Protocol of the Session on June 25, 2009

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Dr. Brinkmeier das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Antwort auf die Große Anfrage 22 zum Thema „Gleichstellung an den Hochschulen“ bietet sehr umfassende Daten zur Situation der Gleichstellung an den Hochschulen hier in NordrheinWestfalen. Dafür möchte ich auch vonseiten meiner

Fraktion all denjenigen, die an der Erarbeitung beteiligt waren, recht herzlich danken.

Allerdings – Sie haben es dort lesen können – beziehen sich die Daten immer auf die Jahre 2002 bis 2007 und somit auf eine auch nicht mehr existente Förderstruktur und einen nicht mehr gültigen rechtlichen Rahmen. Seit Anfang Januar 2007 überträgt das Hochschulfreiheitsgesetz die Gestaltungsmöglichkeiten zur Förderung einer Parität, beispielsweise bei Berufungsverfahren, an die Hochschulen selbst.

Für den Personalbereich und damit auch für die Aufgabe der Gleichstellung findet keine einzelfallbezogene Steuerung mehr statt, sondern eine ergebnisorientierte Steuerung. Der rechtliche Rahmen ist unter anderem selbstverständlich durch das Landesgleichstellungsgesetz vorgegeben.

Es ist auch zu früh, als dass sich konkrete Ergebnisse dieser neuen Politik jetzt in Zahlen niederschlagen. Aber wir begrüßen es ausdrücklich, wenn die Hochschulen im Rahmen ihrer Gleichstellungskonzepte eigene, auf ihre spezifischen Bedürfnisse und auf ihr Profil angepasste Handlungsleitfäden erarbeiten, die innerhalb der Hochschulen dann eben von den Verantwortlichen getragen werden.

Trotzdem lassen sich, wenn man in die Antwort auf die Große Anfrage 22 hineinschaut, Tendenzen erkennen: Im Jahr 2007 machten Frauen einen Anteil von etwas über 54 % der Studienberechtigten und damit etwas mehr als die Hälfte aus, jedoch machten sie unter den Studierenden nur einen Anteil von knapp unter 50 % aus. In diesem Jahr machen Frauen einen Anteil von 51 % bei den Studienabschlüssen in Nordrhein-Westfalen insgesamt aus. Das heißt, da ist eine kleine Diskrepanz zu finden.

Betrachtet man die Fächerstruktur, so gibt es nahezu eine klassische Verteilung: Mehr Frauen studieren eine Geisteswissenschaft, eine musische oder künstlerische Fachrichtung und mehr Männer sind in den Natur- und Ingenieurwissenschaften zu finden, wenngleich man sich die Zahlen genau ansehen muss. Sie sehen dort, dass zum Beispiel fast 70 % der Studierenden in Mathematik und den Naturwissenschaften Frauen sind. Dazu muss man im Hinterkopf haben, dass sicherlich das Lehramt mitgerechnet wird, was zu besonderen Betrachtungsweisen veranlassen sollte. Deswegen ist ein genauer Blick in die Zahlen meiner Meinung nach sehr wichtig.

Nach dem Studienabschluss sind Frauen mit einem knapp 45%igen Anteil an den Promotionsvorhaben vertreten. Bei abgeschlossener Habilitation machten Frauen im vorletzten Jahr einen Anteil von knapp 22 % aus.

Schaut man sich den Anteil von Frauen an Professuren an, so sind diese nicht nur vorwiegend in Fachbereichen, die einen höheren Anteil von Stu

dentinnen ausweisen, sondern in der Hierarchie sinkt der Anteil der Frauen, je höher positioniert man sie betrachtet: C2-Professuren 16,8 %, C3Professuren 16,5 %, C4-Professuren nur 10,4 %. Der Anteil bei den W-Professuren ist zwar insgesamt etwas höher als die vorgenannten, aber auch hier sind Frauen deutlich in der Minderheit.

Wenn man an die Spitze von Hochschulen schaut, dann sieht man, dass die Positionen in den Hochschulleitungen ebenso selten mit Frauen besetzt sind.

