Protocol of the Session on September 9, 2009

(Zuruf von den GRÜNEN: Das hat sie doch gesagt!)

Entschuldigung, das war kein Zitat von mir, sondern das war das Zitat eines Journalisten.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ich würde mich jetzt einfach nur entschuldigen! – Lothar Hege- mann [CDU]: Sei ruhig, Groth!)

Ich habe Ihnen vorgelesen, was ich damals argumentativ vor Hunderttausenden von NordrheinWestfalen vorgetragen habe. Das ist nicht identisch mit dem, was hier suggeriert wird.

Zum Zweiten haben Sie, wenn ich es richtig verstanden habe, bei dem Fall eines muslimischen Migranten von seinen beiden Eltern gesprochen. Möglicherweise habe ich das falsch gehört. Damit das klar ist, sage ich noch einmal, dass hier ein Journalist über mich schreibt: … arbeitete sich an einem muslimischen Migranten ab, der in Deutschland gleich noch seine beiden Ehefrauen – nicht Eltern – krankenversichern wollte. – Das heißt, bei dem bekannten Fall ging es um die Frage, ob man in Deutschland, wenn man nach seinem Glauben eine zweite Ehefrau haben darf, auch die zweite Ehefrau nach unseren Krankenversicherungsgesetzen …

(Zuruf von den GRÜNEN – Ewald Groth [GRÜNE]: Wiederholungstäter! Darf ich ver- dammt noch mal um Entschuldigung bitten?)

Entschuldigen Sie mal, das war Gegenstand von Urteilen und ist inzwischen geändert worden. Ich bin auch der Auffassung – und dabei bleibe ich –, dass wir nach wie vor allein schon aufgrund unseres Menschenbildes und unseres Verständnisses der Frau nicht akzeptieren sollten, dass man in Deutschland zwei Ehefrauen haben darf.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Ministerpräsident. – Nun ist Herr Sagel dran.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das war ein wörtliches Zitat, und das war nicht demen- tiert!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das heute der Anfang von Ihrem Ende war.

(Zurufe von CDU und FDP)

So schwach, wie ich Sie heute erlebt habe, habe ich Sie im Landtag noch nie erlebt. Man hat den Eindruck, dass das ähnlich wie bei Herrn Althaus ist. Ich habe den Eindruck, Sie sind nur noch ein Ministerpräsident auf Abruf. Der Abruf wird spätestens am 9. Mai des nächsten Jahres kommen.

Denn eines ist klar, wenn man die Debatte heute gehört hat: Hier halten sich Leute gegenseitig vor, wie toll sie die Wahlen gewonnen haben, obgleich sie richtige Niederlagen eingefahren haben. Wenn hier jemand die Wahlen gewonnen hat, dann sind es ganz minimal die Grünen gewesen, die in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu den letzten Kommunalwahlen etwas zugelegt haben; und die Linke hat 3 % dazugewonnen. Das ist die Realität.

Die Wahlergebnisse in Thüringen, in Sachsen und vor allem im Saarland sprechen, glaube ich, für sich, wenn es darum geht, wer tatsächlich etwas in diesem Land bewegt. Ich kann nur sagen: Links wirkt. Je stärker die Linke, desto sozialer das Land. Das ist die Realität, der Sie sich hier stellen müssen. Ich kann mich teilweise nur wundern über das, was hier gesagt worden ist.

Herr Ministerpräsident, eine Frage ist mir gekommen, als Sie gesagt haben, wir müssten wieder mehr arbeiten. Mehr arbeiten als die Rumänen? – Ich zitiere die „WAZ“ von gestern. Da heißt es: Arbeitgeber loben fleißige Rumänen. Laut Statistik liegt Rüttgers mit seinem Spruch von den faulen Rumänen daneben. Sie arbeiten länger als Deutsche. – Meinen Sie das, Herr Rüttgers? Dazu hätte ich gerne noch etwas von Ihnen gehört.

NRW ist nicht nur finanzpolitisch ganz unten angekommen, sondern auch – was gesellschaftlich noch schlimmer ist – beim Bodensatz ausländerfeindlicher Ressentiments. Dafür sind Sie verantwortlich, Herr Ministerpräsident. Mit fremdenfeindlichen Parolen haben Sie dem Ansehen des Landes schweren Schaden zugefügt. Sie sind ein Wiederholungstäter; das ist hier heute deutlich geworden. Sie haben wieder einmal den rechten Rand im Land bedient. Deswegen ist das auch nicht verzeihlich und mit einer Entschuldigung sicherlich nicht getan. Es fehlt bei Ihnen ganz offensichtlich an Einsicht. Und es ist kein Wunder, dass Sie jetzt der Volksverhetzung

bezichtigt werden und deswegen auch angezeigt worden sind.

