Protocol of the Session on September 9, 2009

Wann und wo hat Ministerpräsident Jürgen Rüttgers seine herabsetzenden Äußerungen über Rumänen getroffen?

(Unruhe – Zurufe von der CDU: Schriftlich!)

Ich weise darauf hin, dass eine Verbindung der Anfrage 321 mit der Anfrage 322 der Abgeordneten Altenkamp von der Fraktion der SPD …

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es wunderbar, dass Sie einen solch regen Kommunikationsbedarf haben. Ich wäre Ihnen trotzdem dankbar, wenn Sie mir im Augenblick Ihre Aufmerksamkeit schenken würden. Die Frau Kollegin Altenkamp von der Fraktion der SPD hat die Mündliche Anfrage 322 zum Thema „Hat Bundeskanzlerin Merkel die bundesweit als fremdenfeindliche Entgleisung empfundene Aussage des Ministerpräsident gut geheißen?“ gestellt. Ich frage Sie, ob Sie damit einverstanden sind, dass wir diese beiden Fragen im Zusammenhang beantworten, natürlich mit dem entsprechenden Nachfragerecht für beide Antragsteller. – Ich sehe keinen Widerspruch.

Ich rufe damit auch auf die

Mündliche Anfrage 322

der Abgeordneten Altenkamp von der Fraktion der SPD:

Hat Bundeskanzlerin Merkel die bundesweit als fremdenfeindliche Entgleisung empfundene Aussage des Ministerpräsidenten gutgeheißen?

Ministerpräsident Rüttgers hat auf einer Wahlkampfkundgebung in Duisburg am 26. August ausweislich eines Mitschnitts auf der Internetplattform YouTube wörtlich ausgeführt: „Im Unterschied zu den Arbeitnehmern hier im Ruhrgebiet kommen die in Rumänien eben nicht morgens um sieben zur ersten Schicht und bleiben bis zum Schluss da. Sondern sie kommen und gehen, wann sie wollen, und wissen nicht, was sie tun.“ Diese Aussagen von Ministerpräsident Rüttgers haben bundesweit Empörung ausgelöst. Regierungssprecher Dr. Wichter hat laut Presseveröffentlichungen versucht, die Aussagen des Ministerpräsidenten zu relativieren. Er verwies darauf, dass Herr Rüttgers seine kritische Passage zur Arbeitsmoral von rumänischen Arbeitnehmern auch bei einer Wahlkampfveranstaltung in Bonn im Beisein von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel getätigt habe – „unwidersprochen“, wie Dr. Wichter ausdrücklich betonte.

Hat nach Ansicht der Staatskanzlei Bundeskanzlerin Merkel die bundesweit als fremdenfeindliche

Entgleisung empfundene Aussage des Ministerpräsidenten damit gutgeheißen?

Ich bitte Herrn Minister Krautscheid um die Beantwortung der beiden Fragen. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich beantworte zunächst die Frage des Abgeordneten Priggen nach dem Wann und Wo.

Ich kann vonseiten der Landesregierung die Zeitpunkte, nach denen Sie fragen, auch nur nach den uns vorliegenden Aufzeichnungen rekonstruieren. Nach den Videos, die man an verschiedenen Stellen sehen kann, ist er in Duisburg am Mittwoch, den 26. August, und in Münster am Freitag, den 28. August, gewesen. Am 27., also dazwischen, stand schon das erste Video auf der entsprechenden Homepage.

Der Ministerpräsident hat sich dort in seiner Rede vor allen Dingen mit aus seiner und unserer Sicht falschen und unklugen Standortentscheidungen auseinandergesetzt und sich nicht mit Rumänien, sondern mit einer konkreten Entscheidung für ein konkretes Werk beschäftigt. Er hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass zukünftig bei solchen Standortentscheidungen die Interessen der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker ins Gewicht fallen sollen.

(Beifall von der CDU)

Soweit darüber hinaus gehende Äußerungen gefallen sind, die Dritte betroffen haben, hat er sich dafür in vollem Umfang entschuldigt.

(Frank Sichau [SPD]: Während der Rede?)

Vielen Dank, Herr Minister.

(Zuruf von der SPD: Und was ist mit der zwei- ten Frage?)

Danke für den Hinweis. Bitte, Herr Minister.

Frau Abgeordnete Altenkamp, die Bundeskanzlerin hat sich bislang zu diesen Fragen nicht geäußert.

Frau Abgeordnete Altenkamp hat das Wort für ihre erste Nachfrage. Bitte schön, Frau Altenkamp.

Vielen Dank – Herr Minister, trifft es zu, dass bei der Veranstaltung in Bonn Frau Merkel zugegen war?

Frau Abgeordnete, es war eine außerordentlich gut besuchte Wahlkampfveranstaltung, wie ich der Presse entnommen habe. Die vielen tausend Menschen sind insbesondere wegen der Bundeskanzlerin gekommen.

Herr Kollege Priggen.