Die Vorabzahlen der Europäischen Kommission in den sogenannten She- Figures 2009 sind ja veröffentlicht, und es fällt auf, dass der Anteil von Frauen an der Spitze der Hochschulen in 16 Ländern der Europäischen Gemeinschaft unter 10 % liegt, in vier Ländern zwischen 10 und 20 % und gerade mal in drei Ländern zwischen 20 und 30 %. Darüber liegen übrigens nur Schweden und Island. Das ist schon sehr seltsam. Darüber hinaus habe ich auch noch gehört, dass zum Beispiel in Brasilien der Anteil deutlich höher sein soll. Vielleicht sollte man einmal forschen, warum das so ist.

Frauen sind in Deutschland und in einigen EULändern in den höheren Karrierestufen und in nahezu allen Fachrichtungen unterrepräsentiert. Das zeigt sich auch hier in Nordrhein-Westfalen. Zumindest – das möchte ich noch einmal erwähnen – muss dies als vorläufige Aussage so gelten, bis sich die neuen Strukturen dann tatsächlich in der Statistik niederschlagen werden.

Auch die Konstanzer Studie, die im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft erarbeitet worden ist, der aber noch ältere Daten zugrunde liegen, hat das Bild, das sich hier insgesamt abzeichnet, so dargestellt. Auch auf den Ebenen im Kontext mit der DFG-Förderung sind Wissenschaftlerinnen unterrepräsentiert. Auffällig war damals jedoch einzig, dass bei der Antragstellung Frauen dann durchschnittlich jünger als ihre männlichen Wissenschaftskollegen und durchaus in einigen Nachwuchsförderprogrammen stärker repräsentiert sind.

Seit Anfang 2007 – das hatte ich eingangs erwähnt – ist Teil der Ziel- und Leistungsvereinbarung auch das Gender Mainstreaming. Dazu gehört beispielsweise die Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten mit eigenen Mitteln zur Durchführung von Projekten. Dazu gehört die gezielte Personalentwicklung zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen und auch die Verankerung von Gender Studies in den Studiengängen.

Zusätzlich, Frau Kollegin Seidl – das sollte man nicht vernachlässigen –, gibt es zusätzlich finanzielle Anreize, die die Hochschulen motivieren sollen, Gender Mainstreaming umzusetzen. Sicherlich sind wir nicht einer Meinung, wie die entsprechenden Strukturen aussehen sollen. Sie haben einen ande

ren Ansatz als wir. Trotzdem möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass wir alleine schon drei Punkte haben, die unserer Meinung nach Erfolg zeitigen werden.

Zum einen geht es um den Strukturfonds. Im letzten Jahr wurden rund 5,7 Millionen € entsprechend dem Erfolg der Hochschule bei der Umsetzung der Ziele verteilt, indem nämlich die Berufung von Professorinnen gezielt honoriert wurde.

Dazu gehört auch die leistungsorientierte Mittelvergabe. Bekannt ist, dass der Focus dort auf den Bereichen Natur- und Ingenieurwissenschaften liegt. Bei der LOM reden wir für das letzte Jahr von etwa 20 Millionen €.

Außerdem werden Zentralmittel zur Verfügung gestellt, die unter anderem für die Koordinierungsstelle der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen und Universitätskliniken, der LakoF, reserviert sind. Das sollte man als Grundförderung auch nicht unerwähnt lassen.

Ebenfalls auf die Steigerung von Frauen an Hochschulen zielt das Bund-Länder-ProfessorinnenProgramm. Bund und Länder stellen je zur Hälfte für den Programmzeitraum bis 2012 – begonnen wurde im letzten Jahr – insgesamt 150 Millionen € bereit. Das entspricht immerhin 200 Professorinnenstellen. Gefördert wird dort die Erstberufung von Frauen auf unbefristete W-Professuren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gründe für diese Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen an deutschen Hochschulen sind vielfältig. Auch wenn wir – jeder in seiner Verantwortung – politisch bereits an diversen Stellschrauben gedreht haben, so ist das tradierte Rollenbild vom voll berufstätigen Mann, der Alleinernährer der Familie ist, weiter verbreitet. Dagegen erscheint die Frau nach wie vor als diejenige, die maßgeblich für die Erziehung und Betreuung von Kindern zuständig ist. Dieses tradierte Verhalten lässt sich auch im ganz konkreten Fall der Hochschule nicht einfach nur durch Programme schnell aus den Köpfen löschen.