Das scheint aber Kalkül bei Ihnen zu sein. Ihr wüster Generalsekretär hat sich ja wieder hinter Sie gestellt. Den würde ich tatsächlich einmal als Rechtsextremisten bezeichnen,

(Zuruf von der CDU)

denn er ist schon in der Vergangenheit mit solchen Sprüchen aufgefallen. Das gilt im Übrigen auch für einige andere Abgeordnete Ihrer Fraktion; ich erinnere da nur an Dr. Sternberg vor zwei Jahren.

Kalkulierter Rassismus, wie er hier betrieben wird, ist nicht hinnehmbar. Das Gift, Herr Stahl, von dem hier gesprochen wurde, das sitzt hier auf der Regierungsbank. Da werden nämlich diese ausländerfeindlichen Ressentiments geschürt. Sie sind – das kann man auch so deutlich sagen – auf dem rechten Auge blind. Es ist schändlich, was Sie hier machen, und alles andere als produktiv für die Völkerverständigung.

Das zeigt im Übrigen auch, wie hochgradig nervös die CDU und die FDP hier im Land sind. Denn eines ist klar: Die Wahlen sind alles andere als gewonnen für Sie, weder die Bundestagswahl noch die Landtagswahl. Diese Nervosität ist deutlich erkennbar.

Schauen wir uns aber einmal den Landeshaushalt an, denn er sollte heute ja eigentlich das Thema sein.

Herr Sagel, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wie? Jetzt schon?

(Beifall von der CDU)

Das kann doch gar nicht sein. – Ich wollte jedenfalls kurz noch etwas zum Landeshaushalt sagen.

(Zuruf von der CDU: Ausschalten!)

Der Landeshaushalt zeigt sehr deutlich, dass Sie mit Ihrer Schuldenbegrenzungspolitik überhaupt keinen Staat machen können. Die 130 Milliarden €, die ich Ihnen am Anfang der Legislaturperiode prophezeit habe, die haben Sie jetzt – das sieht man, wenn man in die mittelfristige Finanzplanung hineinsieht – mit dem Haushalt 2010 mit 129,1 Milliarden Euro fast punktgenau – wie von mir vorausgesagt – erreicht. Dann gibt es noch einen jährlichen Schuldendienst von über 5 Milliarden € bei Steigerungen in den nächsten Jahren von über 6 Milliarden € und immer wieder neuen Schulden in den Haushalten. Das zeigt, dass Sie mit Ihrer Politik vollständig ge

scheitert sind. Herr Linssen ist eigentlich derjenige, der längst hätte zurücktreten müssen.

(Zurufe)

Das ist die reale Politik, die man hier erlebt, verbunden mit einem sozialen Kahlschlag, der viele Menschen nicht nur im Abseits stehenlässt, sondern jetzt auch an den Abgrund bringt. Wenn man sieht, was Sie jetzt in der Wohnungspolitik mit dem Wohnungsbauvermögen anstellen, dann wird das sehr deutlich. Ihre Ideologie „Privat vor Staat“, die Herr Papke heute noch einmal zum Besten gegeben hat, zeigt sehr deutlich, dass das völlig kontraproduktiv für die Menschen in Nordrhein-Westfalen ist. Dass sie die rumänischen Arbeiter beschimpfen, ist nur der i-Punkt auf dem, was hier ansonsten an Politik gemacht wird.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir kämpfen für eine konsequente soziale Politik. Dafür kämpft die Linke. Original sozial – das ist unser Slogan, unsere Prämisse. Diese Politik werden wir hier auch in den nächsten Jahren fortsetzen.

Herr Sagel, bleiben Sie bitte hier. Sie haben gerade bezogen auf den Kollegen Wüst geäußert, Sie würden ihn als Rechtsextremisten bezeichnen. Ich rüge Sie dafür.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Rednerliste fort. Hat eine Fraktion noch Redebedarf zum Haushalt, bevor wir zum GFG kommen? – Bitte, Herr Groth.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir schwer, jetzt einfach so zur Tagesordnung überzugehen und über den Landeshaushalt zu reden. Ich persönlich fühle mich sehr betroffen von dem, was hier heute nicht geschehen ist. Ich habe die Worte „Es tut mir leid“ nicht gehört. Die hätte ich hier heute gerne gehört.

