Protocol of the Session on April 2, 2009

Ich komme zum Schluss. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt und mit dem Ausbau der Fachhochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen ein Projekt begonnen, das ganz wesentlich dazu beiträgt, dass das Land Nordrhein-Westfalen in der Innovationspolitik im Wettbewerb der Bundesländer ganz vorne stehen kann. Es schafft die Voraussetzungen

dafür, dass junge Menschen in Nordrhein-Westfalen qualitätsvolle Berufsperspektiven finden. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Groth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! NRW steht in dieser Frage eben nicht ganz vorne, Herr Lindner. Das liegt auch daran, wie Sie diesen Gesetzentwurf und diesen Wettbewerb gestaltet haben.

Es kommt zu Studienorten mit 40 Studenten. Das ist keine Größe, bei der man vernünftig studieren kann. Das ist so etwas wie eine Fernuniversität. Ein kleiner Studienort der FH Gelsenkirchen in Ahaus hat 40 Studentinnen und Studenten. Das ist aus unserer Sicht Quatsch. Wir wollen natürlich auch in die Breite gehen. Sie hätten das aber anders machen müssen: schneller, effizienter und kostengünstiger.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eines sagen, damit nach dem, was wir hier alles gehört haben, kein falscher Zungenschlag in die Debatte kommt.

Erstens. Wir Grünen begrüßen ausdrücklich jeden einzelnen Studienplatz, der in diesem Lande geschaffen wird, und zwar nicht nur an Fachhochschulen, sondern auch an Universitäten. Das betrifft im Übrigen auch nicht nur MINT-Fächer. Auch wenn das jetzt im Moment richtig ist, wollen wir das ausdrücklich gesagt haben.

Zweitens. Wir freuen uns für jede einzelne Kommune, die durch dieses Fachhochschulausbaugesetz Hochschulstandort wird. Auch wir wissen, die Anbindung an Wissenschaft und Forschung und damit die Möglichkeit zu hochwertigen akademischen Ausbildungen kann für viele Betriebe gerade im mittelständischen Bereich ausgesprochen wichtig sein. Herr Lindner, trotzdem muss es doch erlaubt sein, Kritik zu üben.

(Christian Lindner [FDP]: Ja, klar!)

Dies ist auch richtig. Wir reden nicht über die Lösung des Studienplatzproblems, das spätestens mit dem doppelten Abiturjahrgang 2013 auf uns zukommt. Einige von Ihnen wollen immer diesen Eindruck erwecken. Wir reden heute insgesamt über 10.000 flächenbezogene Studienplätze, auf denen im Endeffekt insgesamt 15.000 junge Menschen studieren können, wenn man es richtig umrechnet. Wohlgemerkt: Es sind maximal 5.000 Studienanfänger, die ihr Studium an diesen neuen und erweiterten Hochschulen jedes Jahr werden aufnehmen können. Dass es so wenige sind, liegt auch daran,

dass Sie den Weg über neue Standorte statt über einen Ausbau einschlagen.

Das dauert einfach viel zu lange. Sie haben regionalpolitische Erwägungen wichtiger genommen als die Notwendigkeit, so viele Studienplätze wie möglich mit höchster Qualität in Nordrhein-Westfalen zu schaffen, und zwar mit „Tempo, Tempo“ wie Sie es immer so schön sagen. Sie machen jetzt „langsam, langsam“.