Auch wenn Studentinnen – im Vergleich mit den vergangenen Jahren – einen immer größeren Anteil an der Gesamtzahl der Studierenden ausmachen, zeichnet sich das eben nicht in der Personalstruktur ab. Die Hierarchie an den Hochschulen ist in den Führungsetagen nach wie vor von Männern bestimmt. Das spielt hier und da bei Berufungsverfahren sicherlich unterbewusst eine Rolle. An der Stelle sind Hochschulen und die Politik in dem Rahmen, über den wir heute diskutieren, gefragt, eine gewisse Neutralität im Sinne von Gleichstellung zu fördern.

Genau dort setzen eben auch Anreizmechanismen an, die vom Land Nordrhein-Westfalen aufgelegt werden, um Hochschulen und damit Wissenschaftlerinnen zu motivieren. Wir werden dies mit Sicher

heit aktiv begleiten. Das ist jedenfalls wünschenswert.

Zu gegebener Zeit werden wir im Haus erneut diskutieren, sobald belastbares Datenmaterial vorliegt, in dem die neuen Fördermechanismen zugrunde gelegt sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir bis dahin Fortschritte in der Gleichstellung von Männern und Frauen an den Hochschulen im Land dokumentieren können. Ich denke, dass wir auch im Rahmen dieses Diskurses unseren Teil beitragen können. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Brinkmeier. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Dr. Boos das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch ich bedanke mich im Namen der SPD-Fraktion für die umfangreichen Zahlen, die wir geliefert bekommen haben. Ich freue mich, dass wir auf der Grundlage dieser Zahlen hier diskutieren können.

Als ich gestern in einem Gespräch Kollegen erzählte, dass ich zum Thema „Gleichstellung an Hochschulen“ reden würde, hieß es aus Männermund direkt: Dann machen Sie auch einmal etwas für die Jungen! Da ist die Gleichberechtigung im schulischen Bereich genauso nötig! – In der Tat: Das, was Frauen in Wissenschaft, Wirtschaft und in der Politik an Gleichberechtigung einfordern, das sollen Männer ebenso für die schulische Ausbildung der Jungen machen.

Es ist noch besser, wenn wir das Thema Gleichstellung als Männer- und Frauenthema betrachten.

(Christian Lindner [FDP]: Sehr gut!)

Danke!

Gleichstellung ist ein Grundrecht. Sie ist eine im Grundgesetz abgesicherte Querschnittsaufgabe für uns alle. Auch ganz pragmatisch betrachtet ist sie geboten. Der demografische Wandel, der Fachkräftemangel und die Tatsache, dass Frauen mittlerweile bessere Abschlüsse erreichen, all das spricht eine deutliche Sprache.

Konkret zur Großen Anfrage! Mit den erhobenen Zahlen wird mittlerweile Folgendes deutlich belegt: Bei den Schulabschlüssen mit Studienberechtigung ist eine Parität erreicht. Meistens ist sogar der weibliche Anteil höher. Viele Frauen beginnen ein Studium. An den Unis sind es 53 %, an den Kunsthochschulen 56 %. An den Fachhochschulen liegt der Anteil noch bei 35 %.

Also alles bestens? – Ein deutliches Nein! Je höher die Qualifikation, die Machtposition und damit die

entsprechende Vergütung, desto geringer wird der Frauenanteil. Es besteht Handlungsbedarf.

Der gesamten Antwort des Ministeriums ist aber dieser Wille zum Handeln nicht anzumerken. So wird in der Einleitung zur Großen Anfrage darauf hingewiesen, dass die Förderung des Hochschul- und Wissenschaftsprogramms 2006 eingestellt wurde. Diese umfasste Nachwuchsförderung, Projekte zur Frauen- und Gender-Forschung sowie Forschungsprojekte im MINT-Bereich.

Wie und ob die neu etablierten Anreizsysteme wie zum Beispiel der Strukturfonds wirken, weiß man derzeit noch nicht. Das MIWFT hat noch keinen Gender-Report vorgelegt. Der wird erst 2010 vorliegen. Deshalb werden wir ihn nicht mehr in dieser Legislaturperiode diskutieren können. Lobenswert aber beschreibt das MIWFT schon die Tatsache, dass dieser Gender-Report als solcher kommen wird. Da reibt man sich schon ein wenig die Augen.

