Ich bin sicher, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die neue Fachhochschule wird nicht nur unsere Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen bereichern. Sie wird auch wertvolle Impulse für Medizinforschung und Medizintechnik liefern, also für die Zukunftsfelder, die wir hier in NordrheinWestfalen bei unserer Forschungsförderung besonders in den Blick nehmen. Sie wird auch bundesweit wertvolle Anstöße dazu geben, wie künftig die Lehre in Gesundheitsberufen aussehen kann.
Ich gehe also davon aus, dass wir hier im Sinne der künftigen Studierendengeneration, aber vor allen Dingen im Sinne der auf Gesundheitsleistungen angewiesenen Mitbürgerinnen und Mitbürger einen ganz wichtigen Beitrag zur Fortentwicklung leisten können. – Herzlichen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. –Für die SPD-Fraktion erhält Frau Kollegin Gebhard das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Im Gegensatz zu dem Tagesordnungs
punkt zuvor stimme ich in der Beschreibung der Ausgangslage, der Veränderung der gesellschaftlichen Situation und der gesundheitlichen Versorgung in weiten Teilen mit dem, was Herr Minister Pinkwart ausgeführt hat, überein.
Im Bereich der gesundheitlichen Versorgung setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass wir einer viel stärkeren Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Leistungserbringern – ambulant wie stationär – bedürfen. Das heißt, die Arbeit von Ärzten, die Arbeit von Pflegekräften und die Arbeit nichtärztlicher Heilberufler müssen wie Zahnräder ineinandergreifen. Ihre Wirksamkeit ist ungleich effektiver, wenn sie nicht nacheinander Dienst am Patienten leisten, sondern überlappend tätig werden.
Der Trend, dass Rehabilitationsmaßnahmen bereits während eines stationären Aufenthalts stattfinden, muss weiter unterstützt werden. Wir wissen aber auch: Es gestaltet sich nach wie vor schwierig, bei Entlassungen sicherzustellen, dass die bereits in der stationären Einrichtung begonnenen Therapien auch ambulant nahtlos und kontinuierlich weitergeführt werden. Wir müssen also daran arbeiten, dass es nicht zu Brüchen bzw. Unterbrechungen in der Therapie kommt.
Wenn es unser aller Ziel ist, einen solchen Prozess zu organisieren, verändern sich – das müssen wir zur Kenntnis nehmen – die Anforderungen an die Professionen auch der nichtärztlichen Heilberufe und der Kranken- und Altenpflege. Eine Antwort darauf ist, die Weiterbildung für die einzelnen Berufsfelder weiterzuentwickeln. Eine zweite Antwort ist die Etablierung von entsprechenden Fachhochschulstudiengängen.
Ja, es macht Sinn, Bachelor-Studiengänge für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege, für Hebammen, für Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten zu etablieren. Meines Erachtens ist das auch kein abschließender Katalog. Es wäre auch prüfenswert, dies auf weitere nichtärztliche Heilberufe auszudehnen. Aber irgendwo muss man mal anfangen.
Die prinzipielle Entscheidung, eine solche Fachhochschule für Gesundheitsberufe im Ruhrgebiet zu errichten, ist sachgerecht. Nicht, dass nicht auch andere Regionen in Nordrhein-Westfalen eine Menge in der Gesundheitswirtschaft und Gesundheitstechnik zu bieten hätten, aber zu einer Fachhochschulausbildung in diesem Bereich gehört auch – darauf hat Herr Minister Pinkwart bereits hingewiesen – die ausreichende Möglichkeit zur praxisnahen Ausbildung, also zu entsprechenden Praktikumsplätzen. Das Ruhrgebiet mit seiner hohen Krankenhaus- und Bevölkerungsdichte bietet daher wie keine andere Region in Nordrhein-Westfalen die beste Voraussetzung dazu.
wie bereits gesagt, die bundesweit erste Fachhochschule für Gesundheitsberufe in staatlicher Trägerschaft. In Berlin existiert zwar bereits mit der Hochschule für Gesundheit und Sport eine staatlich anerkannte private Fachhochschule. Ferner gibt es an mehreren Universitäten pflegewissenschaftliche Studiengänge oder zum Beispiel Masterstudiengänge zum Gesundheitsmanagement, zur Gesundheitstechnik, zu Public Health – auch hier in Nordrhein-Westfalen. Mit den jetzt vorhandenen Angeboten werden somit aufgrund der immer komplexer werdenden Anforderungen in der gesundheitlichen Versorgung neue Berufsfelder bedient.