Auch wenn es ein Schritt nach vorne ist, dauert es uns viel zu lange. Wir liegen zurück. Herr Lindner, Sie wissen, beim doppelten Abiturjahrgang 2013 reden wir nicht über 5.000, sondern über 50.000 zusätzliche Studienberechtigte in einem Jahr. Das sind 70.000 mehr als im Jahr 2005. Wir hängen beim Schaffen von Studienplätzen hinterher. Diese 10.000 Studienplätze, durch die am Ende jedes Jahr 5.000 Studentinnen und Studenten zusätzlich anfangen können, beseitigen in keiner Weise das Problem, das wir mit 50.000 neuen Studienberechtigten im Jahr 2013 haben. Das ist ganz einfach.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das hätte man anders machen müssen. Schon nach eigenen Angaben hätten Sie inzwischen 10.739 zusätzliche Studienplätze schaffen müssen. Für das Jahr 2007 wären es knapp 4.000 und für das Jahr 2008 knapp 7.000 gewesen. Das sind Ihre Zahlen, Herr Minister. Das wäre die Erfüllung des Hochschulpaktes I. In Wirklichkeit hatten wir jedoch erst einmal ein Minus hinzunehmen. Es gab also gar keinen Zuwachs gegenüber 2005.

Das von Bund und Ländern vereinbarte Ziel von 26.000 zusätzlichen Studienplätzen bis zum Jahr 2010 ist faktisch in Nordrhein-Westfalen überhaupt nicht mehr erreichbar. Das ist auch dann nicht mehr der Fall, wenn die neuen Fachhochschulen tatsächlich bis zum Jahresende irgendwie ihren Betrieb aufnehmen werden. Ich dachte, die Zeit der Baracken und Notlösungen sei in Nordrhein-Westfalen endlich einmal vorbei. Dafür wollen Sie auf jeden Fall einstehen.

Der von Ihnen gewählte Weg ist nicht nur teurer, sondern auch langsamer. Es wäre sehr viel besser, den Ausbau der bestehenden Systeme hinzubekommen.

Dass die Repräsentanten der Orte und Hochschulen, die neu gegründet werden sollen, Feuer und Flamme sind, können wir gut verstehen. Das tragen wir mit und begrüßen es auch. Das ist in Ordnung. Das löst aber nicht das eigentliche Problem, das wir in Nordrhein-Westfalen haben.

So wichtig, wie uns jeder neue Studienplatz ist, der mit diesem Gesetz an einer neuen Fachhochschule entsteht, so kommen Sie für den Hochschulpakt I zu spät. Für den Hochschulpakt II und den doppelten Abiturjahrgang sind es jedenfalls viel zu wenige

Plätze. Hochschulpolitisch macht das Ganze überhaupt keinen Sinn.

Herr Minister, ich muss Sie einmal in Schutz nehmen. Dieses Verfahren war eigentlich nicht Ihr Wunsch. Ihr Ministerpräsident ist durch die Lande gezogen und hat gesagt, ich mache da einmal etwas, jetzt kommen auch Wahlen, ich muss mich regionalpolitisch betätigen usw., ich verteile da einmal ein bisschen.

Herr Minister Pinkwart, wahrscheinlich wären Sie lieber auch unserer Linie gefolgt. In Ordnung. Wir wollen Sie in dieser Frage deshalb nicht zu sehr strafen. Der Ministerpräsident hat das erfunden. Sie waren damit nicht einverstanden; am Ende haben Sie es aber gemacht.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Änderungsantrag zu sprechen kommen. Wir wollen diese freihändige Vergabe nicht. Es geht nicht um eine proaktive Vorgehensweise. Wenn jemand proaktiv aufgefordert werden soll, kann man ihn auch auffordern, sich zu bewerben. Dann kann er ein ganz normales Verfahren durchlaufen, bei dem alle Hochschulgremien mitreden können, unter anderem auch die Gleichstellungsbeauftragten.

Wohin wird Ihr Weg führen? Wir werden den Gleichstellungsaspekt noch weniger vertreten haben als es vorher der Fall gewesen ist. Das ist in der Anhörung auch kritisiert worden. Sie werden sich sozusagen freihändig Leute aussuchen. Ob das zum Wohle der Hochschulen sein wird, ist zu bezweifeln. Das hat die Anhörung auch ergeben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir werden deshalb diesem Artikel des Gesetzentwurfs, der mit dem Fachhochschulausbau überhaupt nichts zu tun hat, nicht zustimmen. Daher können wir auch dem gesamten Gesetzentwurf keine Zustimmung geben. Wir bitten um getrennte Abstimmung über die einzelnen Artikel, sodass wir unser Votum in dieser Frage deutlich machen können. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Groth. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition tut sich schwer; das kann ich verstehen.

