Das wusste übrigens schon Gabi Behler, als sie noch Ministerin war. Aber es durfte nicht sein, weil es eben nicht in Ihr Konzept passte und die Öffentlichkeit nichts davon erfahren durfte. Frau Sommer hatte den Mut, nicht nur das Problem anzusprechen, sondern auch einen Hilfsplan für die Schulen aufzulegen, die schlechter abgeschnitten hatten. Offensichtlich ist der Umstand, dass sich die Differenz zwischen Prüfung und Vornote zwischen Gesamtschule und Gymnasium allmählich verringert hat, das Ergebnis der schwarz-gelben Schulpolitik. Das ist eine Stärkung der Gesamtschule; Sie haben es eben anders genannt.
Ein anderer Punkt: Sie greifen immer wieder die Anmeldeüberhänge bei den Gesamtschulen auf. Auch das ist nichts Neues. Denn die gab es bereits in den 90er-Jahren. Der Kollege Hollstein hat das vorhin gesagt. Die Zahl derjenigen, die keinen Platz finden, liegt seit rund zehn Jahren immer bei etwa 14 %. Exministerin Schäfer hat trotzdem keine einzige neue Gesamtschule genehmigt.
In der Regierungszeit der neuen Koalition sind drei Gesamtschulen und zwei private entstanden. Das sind fünf, wesentlich mehr als bei Frau Schäfer – ich
Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Bemerkung zu Ihrem seltsamen Gerechtigkeitsverständnis, das mich erregt, machen und damit auch den wesentlichen Grund für die Ablehnung Ihres Antrags nennen. Im März 2005 – ich möchte an die Zahlen erinnern, als Sie in der Verantwortung waren – schien es für die selbsternannten Moralsheriffs und Gleichheitsprediger kein Problem zu sein, wenn rund 97 % der Gesamtschulen mit Ganztag ausgestattet waren, während laut Schulstatistik in diesem Jahr nicht einmal 5 % der Gymnasien und weniger als 4 % der Realschulen mit Ganztagsbetrieb ausgestattet waren.
Unglaublich ist in Ihrem Antrag die Aufforderung, vor allem – so heißt es dort – die diskriminierende Regelung aufzuheben, die Gesamtschule als einzige Schulform vom Ganztagsausbau auszunehmen.
Wenn wir nun Gesamtschulen nicht mehr bevorzugen, sondern endlich den anderen Schulformen nach und nach ähnliche Rahmenbedingungen gewähren und Sie das diskriminierend nennen, ist das, was Sie zum Beispiel den Hauptschulen angetan haben, nicht nur diskriminierend, sondern geradezu ein unverzeihbares Vergehen.
Es war in höchstem Maße pädagogisch und sozial ungerecht, dieser oft am meisten belasteten Schulform die Chance des Ganztags zu verweigern.
Was ist das für ein Verständnis von Gerechtigkeit, wenn Sie gutheißen, dass eine einzelne Schulform über Jahrzehnte privilegiert wurde, während den anderen die Möglichkeit zur Verbesserung des Angebots versagt bliebe?
Wenn jemand jahrzehntelang ganze Schülergruppen diskriminiert hat, sind Sie es von Rot-Grün, und damit haben wir Schluss gemacht.
Vielen Dank, Herr Kollege Recker. – Ich darf noch einmal an die verabredeten Redezeiten der Fraktionen erinnern und gebe nun der Frau Abgeordneten Beer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort, die noch 1 Minute 33 Sekunden Redezeit hat. – Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war in der Tat erhellend, was wir hier gehört haben.
Wenn Herr Pinkwart in seinem Wahlkreis eine Gesamtschulneugründung unterstützt, macht er das als Privatmann. Dann ist er nicht mehr Minister, und dann ist er auch kein FDP-Vorsitzender mehr. Dann muss er offensichtlich die Identität wechseln.
Das ist schon interessant. Aber noch interessanter war der Satz von Herrn Witzel: Wir haben nicht zu wenige Gesamtschulen in NRW, sondern zu viele. – Da wissen die Eltern, was nach der Wahl 2010 in diesem Land auf sie zukommt.
Das sind genau die Pläne, die offensichtlich in der Schublade liegen, und das wird die Eltern auf die Barrikaden treiben.
Das ist genau die Aussage, die jetzt durch das Land gehen wird, und das ist die Botschaft der FDP an die Eltern in Nordrhein-Westfalen, die für ihre Kinder einen Gesamtschulplatz haben wollen.
Herr Hollstein, mit dem Thema „individuelle Förderung“ ist es uns wirklich ernst. Aber wer individuelle Förderung möchte, der darf nicht Kinder im Alter zwischen acht und neun Jahren vorsortieren und in Einheitsschulformschubladen tun, so wie Sie das machen. Sie sind dafür verantwortlich, dass in diesem Land die Durchlässigkeit in der Sekundarstufe I gegen null gefahren worden ist. Auch das ist die Last, die Sie zu tragen haben, und darüber werden wir uns im Landtagswahlkampf in der Tat noch viel unterhalten können.
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. Auch dafür, dass Sie Ihre Redezeit eingehalten haben, einen ganz herzlichen Dank. – Herr Kollege Witzel hat noch einmal für die Fraktion der FDP das Wort erbeten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Beer, es ist wirklich niveaulos, wie Sie immer versuchen, die Fakten beiseite zu schieben.
Die vermeintlich nicht so große Differenz bei der Abiturdurchschnittsnote zwischen Gymnasien und Gesamtschulen – das wissen Sie aus allen fachlichen Untersuchungen, die wir im Bildungsausschuss dieses Hauses vorgenommen haben – blendet den Faktor eines massiven Notenliftings an den Gesamtschulen aus.
80 % der Notenpunkte für die Durchschnittsnote stammen nämlich aus dezentralen Zensuren für Vorleistungen; nur 20 % stammen aus den Ergebnissen der zentralen Abiturprüfung selbst.
Wenn die Schüler von Gymnasien und Gesamtschulen im direkten Vergleich des Zentralabiturs aufeinandertreffen, zeigt sich: Die Gymnasiasten sind in fast jedem Fach relativ zu schlecht bewertet worden. Die Noten der Gesamtschüler hingegen weichen bei der Zentralprüfung in fast jedem Fach nach unten ab.
Am stärksten ist das Notenlifting in den naturwissenschaftlichen Fächern. Die Noten der Gymnasiasten und der Gesamtschüler unterscheiden sich laut Vornote in Physik kaum: 8,8 Notenpunkte bei den Gymnasiasten im Vergleich zu 8,1 Notenpunkten bei den Gesamtschülern. Bei der gemeinsamen Zentralprüfung zeigt sich die wahre Leistungsdifferenz: 8,4 Notenpunkte für die Gymnasiasten im Vergleich zu 5,2 Notenpunkten für die Gesamtschüler. Oder Mathematik: 8,2 Notenpunkte Gymnasium zu 4,6 Notenpunkten Gesamtschule.
Die Abweichungen, die im Zentralabitur auftreten, werden überkompensiert, weil 80 % der Abiturdurchschnittsnote eben nicht in einer zentralen Prüfung erzielt werden, sondern auf dezentralen Vorleistungen beruhen.
Frau Beer, Sie wissen, dass völlig andere Abiturfächer gewählt werden. Sie wissen aus allen Untersuchungen, dass gerade die punkteträchtigen Fächer an Gesamtschulen überproportional häufig gewählt werden und dass die anforderungshöheren Fächer dort überproportional stark abgewählt werden. All
das gehört zu einem ehrlichen Vergleich dazu, nicht nur die Diskussion über die Stellen nach dem Komma.