Protocol of the Session on March 19, 2009

Ich will ein ganz aktuelles, kleines Beispiel bringen. Es geht nur um 1.000 Stunden Unterrichtsausfall, den Sie produzieren und zu verantworten haben. Sie geben Unmengen Geld für Wissenschaftler aus, die die Aufgaben der zentralen Prüfung prüfen sollen. Eigentlich müsste das vom Ministerium und von der Schulaufsicht gemacht werden – aber Schwamm drüber. Als wäre das noch nicht genug, ziehen Sie aus zehn Schulen im Land – Herr Recker, hören Sie gut zu, es ist ein paar Tage her – jeweils 20 Lehrer ab, und zwar für einen ganzen Tag, von heute auf morgen. Diese Lehrkräfte sollen

die Ergebnisse der Wissenschaftsriege noch einmal überprüfen. Sie sollen also die Überprüfung der Wissenschaftler überprüfen.

Sie sorgen mit Ihrer Maßnahme, die übrigens einen Vorlauf von einer Woche hatte, dafür, dass an zehn Schulen 1.000 Unterrichtsstunden mal eben so ausfallen, und zwar ersatzlos, weil die Verarbeitungszeit von einer Woche nicht mehr ausreichend ist, um Vertretung zu organisieren. 1.000 Unterrichtsstunden fallen durch Ihre Politik aus. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies sind nur einige Beispiele der Probleme, mit denen sich die Schulen im Land herumschlagen müssen. So wichtig ich Lob und Anerkennung finde – meinetwegen auch mit Gütesiegeln: Schulen brauchen keine neuen Schilder, sie brauchen Beratung und Unterstützung. Sie brauchen keinen kurzfristigen Populismus, sondern nachhaltige und verlässliche Politik. Genau das bekommen sie von dieser Landesregierung nicht.

Sie lassen die Schulen mit ihren Problemen alleine. Wir haben den Schulen, den Schulleitern und Lehrkräften zu danken, die es trotz all dieser Probleme täglich schaffen, ihre Schüler individuell bestmöglich zu fördern.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Diese Landesregierung und diese Koalition der Beteuerung haben unseren Dank hingegen nicht verdient, denn sie schaffen keine Lösungen; sie sind Teil des Problems. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Link. – Für die Grünen im Landtag NRW spricht Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste heute im Plenum! Wir Grünen freuen uns für Schulen, wenn ihre intensive Arbeit wertgeschätzt wird. Wir können zu unserer Freude feststellen, dass viele Schulen in Nordrhein-Westfalen konsequent an Konzepten zur individuellen Förderung arbeiten. Sie fördern ihre Schülerinnen engagiert – und das trotz der widrigen Rahmenbedingungen und Hemmblöcke, die ihnen diese Landesregierung in ihrer pädagogischen Arbeit immer wieder in den Weg legt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es sind also die Schulen, die arbeiten. Was die Schulen am wenigsten brauchen, ist ein solcher Selbstbeweihräucherungsantrag, wie er heute von den Regierungskoalitionen vorgelegt wird,

(Beifall von den GRÜNEN)

in dem so getan wird, als ob gerade die Gütesiegelschulen sich erst mit dem Zeitpunkt des Aus-derTaufe-Hebens dieses Instrumentes auf den Weg gemacht und um individuelle Förderung gekümmert hätten. Diese Schulen haben sich in intensiven Schulentwicklungsphasen, die lange vor Ihrer Regierungszeit liegen, auf den Weg gemacht, ihre Konzepte entwickelt und sie im Schulalltag umgesetzt.

Das sind zum Beispiel auch Ergebnisse von Schulentwicklungstagen, Schulprogrammtagen in den Kollegien, die Sie dann allerdings gleich nach Regierungsantritt den Schulen weggenommen haben. Konferenztage gibt es erst wieder, seitdem Sie der Proteste wegen der pädagogisch unsinnigen Kopfnoten nicht mehr Herr geworden sind.

Eine wirkliche Unterstützung zur flächendeckenden Entwicklung individueller Förderung sind Sie bis heute schuldig geblieben. Im Gegenteil: Sie haben zum Beispiel den Gymnasien zwangsweise die Schulzeitverkürzung in der Sekundarstufe I verordnet, mit der viele Kinder nicht klarkommen. Das ist genau das Gegenteil von individueller Förderung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte gerne ausführen, wie wenig die Landesregierung zur individuellen Förderung insgesamt getan hat. Es reicht nämlich nicht, individuelle Förderung ins Schulgesetz zu schreiben und ein Gütesiegel zu verleihen. Faktisch werden die Schulen und auch die Schüler/-innen mit ihrem Anspruch auf individuelle Förderung alleine gelassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Fortbildungslandschaft liegt weiterhin brach. Was Sie NRW damit angetan haben, das Landesinstitut von der Platte zu putzen und damit ein zentrales Institut systematischer Schulentwicklung zu eliminieren,

(Minister Karl-Josef Laumann: Na, na!)

