Protocol of the Session on May 28, 2009

Wenn man sich diese Zahlen vergegenwärtigt – 60.000, 10.000, 20.000, 18.000 –, dann wird mir jeder bestätigen, dass ein Studienbetrieb mit ca. 300 neu eingeschriebenen Studierenden pro Jahr mit Sicherheit nicht zu einer Verdrängung all dieser Menschen aus ihren angestammten Aufgaben führen wird.

Auch den Ärztinnen und Ärzten und anderen akademischen Gesundheitsberufen sei gesagt, dass von der Gründung dieser Fachhochschule mit Sicherheit keine Gefahr für die zentrale Stellung des Arztberufes im Gesundheitswesen ausgeht. In dieser Hinsicht wären Gefahren in völlig anderen Entwicklungen zu suchen. Tatsache ist vielmehr: Nordrhein-Westfalen schließt mit dieser einzigartigen

Gründung zum internationalen Niveau der wissenschaftlichen Debatte auf.

(Beifall von der CDU)

Damit können wir in Deutschland ausgebildeten Aspiranten dieser Berufe erstmals ein Ausbildungsniveau anbieten, das sie heute nur finden, wenn sie sich zu einem Studium im Ausland entschließen.

Ich bitte nun alle von ganzem Herzen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass wir das zügig voranbringen. Deswegen lade ich alle ein, an einem solchen zügigen Beratungsverfahren mitzuwirken. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Lindner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die FDP-Fraktion freut sich, dass wir heute über das Gesetz beraten können, mit dem wir eine Fachhochschule für Gesundheitsberufe im Rahmen eines neuen Gesundheitscampus mit Sitz in Bochum einrichten werden. Wir freuen uns darüber, weil wir den Ansatz fortsetzen, in Nordrhein-Westfalen MINT-Fächer zu stärken und neue Studienplätze zu schaffen. Dieser Ansatz wird nun um die wichtige Komponente der Gesundheitsberufe ergänzt.

Sie wissen: Im Rahmen der nordrhein-westfälischen Fachhochschuloffensive werden insgesamt 11.000 neue Studienplätze entstehen, 1.000 Studienplätze davon an dieser neuen FH für Gesundheitsberufe. Neben der Bedeutung für die Wissenschaft, für die Hochschullandschaft Nordrhein-Westfalen möchte ich hervorheben, dass im Umfeld dieser neuen FH für Gesundheitsberufe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch zahlreiche neue und zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen werden. Das zeigen alle entsprechenden Untersuchungen und alle anderen Beispiele dieser Art in Deutschland und darüber hinaus.

Die Studierenden erhalten in Bochum künftig eine Ausbildung in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen, der Alten- und Krankenpflege, als Hebamme, in der Logopädie, als Ergotherapeuten und anderes mehr. Die Zukunftsbranche Medizinforschung, Medizintechnik gehört bereits heute zu den Schwerpunkten in der nordrhein-westfälischen Forschungslandschaft. Die Neugründung in Bochum wird dieses zukunftsträchtige Feld weiter stärken und ausbauen.

Hinzu kommt, dass mit der Standortentscheidung für Bochum gerade in diesen Tagen eine Region gestärkt wird, die in den vergangenen Jahren in besonderer Weise vom Rückgang des Bergbaus

sowie anderer struktureller Veränderungen betroffen war und bis heute ist.

Die Verortung der neuen FH für Gesundheitsberufe im Umfeld des Gesundheitscampus ist strategisch richtig. Dadurch werden Synergien bestmöglich genutzt. Neben der Fachhochschule werden auf dem Gesundheitscampus Einrichtungen wie beispielsweise das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit, das Strategiezentrum Gesundheit NRW und das Clustermanagement für die Gesundheitsforschung angesiedelt werden. Das heißt, die Gesundheitswirtschaft in Nordrhein-Westfalen wird stärker als bisher an einem Standort gebündelt, vernetzt und weiterentwickelt.

Die Gründung der Fachhochschule für Gesundheitsberufe ist zudem eine weitere wichtige Maßnahme der Koalition im Kampf gegen den absehbaren und auch schon heute beträchtlichen Fachkräftemangel.

Gesundheitsberufe sind Zukunftsberufe. Eine Ausbildung in diesem Bereich ist eine wichtige Investition sowohl in die eigene Zukunft als auch in die Zukunft unserer Gesellschaft. Es ist davon auszugehen, dass im Jahre 2050 ein Drittel aller Deutschen älter als 60 Jahre sein wird.

