Protocol of the Session on June 25, 2009

Es ist ein ganz zentrales Anliegen dieser Landesregierung gerade vor dem Hintergrund des Ziels, Nordrhein-Westfalen zum Innovationsland Nummer eins in Deutschland zu machen, jungen Frauen und Frauen insgesamt bessere Perspektiven gerade auch in Forschung und Lehre zu eröffnen und ihren Anteil an den Hochschulen nachhaltig zu erhöhen.

Das wurde auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass – dafür möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Hause bedanken – wir Ihnen eine sehr umfangreiche Antwort haben vorlegen können, die deutlich macht, dass wir das alles sehr ernst nehmen.

Ich möchte Ihnen zu den Zahlen Folgendes sagen: Uns liegen mittlerweile neuere Zahlen für 2008 vor. Die Lage ist nicht so, dass wir ein Schlusslichtland sind, wie es eingangs Frau Dr. Seidl dargestellt hat. Ich will Ihnen einmal sagen, wie sich der Frauenanteil bei den wichtigen C4-Professuren entwickelt hat. 2005 lag er bei 10,7 %, im Jahr 2008 bei 12,5 %. Bei den C3- und C4-Professuren zusammen ist der Frauenanteil von 14 % auf fast 17 % gestiegen.

Damit sind wir nicht Schlusslicht, sondern liegen im bundesdeutschen Vergleich über dem Durchschnitt. Ich will nicht sagen, dass wir damit schon am Ziel wären, wohl aber deutlich machen, dass wir uns auf einem guten kontinuierlichen Pfad bewegen, und zwar auch gemessen an den Erfolgen, die Sie während Ihrer Regierungszeit vorzuweisen hatten.

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE] schüttelt den Kopf.)

Da schütteln Sie den Kopf, aber Sie können doch nicht allen Ernstes behaupten – und das ist Ge

genstand Ihrer eigenen Anfrage –, dass Sie Nordhrein-Westfalen bis 2005 zu einem frauenpolitischen Vorzeigeland gemacht hätten und wir jetzt alles umkehren würden.

(Beifall von der CDU)

Wir steigern in allen Bereichen der Wissenschaft den Anteil von Frauen. Zum Beispiel bei dem wissenschaftlichen Personal ist der Anteil von Frauen von 26 % auf fast 29 % gestiegen, bei den bereits angesprochenen Juniorprofessuren ist er von 18,8 % im Jahr 2005 auf sogar 35,4 % gestiegen. Im Hinblick darauf können Sie nicht wirklich behaupten, dass hier alles schlecht wäre.

Sehr gut hat mir gefallen, was Frau Boos gesagt hat; das teile ich absolut. Im Hinblick auf die Vorbildfunktion ist es natürlich richtig, dass wir es schaffen müssen, dass Frauen auch in herausgehobene Positionen berufen werden. Diesbezüglich sind zum Beispiel die Rektoren- und Präsidentenämter wichtig. Frau Boos, Sie selbst haben Ihre eigene Leistungsbilanz vorgetragen. An den staatlichen Fachhochschulen und Universitäten gab es zu Ihrer Amtszeit den Rekord von zwei Rektorinnen, eine Fachhochschulrektorin und eine Universitätsrektorin. Ich freue mich, heute hier mitteilen zu können, dass wir unter Einbezug unserer neuen Fachhochschulgründungen mittlerweile nicht nur eine Universitätsrektorin haben, sondern zwei und nicht nur eine Fachhochschulrektorin, sondern drei.

(Beifall von CDU und FDP)

Insgesamt ist die Zahl damit von zwei auf fünf gestiegen. Das heißt natürlich nicht, dass das nicht noch ausbaufähig wäre. Aber wir hatten bisher nur vier Jahre, die Grünen hatten zehn Jahre, und die SPD hatte eine noch viel längere Zeit. Wenn das Wachstum in den nächsten Jahren so weitergeht, kommen wir auf die Zahlen, die wir uns wünschen.

Das wird mit Blick auf die Rektorinnen der neuen Fachhochschulen deutlich. Es gibt vier neue Fachhochschulen, und für zwei von diesen sind Präsidentinnen ausgewählt worden – das sind 50 % –, und zwar nicht, liebe Frau Boos, weil wir eine Quote im Kopf hatten oder glaubten, wir müssten irgendetwas beweisen, sondern weil wir die Besten haben wollten. Die beiden Präsidentinnen sind die Besten, die wir für diese Aufgaben gewinnen konnten. So muss Frauenförderung aussehen.

