Protocol of the Session on September 10, 2009

Eine deutliche Abnahme der Anzahl von Frauen tritt erst im weiteren akademischen Karriereverlauf auf. Zwar haben wir in Nordrhein-Westfalen mehr weibliche Hochschulabsolventinnen; aber nur noch rund 38 % der abgeschlossenen Promotions- und rund 20 % der Habilitationsverfahren entfallen auf Kandidatinnen.

Meine Damen und Herren, das zeigt uns deutlich, dass die niedrige Anzahl von Professorinnen nicht auf das Fehlen einer vorgeschriebenen Frauenquo

te, sondern auf das Fehlen von geeignetem Personal zurückzuführen ist. Deswegen greift Ihr Antrag an der entscheidenden Stelle zu kurz, meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen; denn Sie haben das Problem einfach nicht verstanden.

(Beifall von der FDP – Sigrid Beer [GRÜNE]: Was? Die Frauen sind selbst schuld?)

Nein, Frau Beer. Sie haben nicht richtig zugehört. Es geht nicht um eine mangelnde Qualifikation der Frauen, sondern um ein Fehlen von geeignetem Personal, um die vorhandenen Stellen zu besetzen. Das ist eine Folge Ihrer früheren rot-grünen Politik.

(Beifall von FDP und CDU – Lachen von SPD und GRÜNEN)

Sie haben nämlich nicht für ausreichend U3Betreuungsplätze gesorgt. Zu Zeiten Ihrer Verantwortung hatten wir keine 3 %.

(Ralf Witzel [FDP]: Weniger als 3 %!)

Inzwischen haben wir die Anzahl der U3Betreuungsplätze versechsfacht. Das sind hervorragende Voraussetzungen dafür, dass sich die Situation in nächster Zeit ändern kann, Frau Beer.

Am 3. September 2009 titelte die „Rheinische Post“ mit „NRW will Frauen fördern“. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

Gemeinsam mit fünf weiteren Professorinnen traf sich Marie-Louise Klotz mit Pinkwart in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Sie sahen alle in der Schwierigkeit, Studium und Wissenschaft mit einem Kinderwunsch zu verbinden, eine Hauptursache für den immer noch geringen Frauenanteil in Spitzenpositionen an Hochschulen.

Ich zitiere weiter:

Die Entscheidung für Kinder gehe beinahe zwangsläufig mit einem Nachteil in der wissenschaftlichen Karriere einher, so die einhellige Meinung der Professorinnen.

Das untermauert genau das, was ich Ihnen gerade gesagt habe, Frau Beer. Daran erkennen Sie doch, wie sehr der vorliegende Antrag an den wirklichen Bedürfnissen und der Realität vorbeigeht.

Schlimmer noch: Sie widersprechen sich in Ihrem Antrag selbst. Mit der Einführung einer Zwangsquote würden Sie den berufenen Frauen ja quasi eine Wahl – Kinderwunsch, ja oder nein? – erschweren.

Zwangsquoten können kein geeignetes Mittel zur Bewältigung demografischer und familienplanerischer Probleme sein.

(Beifall von der FDP)

Die Ursache liegt doch tiefer. Viele Jobs an verantwortlicher Stelle in der Wissenschaft eignen sich leider nicht für Jobsharing. Wie soll nachmittags jemand weiter an einer Sache forschen und entwickeln, die am Vormittag ein Kollege oder eine Kolle

gin unter Zeitdruck begonnen hat? Den freien Blick auf das Gehirn anderer Menschen gibt es zum Glück noch nicht.