durch das den Schulen auch die notwendigen Instrumente und die personellen Unterstützung hätte zur Verfügung gestellt werden können, wird in diesen Tagen immer deutlicher.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was müssen wir für Geld ausgeben zur Standardsicherung der Standardsicherung!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich möchte nur ein Stichwort nennen, nämlich das Zentralabitur. Ein anderes hat der Kollege Link schon geführt, nämlich die Lernstandserhebungen, die gesichert werden müssen. Dieses Geld hätten wir gut im Lande verarbeiten lassen können, wenn wir das zentrale Schulinstitut weiterhin hätten. Es wäre weise, dieses wieder in Nordrhein-Westfalen einzuführen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es geht um einen Bejubelungsantrag der Koalition. Sie feilen immer noch an Ihrer Scheinrealität, trotz lauter werdender Kritik aus Elternkreisen, aus der Kommunalpolitik und seitens der Lehrerverbände. Ich frage mich, wie es mit individueller Förderung und Qualitätsentwicklung im Schulministerium aussieht. Gütesiegel kann man Ihnen für Ihre Arbeit jedenfalls nicht verleihen. Das Pannenministerium Nummer eins baut seine Statistik fast täglich aus. Jetzt gibt es nicht nur Gewinnwarnungen aus Unternehmungen, jetzt gibt es sogar schon Zuschusswarnungen aus dem Schulministerium, wie man heute sehr eindrücklich in der Presse lesen kann.

Mehrfach sind Berufskollegs in NRW 150 Millionen € in Aussicht gestellt worden, von denen jetzt maximal 20 % bei ihnen ankommen. Nichtsdestotrotz sind Konzepte für den Papierkorb gefertigt worden. Das ist Kommunikation à la Schulministerium. Das ist nur eine Panne aus einer Serie, die offenbar nicht abreißt. Individuelle Förderung wäre in diesem Ministerium, angefangen bei der Hausspitze, dringend erforderlich.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Für das „Gütesiegel Individuelle Förderung“ fällt das Ministerium also aus. Es wäre aber einmal interessant zu erfahren, nach welchen Kriterien Gütesiegelschulen ausgewählt werden. Keine Transparenz, keine Berichte. Werden eigentlich alle genommen, die sich bewerben? Gibt es eine Evaluation? Welche Kriterien gibt es? Wie wird da die Qualitätssicherung betrieben? Man kann das alles nur vermuten. Ein intransparenteres Verfahren gibt es in NRW kaum.

(Sören Link [SPD]: Qualitätsanalyse!)

Wenn man über Qualitätsanalyse und Qualitätsentwicklung spricht, dann kommen wir in der Tat gleich auf das nächste Arbeitsfeld. Es kann doch wohl nicht sein, dass ein Instrument seit 2006 in Betrieb ist, dabei knapp 700 Schulen besucht werden und man dann nach zweieinhalb Jahren anfängt, die Zielvereinbarungsprozesse zu erarbeiten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Einen größeren Witz in diesem Land habe ich noch nicht gehört. – So viel zum Thema Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung und dazu, wie viel Ihnen die individuelle Förderung wirklich wert ist, denn die Qualitätsanalyse soll doch wohl individuelle Förderung im Zentrum haben. Was Sie hier aufbauen und uns präsentieren, ist wirklich eine Luftnummer.

Innovative Schulentwicklung soll ausgezeichnet werden. Das ist ein anderes Stichwort in Ihrem Antrag. Es ist prima, wenn das endlich ernst genommen würde. Vor zwei Monaten haben wir hier darüber diskutiert, dass die Wartburg-Schule in Münster keine Ziffernnoten vergibt, sondern eine eigene Rückmeldekultur entwickelt hat. Unter anderem

dafür hat die Schule den Deutschen Schulpreis erhalten. Und diese Schule darf nun ihr innovatives Konzept im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung fortsetzen.

Wir haben damals beantragt, auch anderen Schulen innovative Wege der individuellen Förderung zu ermöglichen, auch in Fragen der Leistungsbewertung und Rückmeldekultur. Das ist aber offensichtlich mit den Gedanken in der schwarz-gelben Koalition nicht zu vereinbaren. Es gilt: Eigenverantwortliche Schule ist nur das, was in schwarz-gelben Köpfen Platz hat. Alles andere wird abgelehnt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

So viel zu den neuen Steuerungsinstrumenten, die Herr Recker hier oben eben beschrieben hat. Nichts ist mit Eigenverantwortlichkeit von Schule, nichts mit pädagogischer Souveränität und nichts mit den bewährten, prämierten Konzepten individueller Förderung, wenn es darum geht, dass sie Ihnen nicht ins Konzept passen.

Eine einzige gute Idee haben Sie in dem Antrag genannt: Lassen Sie uns ins Land fahren zu den Schulen, die ein Gütesiegel haben. Wenn Sie auf den Kongressen waren, haben Sie gehört, dass die Gütesiegelschulen auch Forderungen an die Landesregierung stellen. Auf Befragung haben sie zum Beispiel gesagt: Lasst doch die Kopfnoten weg! Das ist nicht unser Konzept zur individuellen Förderung.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ach ne!)

Auch das ist verhallt. Wie ernst nehmen Sie eigentlich die Schulen, die Sie da auszeichnen? Wie ernst, Herr Laumann?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das erklären Sie uns in Vertretung der Vertretung der Schulministerin bitte gleich hier! Da bin ich auf Ihren Beitrag sehr gespannt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als Nächster hat für die Landesregierung in Vertretung der Schulministerin Frau Sommer Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal bedankt sich die Landesregierung bei den beiden Koalitionsfraktionen dafür, dass sie die Arbeit der Schulen, die sich besonders um die individuelle Förderung unserer Kinder kümmern, würdigen.

(Zuruf von der SPD: Höre! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Was soll das?