Protocol of the Session on June 24, 2009

Darüber hinaus ist Zuwanderung auch ein Beitrag der kulturellen Bereicherung. Alle, die legal zu uns kommen, zeigen, dass sie auch willkommen sind und wir ihre Potenziale und Fähigkeiten sehr schätzen und sie uns auch bereichern.

Auf der anderen Seite gilt es natürlich, unsere eigene Gesellschaft zu schützen und zu sichern, die Aufnahmekapazität nicht überzustrapazieren und natürlich dafür zu sorgen, dass unser Arbeitsmarkt und das soziale Gefüge im Einklang bleiben. Das ist sehr wichtig.

Wir müssen daher der illegalen Zuwanderung und den kriminellen Strukturen, die es auf diesem Gebiet gibt, konsequent Einhalt gebieten. Dagegen müssen wir kämpfen, in Zukunft noch viel stärker. Ich denke, dass diese Menschen sehr oft mit falschen Versprechungen zu uns gelockt werden.

Diese Herausforderung zu bewältigen, ist für einen einzelnen Staat nicht mehr möglich, sondern wir müssen diese Aufgabe in Europa gemeinsam in Angriff nehmen und auch Lösungen finden. Es gibt schon zahlreiche Versuche. Ich denke an die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX, die sich mit Rückführungsrichtlinien beschäftigt, den Europäischen Integrationsfonds oder die Blue-CardRichtlinie, die man eingerichtet hat.

Doch alle diese Versuche haben nicht ganz gefruchtet; immer wieder finden sich neue Schlupflöcher. Wir haben diesen Antrag heute eingebracht, damit wir noch einmal sehr intensiv darüber beraten und uns auf europäischer Ebene hier einbringen. – Ich danke Ihnen ganz herzlich.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin von Boeselager. – Für die antragstellende Fraktion der FDP hat nun der Abgeordnete Engel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zahllose Menschen dieser Welt sehen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Krieg, Unterdrückung, politisch motivierte Verfolgung, Naturkatastrophen, Seuchen, Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger sind nur einige von vielen schrecklichen Ursachen.

Wir alle sind erschüttert, wenn wir halb verdurstete, manchmal halb erfrorene Menschen aus Afrika sehen, die es mit letzter Kraft auf untauglichen „Nussschalen“ an die Strände Süditaliens oder Spaniens geschafft haben, und denken angesichts der Bilder nicht einmal mehr an jene, die auf dem

Weg dorthin bereits tragisch ums Leben gekommen sind.

Europa als Raum von Freiheit, Sicherheit, Wohlstand, Recht und Gesetz ist das Ziel dieser Menschen. Da besteht Einigkeit. Es besteht auch Einigkeit darüber, dass der Migrationsdruck so lange anhalten wird, wie es gravierende Entwicklungs- und Wohlstandsunterschiede gibt. Ich rede nicht von Unterschieden innerhalb Europas, ich rede von enormen Unterschieden zwischen Europa und insbesondere südlichen bzw. östlichen Staaten außerhalb unseres Kontinents.

Für Europa bedeutet Migration Chance und Herausforderung zugleich – Chance, weil Zuwanderung nicht zuletzt angesichts unserer demografischen Entwicklung ein positiver Faktor für die Entwicklung Europas sein kann, Herausforderung, weil die Fähigkeit Europas begrenzt ist, Menschen aufzunehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsmärkte, den Wohnraum und die sozialen Sicherungssysteme.

Es liegt auf der Hand, dass die Mitgliedstaaten der EU diese Herausforderung weitmöglichst in Abstimmung unter- und miteinander angehen sollten. Denn das Verhalten eines Staates wirkt sich auf die Interessen der anderen aus. Dazu muss man sich nur vergegenwärtigen, dass jeder Flüchtling, der Zugang zu einem Grenzstaat der EU erlangt, damit faktisch den Zugang zu allen anderen EU-Staaten findet.

Der Europäische Rat hat diese Herausforderung angenommen und bekennt sich mit dem Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl vom Oktober 2008 zu fünf grundlegenden Verpflichtungen:

Erstens. Gestaltung der legalen, Bekämpfung der illegalen Einwanderung.

Zweitens. Die Mitgliedsländer bestimmen selbst über ihre Prioritäten bei der Aufnahme von Zuwanderern und Aufnahmekapazitäten.

Drittens. Illegale Einwanderer werden zurückgeführt.

Viertens. Grenzkontrollen werden verstärkt. Es wird ein europäisches Asylsystem entwickelt.

Fünftens. Eine globale Partnerschaft der EU mit den Herkunfts- und Transitländern wird angestrebt.