Das erklärt auch einen Teil der Probleme, die es mit arbeitslosen Ingenieurinnen gab. Warum hatten wir eine große Anzahl arbeitsloser Ingenieurinnen? Weil sie überwiegend den Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung geäußert haben. Ein Unternehmen, das mit unserem Innovationstempo Schritt halten will, kann es sich nicht leisten, solche verantwortlichen, innovativen Positionen mit Halbtagskräften zu besetzen. Das geht leider nicht.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Deswegen nochmals der Rückschluss: Der Schlüssel zum Erfolg, die Anzahl der Professorinnen, der Wissenschaftlerinnen zu erhöhen, ist, andere Voraussetzungen in der hoch qualitativen Kinderbetreuung zu schaffen, so wie es die schwarz-gelbe Landesregierung aktuell macht und auch schon in den vergangenen Jahren gemacht hat. Dort müssen wir vorankommen und familienpolitische und gesellschaftliche Voraussetzungen schaffen, damit diese Frauen in Verabredung mit ihren Partnern bereit dafür sind und es sich von der Kinderbetreuung und den tatsächlichen Möglichkeiten her leisten können, tatsächlich verantwortungsvolle Jobs in der Wissenschaft anzutreten und Karriere zu machen.

Frau Kollegin, sind Sie damit einverstanden …

Ich möchte fortfahren, Frau Präsidentin. – Die Landesregierung unternimmt zahlreiche Maßnahmen, um den Anteil von Frauen an den Hochschulen real und effektiv zu erhöhen. Exemplarisch seien hier nur die Initiative Zukunft durch Innovation.NRW, der Girls’Day und vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie zusammen mit den Hochschulen entwickelte Gender-Mainstreaming-Profile genannt. Ihre Forderung nach Programmen und Maßnahmen zur Frauenförderung sind daher längst überholt.

(Beifall von der FDP)

Die Landesregierung stellt auch schon längst zusätzliche Mittel für spezielle Mentoring- und Coaching-Programme zur Verfügung. In 2009 waren dies 6,4 Millionen €. Diese Förderung wird im Jahre 2010 sogar noch ausgebaut. Im Gegensatz zu Ihnen verlangen wir für solche Leistungen allerdings auch eine Gegenleistung. Wir halten es mit einer leistungsorientierten Mittelvergabe. Nur diejenigen, die real dazu beitragen, den Frauenanteil im akademischen Betrieb zu erhöhen, erhalten auch Fördermittel.

Im Übrigen haben wir die Mittel für die Frauenförderung an Hochschulen seit 2005 um rund 70 % er

höht. Das hätten Sie auch machen können. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass es vor uns eine rot-grüne Landesregierung gegeben hat, die sich nun anscheinend rückwirkend in der Pflicht sieht, ihre eigenen Versäumnisse aufzuarbeiten.

Dass die Maßnahmen – die Redezeit ist zu Ende; ich sehe es, Frau Präsidentin, und bin auch gleich fertig – der Landesregierung erfolgreich sind, zeigen auch die letzten Zahlen. Wir haben es beispielsweise geschafft, dass ab dem kommenden Wintersemester die Zahl der Hochschulrektorinnen von zwei im Jahre 2005 auf dann sieben ansteigen wird. Unsere Konzepte erweisen sich als erfolgreich, ohne dass wir auf gesetzliche Zwangsmaßnahmen zurückgreifen mussten. Das werden wir auch in Zukunft nicht tun. Eine Quote ist mit uns nicht zu verabreden. – Danke.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Jetzt spricht die Landesregierung. Herr Minister Pinkwart, bitte.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir liegt wie allen Vorrednerinnen und -rednern sehr am Herzen, dass mehr Frauen in Nordrhein-Westfalen in wissenschaftliche Spitzenpositionen gelangen. Deshalb investieren wir mehr als je zuvor in die Gleichstellung an Universitäten und Fachhochschulen: 6,4 Millionen € allein in diesem Jahr aus dem Strukturfonds, im nächsten Jahr werden es ausweislich des Haushalts 2010 7,5 Millionen € sein.

Dass wir hier so aktiv sind, zahlt sich aus. Wir haben heute sieben Rektorinnen an unseren Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Immerhin rund ein Fünftel unserer Universitäten und Fachhochschulen wird heute von Frauen geleitet. 2005, am Ende Ihrer langen Regierungszeit, waren es nur zwei Rektorinnen. Das heißt, wir haben dort einen Zuwachs von 250 %, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das ohne Quote.