Herr Krautscheid, ich möchte zunächst deutlich sagen, dass ich persönlich es befremdlich finde, dass der Ministerpräsident auf die Fragen nicht selber antwortet, weil es seine Äußerungen waren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich möchte meine Frage präzisieren. Mir liegen acht weitere Veranstaltungen vor, die im Rahmen des Kommunalwahlkampfes durchgeführt wurden. Man musste ja, wenn man den Videofilm gesehen hat, den Eindruck haben, dass das ein Teilelement einer Rede ist, wie wir das alle machen, die man an vielen Orten hält.

Ich zähle diese acht Veranstaltungen auf: Am Samstag, den 15. August, war er in Oberhausen, am Mittwoch, den 19. August, in Bielefeld, am Freitag, den 21. August, in Bergisch Gladbach, am 26. August in Mönchengladbach, am 26. August in Krefeld, am 28. August in Mülheim und in Wuppertal und am 29. August in Köln. Können Sie ausschließen, dass in den Reden an diesen Orten das gleiche Versatzstück wieder benutzt worden ist, das sich mit der Disziplin der rumänischen Arbeiter beschäftigt?

Herr Minister.

Zum ersten Teil Ihrer Frage, Herr Abgeordneter: Ich habe mich bei der Beantwortung dieser Frage durch mich an dieser Stelle an die Spielregeln gehalten, die auch für meine Vorgänger und für die Ministerpräsidenten vor Herrn Rüttgers in der Fragestunde gegolten haben. Es ist ständige Übung des Hauses, dass der Minister in der Staatskanzlei hier zur Fragestunde zur Verfügung steht.

(Beifall von der CDU)

Zweitens. Sie haben durch die Aufzählung gesehen, wie nahe der Ministerpräsident bei den Menschen ist und wie viele Menschen er im Wahlkampf sieht.

(Beifall von der CDU)

Mir liegen keinerlei Aufzeichnungen – weder per Video noch per Tonband – von einer der von Ihnen beschriebenen Auftritte vor, sodass wir selbstver

ständlich auch nicht rekonstruieren können, welche Äußerung wann gefallen ist, zumal es sich hierbei – darauf darf ich auch hinweisen – um Parteitermine und nicht um Regierungstermine handelt. Sie wissen, dass wir hier sehr genau und sauber trennen. Das war nicht immer so.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Fragesteller hat der Kollege Link das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Das war nicht immer so“, waren die letzten Worte von Herrn Krautscheid. Ich finde, das ist eine schöne Überleitung, denn es war wirklich nicht immer so, dass sich der Ministerpräsident in dieser Art und Weise über andere Nationen geäußert hat.

Sie haben gerade gesagt, es sei ständige Praxis, dass der Minister aus der Staatskanzlei antwortet. Meine Frage ist – bezogen auf die letzte Antwort des Ministers Krautscheid –: Gab es in der Vergangenheit vergleichbare Fälle, bei denen ein Ministerpräsident bei einer derartigen höchstpersönlichen Entgleisung seinen Minister aus der Staatskanzlei geschickt hat, ja oder nein?

Herr Minister.

Herr Abgeordneter Link, da ich mich in meiner Erinnerung nur unscharf entsinne, würde ich das gerne prüfen.

Ich glaube, dass sich Ministerpräsidenten in der Vergangenheit Entgleisungen haben zuschulden kommen lassen, die sie nicht persönlich vor diesem Haus verantwortet haben, hier nicht immer persönlich vertreten haben. Ich kann Ihnen gerne einige Beispiele von früheren Ministerpräsidenten heraussuchen und Ihnen sowie auch den anderen Abgeordneten schriftlich zukommen lassen.

(Beifall von der CDU)

Frau Kollegin Altenkamp.

Herr Minister, nun geht es in meiner Frage um die Veranstaltung in Bonn, bei der die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel zugegen war. Es ist nicht von uns, sondern vom Regierungssprecher Herrn Dr. Wichter der Hinweis gekommen, dass bei einer Veranstaltung in Bonn die Äußerungen gefallen seien und die Bundeskanzlerin daneben gestanden und keinerlei Beanstandungen daran gehabt habe.

Nun frage ich Sie: Gehen Sie mit dieser Äußerung und ging Herr Dr. Wichter mit seiner Äußerung davon aus, dass, wenn Frau Dr. Merkel keinerlei Zweifel an solchen Äußerungen hat, die Äußerungen damit richtig sind?

Wenn Sie sich die Äußerung des Regierungssprechers genau vor Augen führen, dann stellen Sie fest, dass er lediglich darauf hingewiesen hat – schauen Sie bitte sehr genau hin –, dass die Rede des Ministerpräsidenten in Bonn, die in Anwesenheit der Kanzlerin gehalten worden ist, von niemandem beanstandet wurde. Herr Wichter hat – ich kann das überhaupt nicht nachprüfen, weil ich keine Aufzeichnung davon habe – nicht behauptet, dass diese Äußerung in Bonn gefallen ist. Er hat lediglich gesagt, dass die Rede des Ministerpräsidenten nicht beanstandet worden ist, übrigens auch nicht von den rund, wie ich gehört habe, rund 40 Journalisten aus Berlin und Düsseldorf, die zugegen waren, zugehört haben und jedenfalls an dieser Rede nichts auszusetzen hatten.

(Beifall von der CDU)