, 30 Millionen € Haushaltsloch. Das ist so viel wie in Dortmund, nur ist die Stadt fünfmal kleiner.
Der zweite Finger: In Krefeld sagte Ihr Bürgermeister vor der Wahl, dass es einen ausgeglichenen Haushalt gibt. Nach der Wahl gesteht er ein großes Haushaltsloch ein. Wo ist da Ihr Aufschrei, meine Damen und Herren? Wo ist Ihr Brief, Herr Wüst, an Ihren Kollegen in Krefeld, um ihn zum Rücktritt aufzufordern?
Dritter Finger: In Köln erklärt der abgetretene Oberbürgermeister sieben Tage nach der Wahl ein Haushaltsloch von 163 Millionen €. Wo ist der Aufschrei, meine Damen und Herren? Wo ist hier von Wahlbetrug die Rede?
Nehmen wir den vierten Finger. In Essen fährt der neu gewählte Oberbürgermeister wenige Tage nach der Kommunalwahl zum Regierungspräsidenten, um Folgendes zu erfahren: Essen droht im nächsten Jahr ein Haushaltsloch von 400 Millionen €. Jede Straßenbahn, jedes Museum, jede Schule, jeder Kindergarten wird dann den Banken und nicht mehr den Bürgern von Essen gehören, meine Damen und Herren. Das ist Ihr Vermächtnis aus zehn Jahren CDU.
Ich sage Ihnen noch etwas: Ihr Oberbürgermeister Reiniger verkündet wenige Tage vor der Wahl spektakulär: Wir steigen mit 30 Millionen € in den Stadionbau bei Rot-Weiß Essen ein. – Wobei ich mich frage, was eine Kommune in einem Verein zu suchen hat,
Wenige Tage vor der Wahl: Wir steigen ein und bauen dieses Stadion. Wenige Tage nach der Wahl erklärt der Regierungspräsident: Dafür ist in Essen gar kein Geld vorhanden. – Wo, meine Damen und Herren, ist da Ihr Aufschrei?
Gestern Abend – wenige Tage nach der Wahl – hat der Rat der Stadt Willich auf Vorlage des Bürgermeisters eine Haushaltssperre beschlossen. Wo ist da Ihr Aufschrei? Wo ist Ihre Skandalisierung von Wahlbetrug?
Und jetzt das Allerletzte: Seit gestern wissen wir, dass das Haushaltsloch in Duisburg nicht wie geplant 150, sondern 250 Millionen € betragen wird.
Herr Wüst, Finger hoch, wer von Ihnen fordert denn jetzt Herrn Sauerland zum Rücktritt auf? Herr Wüst, wieso bleibt Ihr Finger unten?
Sie müssten sich doch jetzt melden. Das, was Sie hier veranstalten, ist doch pharisäerhaft, meine Damen und Herren.
Im Übrigen gehört zur Ehrlichkeit auch Folgendes: Wenn Sie schon mit dem Finger auf andere zeigen, wenn wir über Ehrlichkeit reden, dann reden wir doch einmal darüber, warum der Kommunalminister dieses Landes den Finanzbericht und den Finanzstatus der Kommunen nicht wie üblich im Sommer vorlegt, sondern erst im Herbst vorlegen wird, nämlich nach der Kommunalwahl. – So viel zur Ehrlichkeit in Richtung der Liberalen.