Bei der Fachhochschule für nichtärztliche Gesundheitsberufe ist das aber anders. Hier sollen Studiengänge quasi parallel zu staatlich anerkannten Ausbildungsgängen von Fachschulen etabliert werden. Das heißt, es handelt sich hier nicht einfach um eine weitere Neugründung einer Fachhochschule mit bekanntem, gewohntem Fächerspektrum. Es ist nicht einfach die Aufstockung von 15 auf 16 Fachhochschulen in unserem Lande. Deshalb meine ich: Business as usual ist hier nicht angezeigt.
Der heute seitens der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf ist aber so abgefasst, als wäre es nicht eine Besonderheit, sondern nur eine weitere Fachhochschule. Die separate Einbringung für diese Hochschule wird nicht aus dem Spezifikum dieser Fachhochschule abgeleitet, sondern daraus, dass sie, wie Minister Pinkwart vorhin andeutete, Teil des Gesundheitscampus sein soll.
Die Errichtungsvorgaben in diesem Gesetzentwurf tragen unserer Ansicht nach der inhaltlichen Besonderheit in keiner Weise Rechnung.
Sie werden gleich Gelegenheit haben, hierzu etwas zu sagen, Herr Minister Laumann. Zuvor werde ich Ihnen im Detail erläutern, warum wir das so sehen.
Sämtliche Errichtungsvorschriften in § 2 des Gesundheitsfachhochschulgesetzes sind analog zu den anderen Neugründungen von Fachhochschulen ausgerichtet. Das heißt, das Heft des Handelns liegt in der Phase der Errichtung, bis die Hochschule in die Selbstständigkeit entlassen ist, ausschließlich beim Wissenschaftsministerium.
Die Einführung von Studiengängen obliegt dem Wissenschaftsministerium. Auch wenn es in der Begründung – aber nur in der Begründung, Herr Minister Pinkwart; im Gesetz ist das nicht verankert – heißt, dass damit das Erfordernis der Akkreditierung nicht entfällt, wird aber nicht geregelt, welche Mitsprache das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Herr Minister Laumann, die Berufsverbände und die über 200 Fachschulen in unserem Lande haben. Selbst die Aufgaben des Hochschulrates und des
vorsitzenden Mitglieds des Hochschulrates sollen bis zu seiner Bildung ausschließlich vom Wissenschaftsministerium wahrgenommen werden. Bedenkt man, welche Funktion dem Hochschulrat nach dem gültigen Hochschulgesetz zukommt, wäre unseres Erachtens gerade auch hier wieder eine Beteiligung des MAGS angezeigt.
Aufgrund des sogenannten Hochschulfreiheitsgesetzes, Herr Laumann, haben Sie auch nur in der Gründungsphase die Chance, Ihre fachlichen Anforderungen aktiv einzubringen. Nur müsste dies dann auch im Errichtungsgesetz vorgesehen sein.
Das ist es aber nicht. Anschließend wird für Sie der Zug zur inhaltlichen Gestaltung sowieso abgefahren sein. Der Minister hat gerade noch einmal gesagt, es werde dann in der Eigenverantwortung der Fachhochschule liegen.
Warum ist und war dies aber so wichtig? Die Verantwortung für die staatliche Anerkennung der Fachschulen liegt wo? – Beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die Verantwortung für die Weiterbildungsverordnungen für die nichtärztlichen Heilberufe liegt wo? – Beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Bereits die Diskussion im letzten Jahr um die Weiterbildungsverordnungen der Fachkrankenpflege für Intensivpflege und Anästhesie hat aufgezeigt, dass diese die Schnittstelle zur akademischen Ausbildung in diesem Bereich darstellen.
Gerade wegen der internationalen Vergleichbarkeit – Herr Pinkwart hat ja darauf hingewiesen, dass es in anderen europäischen Ländern sehr wohl schon eine akademische Ausbildung dazu gibt – war und ist es den Berufsverbänden – aus unserer Sicht auch völlig zu Recht – sehr wichtig, dass die Weiterbildungsmodule per European Credit Transfer System auf entsprechende Bachelor-Studiengänge anrechenbar sind. Das heißt, den Berufsverbänden ist es außerordentlich wichtig, dass die einzelnen Module in den klinischen und theoretischen Anforderungen so etabliert werden, dass sie auf dem Niveau 6 des Europäischen Qualifikationsrahmens angesiedelt sind. Das würde die Anrechnung auf Bachelorstudiengänge ermöglichen.