Konkret sollen diese Verpflichtungen ab dem Jahr 2010 im sogenannten Stockholmer Programm der EU-Kommission umgesetzt werden, auf dem die Tinte gerade erst trocknet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was aber ist Europa? Nicht nur eine Union aus Staaten, sondern zugleich ein bunter Teppich aus aneinander grenzenden, vielfältigen Regionen. Diese Regionen sind es, in denen Migranten ihr Ziel suchen und finden – legale wie illegale. Diese Regionen haben im Wesentlichen die gerade genannten Verpflich

tungen und die sich teilweise daran anschließenden Rechtsakte der EU umzusetzen. Ihnen obliegt es hauptsächlich, vor Ort geeignete Rahmenbedingungen für die Integration legal eingewanderter Menschen zu schaffen.

Wir in Nordrhein-Westfalen haben ein gesundes Interesse am Gelingen dieser Aufgabe. Wir sind eine Region mit 18 Millionen Einwohnern. Bei einer Eigenständigkeit von Nordrhein-Westfalen wären wir der siebtgrößte EU-Staat.

Wir wissen um die Bereicherung, die Zuwanderer bieten können. Wie hätte man in NordrheinWestfalen insbesondere in den 50er- und 60erJahren Steinkohle abbauen können ohne die vielen zupackenden Hände der Gastarbeiter? Was wäre Ford damals ohne Gastarbeiter gewesen? Meine Heimatstadt selbst, Pulheim, mit 6.000 direkt bei Ford beschäftigten Bürgerinnen und Bürgern wäre sonst gar nicht denkbar.

Heute sehen wir das Potenzial auch in vielen weiteren Bereichen, beispielsweise auch in der Polizeiarbeit; das muss ich als innenpolitischer Sprecher meiner Fraktion erwähnen. 2006 haben die FDP- und die CDU-Fraktion einen Antrag in dieses Hohe Haus eingebracht. Dabei ging es darum, ein wenig mehr Migranten bei der Personalauswahl für den Polizeivollzugsdienst zu berücksichtigen. Wir haben erkannt, dass wir auf diese Weise dringend benötigtes, qualifiziertes Personal rekrutieren können, um Barrieren der Verständigung zu Migranten in unserem Land zu überwinden.

Ich komme zum Schluss. Weil wir die Herausforderung und die Chance Zuwanderung ergreifen, wollen wir die Interessen der Region verstärkt berücksichtigt wissen. Der bewährte Grundsatz der Subsidiarität muss Leitschnur bleiben. Die Landesregierung muss sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzen, dass die in unserem Antrag genannten Prinzipien in der Migrations- und Asylpolitik der EU verankert werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Kuschke das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich wenige Anmerkungen machen. Wir haben ja in der Ausschussberatung noch Gelegenheit, vertieft darauf einzugehen.

Erstens. Ich sehe nichts Falsches, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben. Aber mir ging die Frage durch den Kopf: Was soll eigentlich der Schwerpunkt Ihres Antrags sein? Die Überschrift lautet: „Einwanderungs- und Asylpolitik besser koordinie

ren – Interessen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften berücksichtigen“. Davon haben wir bei den Einbringungsreden wenig gehört. Ich hatte das Gefühl, dass Sie auf substanzielle Inhalte einer Einwanderungs- und Migrationspolitik im europäischen Maßstab eingehen wollen.

Zweitens. Wenn das aber so ist und Sie immerhin die Punkte des Europäischen Rates nennen, hatte ich eigentlich erwartet, dass sie auch ausgefüllt werden. Auf Seite 2 sprechen Sie unter anderem von der Schaffung eines Europas des Asyls. Das wird im weiteren Antragstext nicht mehr ausgeführt. Was heißt das denn für Sie?

Auch Kollege Engel hat an der einen oder anderen Stelle Ausführungen gemacht. Aber ich hätte mir natürlich auch vorstellen können, dass man bei diesem Punkt darüber spricht, wie man es mit dem Bleiberecht auf nationaler Ebene hält und ob das möglicherweise ein Ansatzpunkt ist, der im Zusammenhang von europäischer Rechtsetzung oder zumindest Koordination eine Rolle spielen könnte.

Drittens. Wenn es aber so sein soll, dass der Schwerpunkt auf der Frage der regionalen Koordinierung liegt, sage ich: Es gibt gute Ansätze, die Sie auch beschreiben. Ich habe nichts dagegen, dass wir im Landtag Dinge diskutieren – ich sehe den Kollegen Jostmeier unter uns –, die wir an anderer Stelle wie im Ausschuss der Regionen auch dank Ihrer Berichterstattung sehr qualifiziert angegangen sind.

Das Dokument mit dem Titel „Konsolidierung des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage: für mehr Koordinierung, Kohärenz und Synergie“, das noch vor Kurzem im Ausschuss der Regionen diskutiert und verabschiedet worden ist, könnte man einschließlich Ihrer Berichterstattung durchaus im Antrag nennen. Allerdings sollte man im Antrag auch einige andere Aspekte, die die regionale Koordinierung betreffen, benennen.

