Auch hier gewinnt man den Eindruck, dass es seitens des Ministeriums kein großes Interesse und keinen Einsatz für die Gleichstellungsprobleme gab. Die Landesregierung weiß doch selbst, dass Networking ein Mittel der Wahl ist. Frauen müssen sich austauschen, auch und besonders im Bereich Personalpolitik.
Es kommt derzeit die Problematik hinzu, dass die Gleichstellungsbeauftragten an den Hochschulen ständig Wettbewerbe bestreiten müssen. Getreu dem Durchsetzen mit ausgefahrenen Ellbogen wird die Teamarbeit über die eigene Hochschule hinaus erschwert. Statt also in Kooperation mit anderen arbeiten zu können, müssen sie sich die Mittel unter Konkurrenzdruck in Wettbewerben erstreiten. Hier sei auf den „Gender-Preis“ verwiesen. Er wird in der Antwort der Großen Anfrage als innovativ gelobt, ist allerdings im Sinne des Networking eher kontraproduktiv.
Ich hoffe nach wie vor, dass wir uns über Fraktionsgrenzen hinweg einig sind, dass Gleichstellung nicht nur eine Aufgabe für die Frauen ist. Es ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, männlich dominierte Strukturen fair und gerecht umzugestalten.
Gleichstellung kann man aber nicht erreichen, wenn man Frauen in Wettbewerbe, und dazu noch untereinander, schickt.
Es wäre gut, wenn man Familie und Beruf besser miteinander vereinbar machen würde. Dazu gibt es Beispiele aus dem englischen Hochschulsektor, etwa flexible Arbeitszeiten und die Beschränkung, Besprechungen nur in Kernzeiten durchzuführen. Dies hat einiges geleistet. Auch verkürzte Berufungsverfahren kämen Frauen entgegen. Doch seitens der Landesregierung gibt es bisher keinen Gestaltungswillen.
Insgesamt ergeben sich für die SPD-Fraktion verschiedene Forderungen aus der Großen Anfrage: Wir wollen mehr Stellen im Rahmen einer Juniorprofessur mit Tenure Track. Wir wollen Landesprogramme zur Verbesserung der Gleichstellung, zum Beispiel das Lise-Meitner-Programm. Und falls die Veränderungen weiterhin so schleppend verlaufen, dann ist für uns auch eine Quotenregelung letztendlich denkbar.
Denn wenn 50 % der Frauen gute Abschlüsse machen, dann soll und muss sich ihre Kreativität, ihr Fleiß und ihre Intelligenz an den Hochschulen in Führungspositionen widerspiegeln. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Dr. Boos. – Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Lindner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das durch die Große Anfrage der Fraktion der Grünen angesprochene Thema ist sicherlich ein Problem, dem man in den kommenden Jahren verstärkt begegnen muss – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es unser aller erklärtes Ziel ist, die Besten für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen.
Hier zeigt sich jedoch, dass Frauen beispielsweise seltener – es ist heute vielfach beklagt worden – auf Professuren gelangen als Männer, obwohl sie in beinahe allen Bereichen ihres Ausbildungsweges stärker vertreten sind und auch besser abschneiden als ihre männlichen Kollegen.
Deutlich mehr junge Frauen machen das Abitur als junge Männer. Das Verhältnis liegt gegenwärtig bei rund 55 % zu 45 %. An den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile mehr Frauen als Männer immatrikuliert. Das Verhältnis liegt hier gegenwärtig bei rund 53 % zu 47 %. An den Kunsthochschulen liegt der Anteil der Frauen noch deutlich höher. Lediglich die Fachhochschulen bilden eine kleine Ausnahme. Hier liegt der Frauenanteil bei nur rund 36 %.
Was den weiteren akademischen Qualifikationsweg anbelangt, fällt dann jedoch auf, dass die Anzahl der Frauen rapide abnimmt. So zeigt die jährliche Statistik der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, dass es in Nordrhein-Westfalen zwar mehr weibliche Hochschulabsolventinnen gibt, jedoch lediglich 38 % aller abgeschlossenen Promotions- und nur 20 % aller abgeschlossenen Habilitationsverfahren auf Frauen entfallen. Bereits hier, auf dieser relativ frühen Stufe des akademischen Qualifikationsweges, gibt es ganz offensichtlich einen Bruch, dem wir wirkungsvoll begegnen müssen.