Dies ist im letzten Jahr in der Weiterbildungsverordnung leider nicht gelungen. In diesem Jahr stehen weitere Weiterbildungsverordnungen an, und es gilt unserer Ansicht nach, dieses Manko einerseits zu heilen und andererseits bei den weiteren diese Probleme erst gar nicht auftreten zu lassen.
Was heißt dies nun für die Entwicklung von Studiengängen an dieser neu zu gründenden Fachhochschule? Da sie auf den gleichen Berufsfeldern aufsetzen soll, aber nicht „on top“, sondern parallel zu diesen Berufsfeldern ansetzen soll, müsste es so eingerichtet werden, dass die Curricula in den Schulen vorsehen, dass sie einerseits Module enthalten,
wie sie in der Fachweiterbildung auf EQR-Niveau praktiziert werden, und andererseits Module, die darüber hinausgehen; denn sonst bräuchten wir sie nicht.
Welche Auswirkungen die Einführung dieser Bachelor-Studiengänge auf die Fachschulen haben wird, insbesondere auf diejenigen, die in der Nähe zur neuen Fachhochschule liegen, ist meines Erachtens aufgrund des noch ungeklärten curricularen Angebots gegenwärtig noch gar nicht absehbar. Wie die Anstellungsträger auf die neuen Absolventen dieser Fachhochschule reagieren werden, steht ebenfalls noch in den Sternen. Gerade weil dort Unsicherheiten bestehen, ist es aber umso mehr von Bedeutung, dass die Curricula in Abstimmung mit den Berufsverbänden, den Fachschulen und ihrer Träger sowie den potenziellen Anstellungsinstitutionen entwickelt werden.
Darauf zu vertrauen, dass sich dies alles von alleine regeln werde, ist – mit Verlaub – nach meiner Lebenserfahrung nur ein frommer Wunsch. Darum, Herr Minister, Laumann, fordern Sie die Berücksichtigung der fachlichen Kompetenz Ihres Hauses ein, und zwar jetzt, wo es noch möglich ist, und nicht erst, wenn es zu spät sein wird. – Danke schön.
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Gebhard, es kann ja überhaupt nicht anders sein: Natürlich ist das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales das Ministerium, das für die berufsrechtlichen Aspekte zuständig ist.
Natürlich ist das Ministerium sowohl für die Aufsicht über die Einhaltung der Berufsgesetze als auch der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen zuständig; ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es irgendeinen Dissens darüber geben könnte.
Selbstverständlich müssen die niedergelegten Ausbildungsinhalte an dieser Fachhochschule für Gesundheitsberufe den gesetzlichen Grundlagen im Bereich der Ausbildung und der Berufsgesetze entsprechen. Es wäre ja verrückt, wenn man dort gewissermaßen im Widerspruch zu Ausbildungs- und Berufsgesetzen stehende Regelungen in Anwendung brächte; damit würde man Ausbildungen schaffen, die ins Leere liefen. Der Sinn des ganzen Unternehmens ist es doch, den Anschluss sowohl an die sich verändernde Berufswelt – Herr Minister Pinkwart und Frau Gebhard haben ein paar Beispie
le dafür genannt; ich muss das nicht wiederholen – als auch an das internationale Niveau herzustellen.
Mit all dem, was die Zielsetzung des Gesundheitscampus und der Gründung dieser Fachhochschule für Gesundheitsberufe angeht, wollen wir in Nordrhein-Westfalen ein Zentrum bilden, das beide Bestandteile aufweist: ein Zentrum, das die Gesundheitsforschung in die gleiche Liga bringen soll, in der heute die National Institutes of Health der USA oder das Robert-Koch-Institut auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung tätig sind.
Wir sind nicht in dieser Liga, aber wir wollen in diese Liga. Deswegen war es auch gut, dass von Anfang an im Rahmen des sukzessiven Aufbaus des Gesundheitscampus viele Instanzen zusammengeführt und gebündelt werden: Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit, das Zentrum für Telematik, das Europäische Proteinforschungszentrum, die MedEcon Ruhr, das Clustermanagement „Gesundheitswirtschaft“, das in Gründung befindliche Strategiezentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen, auch das Krebsregister, dessen Verlagerung aus Münster allerdings nur mit Zustimmung der Gesellschafter und des Landtags möglich sein wird.
Wegen der starken außeruniversitären Forschung wird für den Standort Bochum zu Recht ein großes Potenzial für Vernetzungen in die Metropole Ruhr gesehen. Ich glaube, dass der Gesundheitscampus die Chance birgt, eine Art Gravitationszentrum zu sein, das in Nordrhein-Westfalen nationale und internationale Kooperations- und Vernetzungsstrukturen aufbaut. Es wird also nicht nur eine Stadt oder eine Region nach vorne bringen, sondern es wird dem gesamten nordrhein-westfälischen Gesundheitswesen einen Schub geben, um damit die medizinische Versorgung weiter voranzubringen.
Wir, die Abgeordneten dieses Parlaments, wir alle aus allen Fraktionen werden darauf zu achten haben, dass diese Idee durch zahlreiche Kooperationen und Partnerschaften innerhalb NordrheinWestfalens verwirklicht wird und dass die großen Potenziale medizinischer Innovation, die unser Land aufweist, zu ihrer vollen Blüte entwickelt werden, gerade auch durch die geplanten Kooperationen.
Jürgen Rüttgers, unser Ministerpräsident, hat recht, wenn er sagt: Nordrhein-Westfalen ist bereits heute eine führende Gesundheitsregion in Deutschland. Wir wollen eine führende Gesundheitsregion in Europa werden, und wir wollen international zu den Besten gehören. – So weit Jürgen Rüttgers.
Rechtzeitig zur Standortentscheidung hat das Kabinett nun auch das erforderliche Errichtungsgesetz für die im vorigen Jahr angekündigte Fachhochschule für Gesundheitsberufe eingebracht. Ich bedanke mich bei allen, die zu der zügigen Vorbereitung dieser Entscheidung beigetragen haben.
Zum Terminablauf brauche ich nicht viel zu sagen. Es ist ein ehrgeiziger Zeitplan, 2010 ans Netz zu gehen. Aber dieser Zeitplan soll eingehalten werden. Dazu können wir durch zügige Beratung einen Beitrag leisten.
Herr Minister Pinkwart hat bereits von den Modellklauseln gesprochen, die es im Kranken- und auch im Altenpflegegesetz gibt. In den Berufsgesetzen der anderen nichtärztlichen Heilberufe, also der Hebammen, der Logopäden, der Physiotherapeuten und Ergotherapeuten, hat das Land eine Bundesratsinitiative gestartet, die seit April 2008 läuft. Wir zählen darauf, dass diese Modellklauseln noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.
Eine Modellklausel zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten, wie sie auf der Bundesebene im Pflegeweiterentwicklungsgesetz eingeführt wurde, ist in der Bundesratsinitiative Nordrhein-Westfalens ausdrücklich nicht vorgesehen.
Mir ist wichtig, die Annahme zu zerstreuen, mit diesem Konzept komme es nun zu einer Abwertung der nicht akademisch ausgebildeten Hebammen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Logopäden und die Absolventen der Fachhochschule für Gesundheitsberufe würden ihre an den Fachschulen ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen aus ihren heutigen Aufgaben verdrängen. Schon ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass dies nicht der Fall sein wird.
Aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes geht hervor, dass allein im ambulanten Sektor mehr als 60.000 Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Masseure und Medizinische Bademeister tätig sind. Nach Schätzungen des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie gibt es in Deutschland etwa 10.000 Logopädinnen und Logopäden, nach Angaben des Deutschen Verbandes für Ergotherapie annähernd 20.000 Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten. Aus den Berichten des RKI wissen wir von über 18.000 Hebammen, zwei Drittel davon ganz oder zumindest teilweise freiberuflich tätig.
Wenn man sich diese Zahlen vergegenwärtigt – 60.000, 10.000, 20.000, 18.000 –, dann wird mir jeder bestätigen, dass ein Studienbetrieb mit ca. 300 neu eingeschriebenen Studierenden pro Jahr mit Sicherheit nicht zu einer Verdrängung all dieser Menschen aus ihren angestammten Aufgaben führen wird.