Damit sind auch ganz andere Anforderungen an den pflegerischen Bereich verbunden. Zugleich ist die eigene Gesundheit heute mehr denn je ein Element der Lebensqualität, das den Menschen wichtig ist und für das sie auch über den Bereich des Medizinischen hinaus – der sogenannte Wellnessbereich – bereit sind, private Mittel einzusetzen.

Der Bedarf an hochwertigen Gesundheitsprodukten sowie an einer professionellen Pflege wird also in den kommenden Jahren und Jahrzehnten rasant anwachsen und damit auch die Nachfrage nach den geeigneten Fachkräften. Zukünftig werden in jedem Jahr 300 Fachkräfte in Bochum ein Studium abschließen können.

In der Gesundheitsbranche gibt es bereits jetzt einen erheblichen Mangel an Fachkräften, insbesondere in der Alten- und Krankenpflege. Die AWO geht davon aus, dass dort bundesweit mindestens 40.000 Fachkräfte fehlen. In einer vom „managermagazin“ veröffentlichten Rangliste der meistgesuchten Arbeitnehmer rangieren ausgebildete Pflegekräfte in der Spitzengruppe. Auch vor diesem Hintergrund ist das also eine richtige und wichtige Entscheidung.

Mein Fazit: Die FH für Gesundheitsberufe, verortet auf dem neuen Gesundheitscampus in Bochum, bietet die Voraussetzungen, die für eine zeitgemäße und zukunftsträchtige Ausbildung in den unterschiedlichen Bereichen des nichtärztlichen Gesundheitswesens nötig sind. Sie ist ein wichtiger und wesentlicher Beitrag für den Innovationsstandort Nordrhein-Westfalen. Sie ist eine Investition in die Zukunft der jeweiligen Studierenden sowie in die

Zukunft der Gesellschaft und des Landes insgesamt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Kollegin Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung über den Gesundheitscampus ist gefallen. Ich finde, das, was dort geplant ist, ist schon ein Leuchtturmprojekt der Landesregierung.

Aber man wird an anderer Stelle noch einmal im Detail darüber reden – und auch darüber reden müssen –, was alles wo im Land abgezogen wird, um es dort zu konzentrieren. Wir haben nach wie vor nicht nur hinter viele Punkte ein Fragezeichen gesetzt, sondern wir üben auch heftige Kritik daran: vom Krebsregister bis zu anderen Bereichen.

Aber, wie gesagt, die Diskussion darüber, was dadurch im Land zerschlagen wird, werden wir an anderer Stelle führen. Heute dreht sich die Diskussion um den Kernpunkt Ihres Gesundheitscampus, um die Fachhochschule für Gesundheitsberufe.

Klar: ein Glückwunsch an Bochum, dass sie bei der Standortentscheidung gewonnen haben. Das tut Bochum mit Sicherheit gut.

Aber ich möchte auch da noch einmal etwas Wasser in den Wein schütten. Es wäre mit Sicherheit einfacher gewesen und hätte mehr Synergieeffekte gebracht, wenn man nicht einen eigenen neuen Hochschulträger ins Leben gerufen, sondern es an eine andere Fachhochschule, zum Beispiel Gelsenkirchen, angedockt hätte. Man hätte mit einer Außenstelle Bochum Synergieeffekte nutzen können.

Die Chance ist vertan worden. Vielmehr kommen wir wieder zu einem neuen Standort. War es nicht die Landesregierung, die immer mal gegen Doppel- und Mehrfachstrukturen an so vielen Stellen gewettert hat? An der Stelle schafft sie sie selbst.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber gut: Das haben wir jetzt. Das werden wir auch aus der Opposition heraus nicht mehr verändern können.

Jetzt geht es darum, wie die Entscheidung ausfallen wird. Heute ist der Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt worden.

Ich spreche hier explizit als Gesundheitspolitikerin; denn bei den Berufsgruppen, um die es bei der Fachhochschule geht, handelt es sich um Gesundheitsberufe. Für viele davon – vier – gab es das bisher überhaupt nicht, auch nicht in annähernd vergleichbarer Form. Vielmehr ist das ein Modell. Es ist ein völlig neuer Start.