Denn nur wenn klar wird, dass es die Universitäten und Fachhochschulen, die zur Spitze gehören wollen, schaffen müssen, Wissenschaftlerinnen zu gewinnen, haben wir den Durchbruch in der Wissenschaftsszene erzielt. Deswegen wollen wir das Ansehen von Wissenschaftlerinnen auch in der Öffentlichkeit steigern, aus der Frauenförderung keinen Mitleidsakt machen und lehnen eine Quotenregelung ab. Wir erwarten, dass die Besten die Chance auf Spitzenämter bekommen. Wir haben Spitzenfrauen im Bereich der Wissenschaft und

wollen den Weg ebnen, auf dem Sie ganz nach vorne kommen können.

Deswegen haben wir uns auch erlaubt, die gezielte Frauenförderung für Hochschulen ergebnisbezogen zu gestalten. Wir fördern im Rahmen der leistungsorientierten Mittelverteilung nicht mehr, dass es in bestimmten Disziplinen nur Studentinnen gibt, sondern wir fördern, dass sie auch einen Abschluss schaffen. Im Rahmen der leistungsorientierten Mittelverteilung werden insbesondere im naturwissenschaftlich-technischen Bereich die Hochschulen besonders ausgezeichnet, die es schaffen, möglichst viele Absolventinnen in diesen Disziplinen hervorzubringen.

Im Rahmen unseres Professorinnenprogramms, für das wir in diesem Jahr 6,4 Millionen € bereitstellen, erhalten Hochschulen gezielt Mittel vom Land, wenn es ihnen gelungen ist, den Anteil von Professorinnen zu erhöhen. Auch dies ist ergebnisbezogen. Im nächsten Jahr werden wir nicht nur 6,4 Millionen €, sondern 7,5 Millionen € für dieses Programm zur Verfügung stellen. So viel Geld hat es für eine gezielte und ergebnisorientierte Förderung von Frauen im Land Nordhrein-Westfalen noch nie gegeben.

(Beifall von der CDU)

Daran wollen wir weiterarbeiten, und wir freuen uns über Ihre Unterstützung dabei.

Im Rahmen der Zentralmittel haben wir ferner die Koordinierungsstelle der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten und die Koordinierungsstelle des „Netzwerks Frauenforschung NRW“ unterstützt. Mit Stolz möchte ich außerdem feststellen, dass das Land Nordrhein-Westfalen auch national eine Spitzenstellung in der Genderforschung einnimmt. Aktuell vernetzen sich – auch mit Unterstützung des Innovationsministeriums – weit über 70 Professorinnen und rund 100 Wissenschaftlerinnen an über 25 Hochschulen unseres Landes im „Netzwerk Frauenforschung NRW“. Das Spektrum der Fachdisziplinen ist dabei sehr weit und umfasst diverse Disziplinen. Herr Lindner hat gerade angesprochen, wie wichtig Netzwerke sind. Deswegen wollen wir diese ganz gezielt unterstützen.

Wir haben darüber hinaus – das wissen Sie aus den Ausschussberatungen – einen Genderpreis ausgeschrieben. Daraufhin hat es eine rege Beteiligung der Hochschulen gegeben. Wir rechnen damit, dass wir die Auswahlentscheidung im September treffen können, um auch damit auf besondere Beiträge der Hochschulen zur Genderförderung aufmerksam machen zu können.

Last not least haben wir in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen ganz klare Vorgaben mit den Hochschulen verabredet, damit sie ihrerseits gezielt die Frauen und den Gendergedanken in den Hochschulen fördern. Es sind Mittel für die zu berufenden Gleichstellungsbeauftragten vorgesehen, und eine gezielte Personalentwicklung sowie die Veranke

rung von Genderstudies in den Studienplänen sind festgeschrieben. Sie sehen also, dass wir das Thema sehr umfassend und ganzheitlich angehen und unsere Zahlen – das möchte ich schon sehr selbstbewusst feststellen – sich sehen lassen können.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Aspekt ergänzen. Wir hatten ja heute früh Gelegenheit, über Bildung in den verschiedenen Phasen ganz allgemein zu reden. Ein zentraler Punkt, warum es in der Vergangenheit für Absolventinnen in den Hochschulen und junge Doktorandinnen besonders schwierig war, danach Führungspositionen anzustreben, war die erhebliche Unterversorgung in NordrheinWestfalen mit Unter-Dreijährigen-Plätzen. Sie waren es, die uns eine Schlusslichtposition an diesem entscheidenden Punkt hinterlassen haben.