Man kann mal was falsch machen. Aber wenn man, wie Sie, Herr Ministerpräsident, solche Dinge immer wieder von sich gibt, dann ist dahinter ein bestimmtes Menschen- und Weltbild verborgen. Dafür muss man um Entschuldigung bitten, und man muss versuchen, es nicht wieder zu tun. Aber Sie hatten nicht die Größe, das an diesem Tag hier einzugestehen. Das macht mich persönlich sehr betroffen. Ich hätte mir da mehr von Ihnen erwartet, obwohl Sie nicht von meiner Partei sind.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Finanzminister Linssen hat angeblich den Grundsatz der vorsichtigen Kalkulation in das Land Nordrhein-Westfalen eingebracht. Ich kann dazu nur sagen: Die Haushaltszahlen sprechen eine andere Sprache, Herr

Finanzminister. Was Sie, aber auch die Rednerinnen und Redner der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP hier vortragen, ist ein wahres Zerrbild der Wirklichkeit. Sie haben doch das höchste Ausgabevolumen aller Zeiten. Dabei haben Sie selbst jetzt noch – angesichts einer Krise, hinter der Sie sich verstecken mögen; Sie versuchen, eine Nichtverantwortung für diesen Landeshaushalt und das, was in diesem Land passiert, zu konstruieren – 2,3 Milliarden € höhere Mehreinnahmen als RotGrün im Jahre 2004.

Hinzu kommt: Sie haben nicht nur diese Mehreinnahmen, sondern planen gleichzeitig mit 6,6 Milliarden € Nettoneuverschuldung. Das schlägt dem Fass den Boden aus, meine Damen und Herren. Sie machen netto immer noch 6,6 Milliarden € neue Schulden. Sie machen nur deshalb diese 6,6 Milliarden €, die im Grunde auch schon geschönt sind, weil Sie damit noch 100 Millionen € unter der Marke von Rot-Grün für die höchste je dagewesene Nettoneuverschuldung liegen. Diese Marke wollen Sie nicht reißen. Ich biete Ihnen aber jede Wette an, dass Sie nach der NovemberSteuerschätzung darüber liegen müssen – es sei denn, Sie finden weitere Tricks und Möglichkeiten zur Täuschung dieses Parlaments und der Öffentlichkeit im Bereich des Haushalts, wie wir sie aus den letzten Jahren bereits kennen.

Meine Damen und Herren, der Landeshaushalt hat sich um mehr als 1 Milliarde € pro Jahr bei den Kommunen entlastet. Er hat sich um über 1 Milliarde € bei der Besoldung der Angestellten und Beamten des Landes entlastet. Da haben Sie sich mit falschen Versprechungen sozusagen ins Amt wählen lassen, indem Sie gesagt haben: Das alles wird nicht so bleiben, wie es ist. Wir nehmen die ganzen Kürzungen zurück. – Stattdessen haben Sie die Kürzungen verschlimmbessert.

Herr Finanzminister, Sie sagen, angesichts der hohen Versorgungslasten müsse man die Kürzungen, die Sie machen, verstehen. Dazu kann ich nur sagen: Was ist denn mit den rund 1.000 Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten, was ist mit den Steuer-, Betriebs- und Wirtschaftsprüfern, die Sie im letzten Jahr alle in den Vorruhestand geschickt haben? Natürlich erhöhen die die Versorgungslasten. Aber nicht nur das: Die erbringen auch keine Leistung mehr für den Landeshaushalt. Weder arbeiten sie in den Finanzämtern Nordrhein-Westfalens, noch holen sie die Millionenbeträge herein, die wir eigentlich brauchen, um die Ausgaben zu schultern, die geschultert werden müssen.

Ich bleibe dabei, weil es stimmt: Sie haben die höchsten Ausgaben aller Zeiten. Gleichzeitig sind Sie nicht in der Lage, die drängendsten Probleme des Landeshaushaltes in der Sozialpolitik, der Bildungspolitik und der Ökologie tatsächlich angemessen zu lösen. Das genaue Gegenteil ist der Fall.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich gehe nur auf das KiBiz ein. Es ist eindeutig: Sprechen Sie einmal mit einer gesunden Erzieherin, mit einem gesunden Erzieher. Alle werden Ihnen sagen, was für eine Verschlechterung und Verschlimmbesserung das KiBiz für jede Kindertagesstättengruppe in ganz Nordrhein-Westfalen bedeutet. Die Eltern werden Ihnen keinen Glauben schenken, weil sie die Realität vor Ort täglich erleben.

Das Gleiche passiert natürlich in den Schulen des Landes. Die Menschen wissen, dass Unterricht ausfällt. Die Eltern wissen es, die Schüler wissen es.

Sie haben das Ohr nicht mehr in der Bevölkerung. Fragen Sie einmal vor Ort nach. Auch diese Probleme sind nicht gelöst.