Protocol of the Session on March 18, 2009

(Zuruf von Peter Brakelmann [CDU])

Herr Brakelmann, Ihnen täte ein bisschen Sport auch mal ganz gut, glaube ich.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Das ist deshalb so unverständlich, weil gerade in der Schweiz dieses Projekt als vergleichbares Projekt eingeführt worden ist. Dieses Projekt korrespondiert ja mit den Erkenntnissen aus dem zweiten sogenannten Kinder- und Jugendsportbericht. