Protocol of the Session on April 1, 2009

Man kann auch ohne Grafiken überzeugen, Herr Pinkwart.

(Martin Börschel [SPD]: Man kann, Herr Mi- nister, man kann!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zur Sache spreche, möchte ich an Ihre Fairness appellieren. Herr Börschel, Sie haben mehrmals erwähnt, dass Herr Wolf an der Debatte nicht teilnimmt. Sie müssten eigentlich wissen – sonst sollten Sie sich vorher erkundigen, bevor Sie einen solchen Vorwurf erheben –, dass er sich frühzeitig für die heutige Debatte entschuldigt hat, weil er für den Ministerpräsidenten einen Termin bei der Sportstiftung wahrnimmt. Das sollte man wissen, bevor man hier Attacken reitet.

(Beifall von der CDU – Gisela Walsken [SPD]: Ja, ja, das ist Ihre eigene Geschichte!)

Aber vielleicht liegt es daran, dass man ansonsten in der Sache relativ wenig zu sagen hat; denn das, was Sie zum Nachtragshaushalt vorgetragen haben, weshalb Sie ihm nicht zustimmen, kann niemanden überzeugt haben. Herr Börschel, ich werde gleich auf Ihren Einwand zu sprechen kommen, dass es die 38 Stellen seien, die Sie daran hindern. Dann werden wir sicherlich auch darüber diskutieren.

Meine Damen und Herren, seit Einbringung des Nachtragshaushaltsentwurfs am 4. März dieses Jahres haben sich die Prognosen nicht zum Besseren entwickelt. Am vergangenen Freitag hat die OECD mitgeteilt, dass sie die Konjunkturprognose für ihre 30 Mitgliedstaaten drastisch senken wird. Laut OECD werde die Wirtschaftsleistung in den Industriestaaten in diesem Jahr um 4,2 % schrumpfen. Auch der Internationale Währungsfonds befürchtet, dass die Weltwirtschaft erstmals seit 60 Jahren insgesamt schrumpfen werde. Bisher gab es eine positive Prognose in Höhe von 0,5 %, jetzt wird minus 1 % genannt. Sie kennen sicherlich auch die

Prognose des RWI, das von einer Schrumpfung in Höhe von 4,3 % ausgeht.

Auch zum Thema Steuerschätzungen ist vorhin etwas gesagt worden. Ob wir sie weiter werden herunternehmen müssen, wird die Mai-Steuerschätzung zeigen. Sie wissen, dass ich vor dem Hintergrund der Zahlen des Bundesfinanzministers einen sehr vorsichtigen Ansatz gewählt habe. Wir werden abwarten müssen, wie es im Mai aussieht.

Wir verabschieden den Nachtragshaushalt also in einer Situation, in der niemand verlässlich sagen kann, wie es am Jahresende aussehen wird. Bei allen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten ist es sicherlich richtig, den Nachtragshaushalt auf der Basis der vorliegenden Annahmen, also auch der des Bundes, zu beschließen.

Meine Damen und Herren, es ist zu Recht darauf aufmerksam gemacht worden, dass das Konjunkturpaket II der wesentliche Inhalt dieses Nachtrags ist. Ich gehe davon aus, Sie wissen, was der Münchner Oberbürgermeister Ude zum Vorgehen der nordrhein-westfälischen Landesregierung gesagt hat, dass nämlich die Landesregierung mit diesem Programm geradezu vorbildlich umgegangen ist, weil wir fast 85% an die Kommunen weitergeben.

Die Bundesregierung begründet ihre Ausweitung der Nettoneuverschuldung auf nahezu das Doppelte mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Ich darf zitieren, was der Bund als Begründung vorgetragen hat:

Das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes eines gestörten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist angesichts der aktuellen Wirtschaftsdaten und der in die Zukunft reichenden Indikatoren eindeutig.

Das weiß sicherlich auch Herr Groth, obwohl er vorhin wieder das Schauspiel der unglaublichen Verschuldung des Landes vorgeführt hat, wozu ich gleich noch ein paar Worte verlieren möchte.

Meine Damen und Herren, mittlerweile, denke ich, ist klar, dass es unproduktiv, geradezu kontraproduktiv wäre, gegen diese Krise anzusparen. Das hieße nämlich, die Abwärtskräfte zu verstärken; somit würden die Nachfrage und die Wirtschaft insgesamt sicherlich weiter geschwächt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das Konjunkturprogramm das richtige Mittel ist – auch für diejenigen, die von Keynes nie viel gehalten haben –, zeigt auch das Zitat des RWI, das ich Ihnen gerne vortragen möchte:

In Deutschland gibt die Finanzpolitik einen kräftigen Impuls. So schätzen wir, dass der Rückgang des BIP durch das Konjunkturpaket II in diesem Jahr um 0,5 Prozentpunkte und 2010 um 0,3 Prozentpunkte gebremst wird.

Herr Groth, Sie beklagen immer wieder: kein eigenes Konjunkturprogramm und die Verschuldung entsteht ja nur … Ich weiß gar nicht wodurch. Scheinbar auch nicht durch die Umsetzung der Konjunkturprogramme I und II des Bundes.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das stimmt doch! Herr Minister, keine einzige Anstrengung!)

Bei Ihnen hat offensichtlich der Wahlkämpfer Groth über den einigermaßen einsichtigen Finanzpolitiker gesiegt und ihm die Durchsicht etwas vernebelt.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ihre Tage sind ge- zählt!)

Schauen Sie sich einmal die Effekte an, für die Sie uns schelten, dass wir zum Beispiel den Haushalt in der Gesamtsumme ausgedehnt hätten – so etwas habe ich von Ihnen auch schon gehört – und dass alles, was wir gemacht hätten, ganz furchtbar sei. Wenn Sie sich das ansehen, was wir an Akzenten im Bereich Schule und Kinder schon bei der Einbringung des Haushaltes im Juni 2008 vorgesehen haben, dann werden Sie unschwer erkennen, dass allein in diesen beiden Bereichen – mit dem Hochschulbereich und dem GFG – 700 Millionen € an zusätzlichen Investitionen enthalten sind. Insgesamt – der Ministerpräsident hat es Ihnen oft genug vorgetragen – sind es, wenn Sie zum Beispiel auch die Bürgschaftsrahmenausdehnung einrechnen, über 5 Milliarden €, die dieses Land an eigenen Akzenten für diese Konjunkturkrise bereitstellt.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sie haben auch Steuermehreinnahmen! 6.000 Millionen € an Steuermehreinnahmen!)

Meine Damen und Herren, natürlich steigt durch diese Finanz- und Wirtschaftskrise die Nettoneuverschuldung. Sie ist in drei Schritten gestiegen: Wir hatten den Haushalt eingebracht mit 1,6 Milliarden €, mussten dann mit dem ersten Konjunkturpaket auf 2,64 Milliarden € gehen, und nun liegt Ihnen der Nachtragshaushalt mit der Gesamtverschuldung in Höhe von 5,61 Milliarden € vor.

Herr Groth, Sie können die Charts noch so groß wählen, sie werden dadurch nicht besser; denn die Größe macht es nicht. – Herr Groth, wenn Sie so freundlich wären zuzuhören.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ich kann das! Das ist Multitasking!)

Die Haushaltsvorlage ist natürlich ein bisschen dick und sicherlich keine leichte Kost für jemanden, der ein bisschen polarisieren will und populäre Formulierungen gebraucht wie Sie. Aber wenn Sie sie gelesen haben, werden Sie unschwer erkennen, dass die Nettoneuverschuldungserhöhung allein auf diese konjunkturellen Einbußen bei den Steuereinnahmen und die zusätzlichen Ausgaben zurückzuführen ist. Alles andere haben wir aus Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert. Das wissen Sie auch; aber es passt natürlich nicht in Ihre Diktion

und auch nicht zu dem, was Sie hier bezwecken wollen.

2,13 Milliarden € aus dem Investitionsprogramm des Bundes erhält das Land Nordrhein-Westfalen, und Land und Kommunen legen noch einmal 711 Millionen € drauf. Allein an der Größenordnung dieses Pakets können Sie sehen, was das Land in dem Zweiten Nachtrag zusätzlich zu verkraften hat.

Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Groth?

Gerne.

Bitte, Herr Kollege Groth.

Herr Minister, weil Sie immer so klug tun und den Eindruck vermitteln wollen, als könnten haushalts- und finanzpolitische Sprecher anderer Fraktionen nicht mal die Haushaltsvorlage lesen – das war wohl gerade die Absicht –, will ich Ihnen eine Frage stellen.

Sie haben im letzten Jahr 8 Milliarden, das sind 8.000 Millionen, und in diesem Jahr 6.000 Millionen, also 6 Milliarden, an Steuermehreinnahmen gehabt. In welchem Verhältnis steht das zu den Mehrausgaben, die Sie gerade genannt haben? Wir haben in der Zeit zurückgehender Steuereinnahmen 6,8 Milliarden tatsächlich eingespart. Da hat es gequietscht. Was tun Sie denn jetzt in so einer Krise? Wo ist Ihr Konzept?

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Gisela Walsken [SPD]: Das ist jetzt ein bisschen schwer für Sie!)

Bitte schön, Herr Minister.

Lieber Herr Groth, wenn Sie alle Tabellen, die ich Ihnen übersandt habe, netterweise lesen würden, würden Sie sehen – das ist bisher von Ihnen unwidersprochen geblieben –, dass wir in den Jahren 2006, 2007, 2008, also bis Ende 2008, 92 % der verfügbaren Steuermehreinnahmen zur Rückführung der Nettoneuverschuldung benutzt haben.

(Beifall von Lothar Hegemann [CDU])

Da können Sie ruhig die Milliarde durch 1.000 Millionen erklären; davon wird es auch nicht besser. Soll ich Ihnen einmal sagen, dass Sie in Ihrer glorreichen Regierungszeit – ich nehme mal den Zeitraum 1995 bis 2000 –

(Ewald Groth [GRÜNE]: Den nehmen Sie lie- ber, das weiß ich!)

trotz steigender Steuereinnahmen eine steigende Nettoneuverschuldung hatten? Sie können hier reden, was Sie wollen. An Ihren Taten werden Sie gemessen und an nichts anderem.

(Beifall von CDU und FDP – Johannes Remmel [GRÜNE]: 2000 bis 2005? – Ewald Groth [GRÜNE]: Das RWI sagt etwas ande- res!)

Meine Damen und Herren, ich würde gerne auch ein paar Bemerkungen zu Herrn Börschel machen. Herr Börschel hat erklärt, wir hätten in der Zeit 2006, 2007 und 2008 keinerlei Vorsorge getroffen.

(Gisela Walsken [SPD]: Richtig!)

Sie wissen ganz genau, Herr Börschel – ich nehme an, dass Sie es wissen –, dass wir 2,2 Milliarden allein für Pensionszahlungen, für Finanzmarkt- und Bankrisiken zurückgestellt, also in Fonds angelegt haben.

Wenn dann Frau Walsken in der Presse erklärt: „Die haben keine Vorsorge getroffen“, kann ich Ihnen nur sagen: Bei Ihrem Verhalten, das Sie alleine von 1995 bis 2000 an den Tag gelegt haben, wären sie heute bei weit über 10 Milliarden, also 5 Milliarden über den 5 Milliarden Konjunkturpaket, das heute zur Debatte steht. Denn wir liegen jetzt bei 5,6 und waren vorher praktisch auf null.

(Gisela Walsken [SPD]: Träume!)

Von mir aus nehmen Sie die Zahl 1,1, in die die Reserven noch eingebaut sind – 1,1 Nettoneuverschuldung 2008 gegenüber 6,8 Milliarden, die Sie uns im Jahre 2005 ohne krisenhafte Zuspitzung an Nettoneuverschuldung hinterlassen haben. Das ist Ihre Bilanz. Da Sie 1995 bis 2000 die Nettoneuverschuldung auch nicht gesenkt haben,

(Gisela Walsken [SPD]: Vier Jahre sind Sie schon dran!)

kann ich jetzt nur die konjunkturellen Impulse draufrechnen, und dann wären wir heute bei über 10 Milliarden, wenn Rot-Grün in diesem Lande noch regieren würde.

(Martin Börschel [SPD]: Das ist Schönrech- nerei, was Sie machen!)

Ich finde es köstlich, Herr Börschel: Sie loben den Bundesfinanzminister, weil er das Konjunkturpaket aufgelegt hat.