Gleichstellungsfragen sind nicht nur individuell, sondern vor allem auch strukturell zu betrachten. Hierzu ein einfaches Beispiel: Frauen sind an Teamarbeit gewöhnt. In den gehobenen Positionen des Wissenschaftsbereichs sind kaum Frauen für diese Teamarbeit zu finden. Hierdurch fehlen den Nachwuchswissenschaftlerinnen Vorbilder. Diese müssten den jungen Frauen zeigen, wie man in Spitzenfunktionen kommt und dort agiert. Ich möchte an die schulischen Probleme der Jungen erinnern. Ihnen fehlen die Vorbilder in Form männlicher Grundschullehrer. Die aktuelle Landespolitik gibt auf diese Problematik aber keine Antwort.

Die deutliche Unterrepräsentierung von Frauen in den Führungspositionen wird anhand der Zahlen deutlich. Darauf war Herr Brinkmeier zum Teil schon eingegangen: Gerade einmal 10 % aller C4-Professuren besetzen Frauen. In den Hochschulleitungen gibt es 17 % Frauen. Präsidentinnen und Rektorinnen gibt es nur zwei in NRW. Das sind gerade einmal 1,5 %. Dieser Wert ist wirklich beschämend.

Der Frauenanteil in den Hochschulräten liegt bei ca. 30 %. Vorsitzende sind aber nur 2,7 %.

Noch ein paar Zahlen mehr, die die mangelhafte Gleichstellung von Männern und Frauen im Hochschulsektor deutlich machen: Frauen haben zu 53 % befristete Stelle, bei Teilzeitstellen entfallen 87 % auf Frauen. Aus der Soziologie wissen wir, dass der Männeranteil da abnimmt, wo Prestige und Gehälter sinken, und genau das wird hier deutlich belegt. Aber was unternimmt das MIWFT, wie agiert die Landesregierung, um diese Ungleichgewichte zu beseitigen? Wo ist der Gestaltungswille, den auch schon Frau Seidl eingefordert hat?

Spätestens an dieser Stelle sind wir wieder in der Strukturdebatte. Die Politik der Landesregierung scheint mit ihrer strukturierten Verantwortungslosigkeit nicht zielführend. Zielvereinbarungen zwischen Hochschulen und MIWFT sollen derzeit zur Quali

tätssicherung beitragen. Das reicht nach unserer Meinung nicht aus. Eigene strukturverändernde Anreize müssen vom Land kommen. Doch Programme wie das Lise-Meitner-Programm wurden abgeschafft. Es war ein gutes, akzeptiertes und nachhaltig wirksames Landesprogramm.

Wie sieht es mit Juniorprofessuren verbunden mit einem Tenure-Track aus? – Auch dieses wäre zielführend. Aber diese Möglichkeit wird von der Landesregierung nicht genutzt.

Außerdem hat das MIWFT die Hochschulen beim Professorinnenprogramm nicht ausreichend unterstützt. Die Teilnehmerquote war, wie das MIWFT in der Beantwortung der Anfrage einräumt, unterdurchschnittlich. Eine frühzeitige Information der Hochschulen ist nicht erfolgt. – Mehr als schade. Das hat sicherlich zu mehr als einer verpassen Chance für Professorinnen geführt.

Besonders schwierig war die Teilnahme für Fachhochschulen. Sie sollten nach Meinung der Landesregierung auf ihre eigenen Mittel zur Kofinanzierung zurückgreifen. Das funktioniert aber nicht, wenn die Fachhochschulen die Mittel nicht in der notwendigen Größenordnung zugewiesen bekommen haben. Die Angabe, dass die Hochschulen frühzeitig informiert wurden, ist an der Stelle falsch. Und die Zusage der Kofinanzierung bei Finanzierungsproblemen kam erst nach dem Antragsschluss zur ersten Runde.

Auch hier gewinnt man den Eindruck, dass es seitens des Ministeriums kein großes Interesse und keinen Einsatz für die Gleichstellungsprobleme gab. Die Landesregierung weiß doch selbst, dass Networking ein Mittel der Wahl ist. Frauen müssen sich austauschen, auch und besonders im Bereich Personalpolitik.