Statt wie unsere Vorgänger investieren wir nämlich nicht einfach mit der Gießkanne in Gleichstellungsprojekte, sondern orientieren uns vor allem am Ergebnis. Wir haben endlich ein wirksames Mittel zur Förderung von Wissenschaftlerinnen eingeführt. Seit 2007 setzen wir vor allem auf strukturelle Anreize, die Eigeninitiative der Hochschulen zu fördern. Das korrespondiert mit der Föderalismusreform, mit der Autonomie der Hochschulen, und wir berücksichtigen damit, dass die Hochschulen im Wettbewerb miteinander stehen.

Dass diese Neuausrichtung dringend nötig war, zeigen die beklagenswerten Ergebnisse des CEWS-Rankings, auf das sich die Fraktion Bünd

nis 90/Die Grünen mit ihrem Antrag bezieht. Diese Daten basieren, liebe Frau Seidl, in den wesentlichen Parametern aber – dabei bleibe ich – auf Zahlen der Jahre 2003 bis 2005. Damals war die Situation so, wie im Statusbericht zur Gleichstellung dargestellt, den Sie mit den Großen Anfragen 22 und 23 angefordert haben.

Herr Minister, es gibt eine Zwischenfrage.

Nein, ich möchte gerne zu Ende führen. – Ich nehme Ihren Faktencheck entgegen und beantworte ihn gerne noch einmal.

Frauen waren – und sind es leider immer noch – in den höheren Karrierestufen an nordrheinwestfälischen Hochschulen unterrepräsentiert. Das gilt in unterschiedlicher Ausprägung für fast alle Fachrichtungen und Karrierestufen. Offenbar hat Ihre Politik nicht so viel gebracht, wie Sie vollmundig angekündigt hatten.

Sie werden also mit Erleichterung hören, dass unsere Neuausrichtung mehr Erfolge zeigt und zusätzliche verspricht. Wir sind pragmatisch vorgegangen und haben darauf geachtet, dass die Hochschulen erfolgreiche Projekte und Maßnahmen entsprechend ihrem Profil weiterführen bzw. neue Maßnahmen entwickeln können.

Gender Mainstreaming ist als eigener Abschnitt in die Anfang 2007 geschlossenen Ziel- und Leistungsvereinbarungen aufgenommen worden. Je nach Profil der Hochschule wird dort zum Beispiel festgehalten, dass die Gleichstellungsbeauftragten eigene Mittel für Projekte bekommen oder dass eine gezielte Personalentwicklung mit Blick auf die Frauen stattfindet.

Zusätzlich hat mein Ministerium, wie gesagt, ein finanzielles Anreizsystem geschaffen, das die Hochschulen zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen motivieren soll. Wir unterstützen sie, wie zu Beginn erläutert, in ihren Gleichstellungsbemühungen mit deutlich mehr Mitteln als je zuvor.

Wie die Hochschulen Frauen fördern, entscheiden sie aber selbst. Diese Vielfalt halte ich für das eigentliche Erfolgsrezept. Beispielhaft zu nennen sind hier Mentoring- und Coachingprogramme für Nachwuchswissenschaftlerinnen, Stipendien, zusätzliche Ausstattung, Finanzierung von Forschungsaufenthalten im Ausland und vieles mehr.

Ein weiterer Baustein ist die leistungsorientierte Mittelvergabe, die sogenannte LOM, mit der es eben auch gelingt, Studentinnen und Promovendinnen vor allen Dingen in den natur- und ingenieur

wissenschaftlichen Disziplinen noch stärker zu fördern.

Außerdem stellen wir Zentralmittel zur Verfügung und Mittel für die Erstellung des Genderreports, der die Aktivitäten der Hochschulen dokumentiert.

Der Vorwurf, den Hochschulen stünden zu wenig Mittel zur Verfügung, um den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, ist also an den Haaren herbeigezogen – vor allen Dingen, wenn man den Vergleich zu früheren Jahren anstrebt –,

(Beifall von der FDP)

zumal wir einiges tun, um jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Spagat zwischen Beruf und Familie zu erleichtern. Auch dieses Thema, zum Beispiel Kinderbetreuungsangebote, von Frau Pieper-von Heiden bereits angesprochen,

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

greifen wir in den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen auf. Anfang des Jahres haben wir dafür einen eigenen Genderpreis ausgeschrieben, der für Fachhochschulen und Universitäten mit je 100.000 € dotiert ist.