(Beifall von der CDU)

Mit nur 2,8 % der Unter-Dreijährigen-Plätze waren Sie weit abgeschlagen von Bayern, BadenWürttemberg und anderen Ländern. Damit haben Sie es gerade den Wissenschaftlerinnen sehr schwer gemacht, Familie und Beruf miteinander in Einklang zu bringen. Das haben wir geändert. Es gibt heute nicht mehr 11.000, sondern 55.000 Betreuungsplätze. Im nächsten Jahr wird es 77.000 geben. Die Hochschulen beteiligen sich an diesen Programmen ganz aktiv und richten anknüpfend an unser KiBiz eigene Betreuungsangebote ein.

Ich halte das für eine zwingende Voraussetzung, damit sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gemeinsam für eine Familie mit Kindern entscheiden können, sodass keine der beiden Karrieren darunter leiden muss. Das ist für NordrheinWestfalen – das muss man leider sagen – ein neuer Politikansatz. Ich bin aber ganz sicher, dass der in den nächsten Jahren zusätzliche Früchte tragen wird und mit dazu beiträgt, dass wir bei der nächsten Großen Anfrage in der nächsten Legislaturperiode feststellen können, dass wir einen großen Meilenstein nach vorne gekommen sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Frau Kollegin Gebhard das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Wir brauchen nicht gegenseitig zu referieren, wie die Zahlenlage ist. In der Beschreibung gibt es keine sehr großen Dissensen, welche Defizite noch vorhanden sind. Auch was die Zielbeschreibung anbetrifft, können wir uns durchaus verständigen. Herr Kollege Lindner, Sie haben die Zahlen genannt, wohin Sie kommen wollen. Ich habe mir ja den Zwischenruf erlaubt. Die Frage ist, wie wir dahin kommen wollen. Das ist der entscheidende und

springende Punkt: Sind die Mittel, die Sie ins Feld führen, tauglich oder nicht?

Herr Minister, Sie haben, was das Jahr 2008 anbetrifft, einige Zahlen nachgeliefert. Ich kann diese Zahlen jetzt natürlich nicht nachprüfen. Aber ich konnte das nachprüfen, was die Kollegin Seidl gesagt hat, nämlich die aktuellen Zahlen des Ländervergleichs, die das CEWS im Juni 2009 veröffentlicht hat. Danach müssen wir feststellen, dass wir nicht aufgeholt haben, sondern auf den allerletzten Platz aller Bundesländer abgestiegen sind.

Flächenländer – das gilt natürlich auch für die Vergangenheit – mit vielen Hochschulen haben natürlich eine andere Ausgangslage, einen guten Rankingplatz zu erreichen, als Länder, in denen es nur eine, zwei oder drei Hochschulen gibt. Das ist völlig klar. Dieses Ranking macht auch nicht deutlich, wie viele Hochschulen in unserem Land gut und wie viele schlecht aufgestellt sind, denn es handelt sich um einen Mittelwert über das gesamte Land. Ich will also auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als wenn sich alle Hochschulen in Nordrhein-Westfalen dieses Themas nicht annähmen. Allerdings kommen wir nicht darum herum festzustellen, dass wir im Mittel Schlusslicht sind.

Wenn ich mir allerdings ansehe, wie Sie mit der Großen Anfrage der Grünen umgegangen sind – das gilt insbesondere für die Antworten im Kapitel B und hier vor allem B 12 und B 14 –, und sehe, worauf Sie da rekurrieren, dann kann ich nur feststellen, dass Sie sehr individuelle Erklärungsmuster dafür haben, warum sich das Individuum Frau als Wissenschaftlerin so verhält, und dass Sie keine Anstrengungen unternehmen, strukturelle Nachteile zu untersuchen und aufzugreifen.