(Zustimmung von Manfred Kuhmichel [CDU])

Man spürt förmlich, wie zerrissen Sie sind.

(Zustimmung von Manfred Kuhmichel [CDU])

Natürlich können Sie nicht übersehen, dass auch Ihre kommunalpolitischen Vertreter vor Ort wie eine Oberbürgermeisterin der SPD dankbar dafür sind, dass es diese Entscheidung der Landesregierung und der Jury gab, um in ihrer Stadt endlich mit einer Fachhochschule zu besseren Perspektiven für junge Menschen und für die regionalen Standorte zu kommen. Es ist für Sie außerordentlich schwer, nicht zustimmen zu können, weil Sie heute an der falschen Stelle eine oppositionelle Haltung zeigen wollen. Das ist das eigentliche Dilemma.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich bin in den letzten Wochen unterwegs gewesen und habe viele Gespräche vor Ort führen können.

(Zuruf von der SPD: Wir auch!)

Ich habe in den Rathäusern und in den Kreistagen über alle Fraktionsgrenzen hinweg erlebt, dass diese Entscheidung als eine der ganz zentralen Weichenstellungen für die Zukunft empfunden worden ist – sowohl dort, wo es neue Fachhochschulen geben wird, als auch dort, wo es neue Fachhochschulabteilungen oder Studienorte geben wird.

(Zustimmung von Manfred Kuhmichel [CDU])

Herr Groth, an Ihren Ausführungen war bemerkenswert, dass Sie alles so schnell haben wollen. Ich habe gedacht, Ihre Partei stünde für Nachhaltigkeit. Aber das haben Sie anscheinend über Bord geworfen. Wir setzen auf nachhaltige Politik. Deswegen verändern wir mit dieser Entscheidung die Strukturen des Hochschulsystems in NordrheinWestfalen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir ändern es in vielerlei Hinsicht zum Positiven. Vor allen Dingen geht es uns um die jungen Menschen mit den Ausgangsbedingungen, bei denen es das größte Defizit leider zur Zeit Ihrer Regierungsverantwortung gab.

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist absoluter Un- fug!)

Es tut mir leid, Herr Schultheis, aber ich muss es vortragen. Das bekümmert uns auch heute noch und macht die Situation in Nordrhein-Westfalen sehr schwierig.

Denn wir haben – dafür sollten wir dankbar sein – einen höheren Anteil an Fachhochschulzugangsberechtigten als andere Bundesländer. Wir haben einen etwa gleich hohen Anteil an allgemeinen Hochschulzugangsberechtigten, also an Abiturienten, wie Bayern, Baden-Württemberg oder andere Bundesländer. Aber wir haben einen überproportional hohen Anteil an Fachhochschulzugangsberechtigten. Anders als andere Bundesländer haben Sie uns eine Hochschulstruktur hinterlassen, in der nur jeder vierte Student an einer Fachhochschule studiert, obwohl 40 % der Hochschulzugangsberechtig

ten eines Jahrgangs eine Fachhochschulzugangsberechtigung haben.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Ganz genau!)

Baden-Württemberg und Bayern schaffen es, 40 % der Hochschulzugangsberechtigten einen Fachhochschulstudienplatz anzubieten. Dort gibt es eine entsprechende inverse Struktur, denn wir haben viele Fachhochschulzugangsberechtigte, aber wenige Fachhochschulplätze.

(Karl Schultheis [SPD]: Dafür haben wir ins- gesamt weniger Studienplätze!)

Das hat zur Folge, dass wir vor allen Dingen den jungen Menschen aus bildungsfernen Elternhäusern oder mit Migrationshintergrund nicht die Aufstiegschancen geben können, die sie dringend brauchen.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU] – Zu- ruf von Karl Schultheis [SPD])