Bei der Besetzung von Professuren lediglich eine Frauenquote einzuführen, wie sie eben von der Kollegin der SPD-Fraktion vorgeschlagen worden ist, würde allerdings zu kurz greifen. Vielmehr geht es darum, Strukturen und im Zusammenhang damit auch Mentalitäten so zu verändern, dass der Anteil von Frauen, die sich auf einen akademischen Karriereweg begeben, größer wird. Wie so häufig ist auch hier der Weg schon das Ziel. Lediglich am Ende des Prozesses, bei der Besetzung, eine Frauenquote einzuführen, würde uns von diesem Ziel möglicherweise sogar abbringen.
Das sehen im Übrigen auch die Expertinnen und Experten so. Das Gespräch mit den Vertreterinnen der LaKof im Rahmen der Sitzung des Fachausschusses am 30. April 2009 hat das verdeutlicht. Dabei hat sich unter anderem herausgestellt, dass gesetzgeberische Maßnahmen nur bedingt geeignet sind, um strukturelle Verbesserungen bei diesem Thema herbeizuführen.
Aber rufen Sie doch nicht dazwischen, ohne genau zu wissen, worauf ich hinaus will. Geben Sie mir eine Sekunde Zeit, das zu entwickeln.
Das liegt daran, dass der akademische Betrieb oft genug ein geschlossenes System ist. Das heißt: Die Kolleginnen und Kollegen einer Disziplin kennen sich untereinander, treffen sich und tauschen sich aus. Anonymisierte Bewerbungsverfahren, die gelegentlich eingefordert werden, funktionieren daher nicht. Spätestens bei der Nennung des Dissertations- oder Habilitationstitels ist jedem am Berufungsverfahren Beteiligten gerade in kleinen Disziplinen erkennbar, wer der Bewerber bzw. die Bewerberin ist.
Auch Christine Färber und Ulrike Spangenberg sehen in ihrer im Jahr 2008 erschienenen Studie „Wie werden Professuren besetzt? Chancengleichheit in Berufungsverfahren“ kaum Spielraum für gesetzgeberische Maßnahmen.
Erstens. Die Zahl der Frauen, die den akademischen Karriereweg einschlagen – das heißt: Promotion und Habilitation – muss erhöht werden. Angestrebtes Ziel sollte hierbei eine 50-%-Marke sein – so die Autorinnen.
Zweitens. Frauen müssen im Rahmen ihrer akademischen Laufbahn das tun, was Männer schon seit Langem tun: Sie müssen Netzwerke bilden, sich austauschen und sich gegenseitig über Entwicklungen auch personalpolitischer Art auf dem Laufenden halten. Kurzum: Frauen müssen im akademischen Betrieb besser als bisher Networking betreiben.
Wohlgemerkt: Diese Vorschläge kommen von zwei ausgewiesenen Expertinnen auf dem Gebiet der Gleichstellung an den Hochschulen.
Die Landesregierung unternimmt zahlreiche Maßnahmen in ganz unterschiedlichen Bereichen, um vor diesem Hintergrund den Anteil von Frauen zu erhöhen. Dies beginnt bei der gezielten Heranführung von Mädchen und jungen Frauen an technische und naturwissenschaftliche Studienfächer, zumal in ihnen der Anteil weiblicher Studierender besonders gering ausfällt.
Zu diesen Maßnahmen gehört die Initiative „Zukunft durch Innovation“. Unlängst hat der Minister das 14. zdi-Zentrum in Bonn eingeweiht. Bis zum Jahr 2010 soll es 25 solcher Zentren geben. Ihr Ziel ist es, unter anderem Mädchen und junge Frauen für diese Sujets zu begeistern.
Mit den sogenannten Girls’ Days, die auch im Landtag stattgefunden haben, da sich der Landtag daran beteiligt hat, werden Mädchen und junge Frauen ermutigt, Berufswege einzuschlagen, die üblicherweise nicht von Frauen gewählt werden und die eher als Männerdomänen gelten.