Besonders interessant finde ich, dass Sie im Kapitel B 12 darauf hinweisen, dass bei dem alten Ranking des CEWS der Aspekt der Frauen- und Geschlechterforschung, der mit seinem Netzwerk Frauenforschung ein besonderes qualitatives Profilelement darstellt, keine Berücksichtigung gefunden hat. Wer um drei Gottes Namen hat denn dieses Netzwerk Frauenforschung in Nordrhein-Westfalen etabliert?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich bin schon ein bisschen länger in der Hochschulpolitik in diesem Lande unterwegs und kann Ihnen sagen: Es war die Wissenschaftsministerin Anke Brunn, die die Netzwerkprofessorinnen geschaffen hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn das jetzt bröckelt, dann ist das darauf zurückzuführen, dass diese Professorinnen langsam emeritieren. Dann frage ich Sie: Was unternehmen Sie eigentlich, damit diese Hochschulen die Frauenprofessuren erhalten? Aus diesen Professuren resultiert unsere Stärke in der Genderforschung. Wenn wir das jetzt aufgeben und nicht entsprechend fort

führen, dann werden wir da in fünf Jahren nicht mehr top sein, sondern absteigen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist: Sie heben auf das Netzwerk Frauenforschung ab. Es ist richtig, dass Sie in der Vergangenheit und bis jetzt Zentralmittel für das Netzwerk Frauenforschung für die Koordination zur Verfügung gestellt haben. Doch ich muss annehmen, dass dieses im nächsten Haushaltsjahr nicht mehr vorgesehen ist. Anders kann ich den Brief des Präsidenten der Landesrektorenkonferenz, Herrn Prof. Freimuth, an die Netzwerkkoordinatorin nicht verstehen. Denn dort wird mitgeteilt, dass nunmehr die Finanzierung der Netzwerkkoordinatorin umgelegt werden soll auf all die Hochschulen, die Netzwerkmitglieder haben, und zwar in der Stärke, wie sie Netzwerkmitglieder haben.

Das heißt, lange können Sie sich dann nicht mehr rühmen, dass Sie das Netzwerk Frauenforschung in besonderer Weise unterstützen. Dieses strukturelle Element, genau wie Lise Meitner, ein Element, das geholfen hat, dass Frauen eben doch, auch wenn er mühsam ist, den Weg gegebenenfalls auch mit Familie bis zur Habilitation gehen und sich damit auf die Professur vorbereiten, haben Sie abgeschafft. Dies ist schädlich. Wir haben schon mehrfach versucht, Ihnen das darzustellen.

Denn es ist ein Unterschied, ob ich eine qualifizierte Einzelkämpferin an einer Hochschule bin und mich individuell an ein Programm zur Förderung und Unterstützung wenden kann oder ob ich darauf angewiesen bin, dass meine Hochschule schon ein entsprechendes Programm hat und ich in der Hochschule sozusagen im Netz und in dem System der Hochschule gefördert werde. Sie haben diese Möglichkeit jedenfalls völlig ausgebremst.

Jetzt würde ich gerne eine Bemerkung zu Herrn Dr. Brinkmeier machen. Wo steckt er denn?

(Dr. Michael Brinkmeier [CDU]: Hier!)

Ach, da. – Sie haben ausgeführt, Nordrhein-Westfalen stelle für das Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder doch so viele Mittel bereit. Ich finde es schon ein bisschen putzig, das hier anzuführen; denn Sie können das Geld doch nicht zweimal ausgeben.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass wir im Wissenschaftsausschuss über genau diese Frage diskutiert haben. Wir haben Sie aufgefordert, das Professorinnenprogramm aktiv zu unterstützen. Ihre Antwort lautete: Nein, die Landesmittel sind schon durch den Strukturfonds bei den Hochschulen angekommen.

Sie können doch nicht erst einmal den Strukturfonds feiern und anschließend das Professorinnenprogramm, obwohl beides dasselbe Geld ist. Bedauerlicherweise können die Hochschulen es nicht zweimal ausgeben.

Wir haben Sie darauf aufmerksam gemacht, dass andere Bundesländer anders vorgegangen sind. Das erklärt auch die Tatsache, dass man in anderen Bundesländern stärker von dem Professorinnenprogramm profitiert hat.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Schon bevor die letzte Entscheidung über die Ausgestaltung getroffen worden war, hat man dort nämlich alle Hochschulen informiert und Hilfestellung bei der Antragstellung geleistet. Dagegen haben Sie sich zunächst geweigert, überhaupt Rundbriefe zu schreiben, und das erst für die zweite Runde getan, als es für die erste schon zu spät war.