Viertens. In Ihrem Antrag hat aber die Gewichtung der Bestandteile nicht geklappt. Wenn man sich nämlich anschaut, wie das beispielsweise in den entsprechenden Dokumenten des Ausschusses der Regionen aussieht, wird man feststellen, dass dort als ein gewichtiger Bestandteil der Komplex der Entwicklung genannt wird.

Vor welchem Hintergrund diskutieren wir denn überhaupt Migration und Flüchtlingsbewegungen, die Sie gerade genannt haben? Können wir eigentlich eine überzeugende Politik betreiben, indem wir uns nur auf die Auswirkungen beschränken? Oder müssen wir nicht vielmehr auch bei der Frage der Ursachen, also der Entwicklung, Nichtentwicklung oder Unterentwicklung, entsprechend ansetzen? Ich glaube, dass der Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung nicht geleugnet werden kann.

Fünftens. Zu den Bestandteilen gehört natürlich auch der Komplex der Integration, der von Ihnen nur

an einer Stelle im Zusammenhang mit Sprachförderung kurz genannt wird. Ich denke, dass die Frage nach der Integration von Migranten weitaus umfassender ist. Wir werden gleich noch die Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren.

Frau Kollegin von Boeselager, wie ernst nehmen wir denn die Frage der Integration dort, wo wir die Entscheidungsmöglichkeiten haben? Das ist doch die Nagelprobe. Sie bringen einen Antrag ein, der in der Überschrift auf die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und deren Möglichkeiten abstellt. Wir haben gleich die Chance, dass sich dieses Hohe Haus mit der Frage beschäftigt, wie wir es mit der politischen Partizipation der Migrantinnen und Migranten auf kommunaler Ebene halten.

Sechste Anmerkung. Sie haben eine Reihe von wichtigen Aussagen getroffen, mit Aufforderungscharakter an die Landesregierung, was die Wahrnehmung der Interessen der Region, der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften anbelangt. Ich will nicht verhehlen, dass wir uns natürlich in den Ausschussberatungen auch noch darüber Gedanken machen können und müssen, welche konkreten Aufgaben die Landesregierung auch auf den Weg bringen und erfüllen kann.

In diesem Zusammenhang bringt es nichts, wenn wir dort auf die europäische oder die Bundesebene verweisen. Es gibt sicherlich Möglichkeiten, die direkt auf unserer Ebene des Landtags und der Landesregierung geklärt werden.

Wie Sie wissen, bin ich ja Optimist. Ich unterstelle, dass wir bei den Ausschussberatungen die Punkte, die ich angesprochen habe, aufgreifen können. Möglicherweise wird es dann auch die Chance zu etwas Gemeinsamem geben. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuschke. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Düker das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau von Boeselager, als ich den Antrag las, habe ich mich wirklich gefragt: Was soll das? Was ist eigentlich Ihr Ziel? Wozu brauchen wir diesen Antrag?

Sie vollziehen hier eine EU-Politik auf Landesebene nach, die – wie ich finde – in erster Linie eben durch den erwähnten „Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl“ auf Abschottung und auf Sicherheit setzt. Herr Engel hat es noch einmal zitiert. Auf den Punkt gebracht: Wie bauen wir die Festung Europa weiter aus?

Das vollziehen Sie hier nach, ohne auf das einzugehen, was wirklich Fehlanzeige in der EU

Asylpolitik ist. Wenn es Ihnen tatsächlich um den Schutz der Menschen geht, wie Sie es in Ihrem Antrag formuliert haben, dann müssen Sie doch auch erwähnen, wo es dringenden Handlungsbedarf gibt, wozu dieser Pakt, entstanden unter der Präsidentschaft der Franzosen, überhaupt nichts sagt.

Das, wozu Aussagen fehlen, ist eine EU-Außengrenzenpolitik, die auch die Rechte der Menschen betrifft, die in „Nussschalen“ – Herr Engel sprach es an – vor Lampedusa oder vor den Kanaren aufgegriffen werden. Es muss eine Politik sein, die die Rechte dieser Menschen wirklich stärkt, die den Flüchtlingsschutz auch dann stärkt, wenn sie in den Ländern sind.

Wir hier in Deutschland sind nicht weit davon entfernt, dass wir die Flüchtlingsaufnahmerichtlinie, die die EU immerhin noch vorgibt, nicht einhalten. Es ist ganz klar, dass wir mit unserem Asylbewerberleistungsgesetz, in dem wir unseren Flüchtlingen minus 35 % zum Hartz-IV-Satz zugestehen, weit unter den Anforderungen der EU-Flüchtlingsaufnahmerichtlinie liegen.