Darüber hinaus – auch das möchte ich beispielhaft ansprechen – hat das zuständige Ministerium gemeinsam mit den Hochschulen sogenannte GenderMainstreaming-Profile entwickelt, deren Ziel es ist, die Voraussetzungen und Strukturen von Frauenkarrieren an den Hochschulen nachhaltig zu verbessern. Die Gleichstellungsbeauftragten können mit Mitteln ausgestattet werden, um entsprechende Projekte durchzuführen. Gender Studies werden in immer stärkerem Umfang in die Studiengänge integriert, dort verankert und nicht als Orchideenthema nebenbei betrieben.
Weiterhin wurden vonseiten des Innovationsministeriums Anreizsysteme geschaffen, die die Hochschulen selbst motivieren sollen, den Frauenanteil in Führungs- und Lehrpositionen zu erhöhen. Michael Brinkmeier hat bereits über den Strukturfonds gesprochen, für den im Jahr 2009 insgesamt 6,4 Millionen € zur Verfügung stehen. Zusätzlich stehen Mittel für spezielle Mentoring- und Coachingprogramme bereit, die sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen richten.
Im Rahmen der leistungsorientierten Mittelvergabe erhalten diejenigen Einrichtungen besondere Zuweisungen, die Frauen in innovative Projekte einbinden und den Anteil von Frauen im akademischen Betrieb insgesamt steigern.
Die Liste der Maßnahmen ließe sich noch viel weiter fortsetzen. Jedoch dürfte klar geworden sein, worum es uns als Freien Demokraten geht, nämlich darum, Strukturen zu schaffen, mit denen der Anteil von Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen dauerhaft erhöht werden kann.
Das geht jedoch nicht von heute auf morgen. Das kann auch nicht – Stichwort: Quotenregelung – ausschließlich vom Ende, beispielsweise von der Professur her gedacht werden. Vielmehr muss es sich um eine prozesshafte Entwicklung handeln, die bereits mit der Schule einsetzt und sich über Studium, Promotion bis hin zur Habilitation fortsetzt. Nur so kann dem Problem der Gleichstellung an Hochschulen nachhaltig, wirkungsvoll und fair – auch gegenüber männlichen Bewerbern – begegnet werden.
Hierbei gibt es noch Raum für Verbesserungen. Ich nenne zwei Vorschläge, die sich in der Praxis bewährt haben. Studien zeigen, dass von verkürzten Berufungsverfahren insbesondere Frauen profitieren. Überlange Berufungsverfahren führen in der Regel nicht dazu, dass Frauen benannt werden.
Ebenfalls hat sich als erfolgreich in der Praxis erwiesen – ich bleibe beim Beispiel der Professur –, wenn potenzielle Bewerberinnen von einer Hochschule gezielt angesprochen und zur Bewerbung aufgefordert werden. Denn offenbar bewerten Frauen Stellenausschreibungen und ihre eigene Eignung kritischer als Männer. Insofern steigen sie bei einer Aufforderung sehr viel öfter in das Bewerbungsverfahren ein. Das haben Praxisbeispiele gezeigt.
Die Landesregierung und die Koalition verfolgen aus unserer Sicht den richtigen Ansatz. Natürlich gibt es noch Möglichkeiten für Verbesserungen. Aber nicht zuletzt ist hierbei auch die Kreativität der einzelnen Hochschule gefragt. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lindner. Was Ihren Schlusssatz angeht, sollten wir uns über die Interpunktion einmal bilateral unterhalten.
Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat jetzt für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pinkwart das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße außerordentlich, dass wir im Kontext der Großen Anfrage die Gelegenheit haben, uns mit der Wissenschaftlerinnenförderung sehr gezielt in der Debatte auseinandersetzen zu können.
Es ist ein ganz zentrales Anliegen dieser Landesregierung gerade vor dem Hintergrund des Ziels, Nordrhein-Westfalen zum Innovationsland Nummer eins in Deutschland zu machen, jungen Frauen und Frauen insgesamt bessere Perspektiven gerade auch in Forschung und Lehre zu eröffnen und ihren Anteil an den Hochschulen nachhaltig zu erhöhen.