Wenn ich mir anschaue, was in all den Stellungnahmen, Veröffentlichungen und im Gesetzentwurf dazu steht, stelle ich fest: Dort steht, man wolle das Regelniveau der bewährten Fachschulausbildung erhalten. Es steht auch viel darüber, dass man viele Dinge heute noch gar nicht klären könne. Man weiß noch nicht, wie die genaue, konkrete Ausgestaltung aussehen solle.

Aber wenn man ein solches Rahmengesetz auf den Weg bringt, ist doch genau das die Frage: Wie wird der weitere Plan, und wie werden die weiteren Schritte sein? Sie schreiben nämlich in Ihrem Gesetzentwurf schon fest, wann die Fachhochschule im Regelbetrieb an den Start gehen soll. Das ist nicht richtig viel Zeit; denn das Jahr 2010 ist ja sozusagen um die Ecke.

Gestern Abend hatten wir den Parlamentarischen Abend des Frauenrates, wo auch der Hebammenverband als einer derjenigen, die bei der Aufwertung des Berufs mit bedacht sind, einen Stand hatte. Ich habe mit dieser Fachgruppe und auch mit anderen Fachgruppen in der letzten Zeit immer wieder einmal über dieses Thema gesprochen.

Ich denke dabei an die inhaltliche Ausgestaltung: Wie soll das Ganze funktionieren? Wer entscheidet was? Wie und wann werden diejenigen, die in dem Bereich kompetent sind, gefragt? Hinter dieser ganzen Planung stehen mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen. Welche Rolle spielen die Verbände und die berufsständischen Vertretungen in diesem Verfahren? Welche Rolle spielt denn das zuständige Fachministerium in dieser Frage?

Schauen wir uns dann einmal den Gesetzentwurf an. Ich meine, wir alle bekommen im Moment im Land die Gründung der anderen Fachhochschule mit, bei der man weiß, dass die Gründungsprofessoren ein Stück weit Sonnenkönige sind, die entscheiden können, was sie wollen. Wir erleben das an vielen Standorten. In Mülheim haben wir es extrem erlebt.

(Zuruf von Minister Karl-Josef Laumann)

Dort versucht der Gründungsprofessor sozusagen in einem Poker, so viel wie möglich für seine Fachhochschule herauszuholen,

(Minister Karl-Josef Laumann: Das ist doch klar!)

egal, ob es am Ende mit den kommunalen Interessen und mit den fachlichen Interessen kompatibel ist.

(Minister Karl-Josef Laumann: Wer soll das sonst machen?)

Ein Gründungsprofessor ist nicht unbedingt jemand, der die Stadtentwicklung, die städteplanerische Entwicklung und die Verkehrsanschlüsse kennt – welche ÖPNV-Anbindung braucht man –, sondern er ist eigentlich für die inhaltliche Ausgestaltung

zuständig. Dieses Hochschulgesetz initiiert Sonnenkönige und versucht an bestimmten Stellen nicht, fachlich das Beste herauszuholen. Diese Kritik muss man einräumen können.

Wenn wir es auf die Gesundheitsberufe herunterbrechen, so ist festzustellen, dass für die Prüfungen, für die Weiterbildung und für diesen Bereich insgesamt das Gesundheitsministerium inhaltlich zuständig ist. Das Gesundheitsministerium mit dem Gesundheitsminister kommt in diesem Gesetz aber nicht vor, sondern das Wissenschaftsministerium. Das halten wir in diesem Bereich für grundsätzlich falsch.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wir halten es für falsch, dass ein Gründungsprofessor bezogen auf die Dekangestaltung, die Steuerung und Ausgestaltung der Curricula und die gesamte inhaltliche Gestaltung mehr Regelungskompetenz hat als die Fachaufsicht. Wir halten es für nicht zulässig, dass der Minister am Katzentisch sitzen soll.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier geht Freiheit vor Qualität. Das halten wir an dieser Stelle für falsch. Wir hoffen, dass dies im laufenden Verfahren der Anhörung zur Sprache kommen und es eine Nachbesserung geben wird. Denn wir glauben, dass es so nicht im Interesse der Heilberufe ist, auch – noch einmal gesagt – wenn es für viele der Bereiche gut ist, dass durch diese Akademisierung eine Aufwertung stattfindet. Aber es muss auch inhaltlich richtig und adäquat ausgestaltet sein. Da habe ich doch sehr viele Bedenken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)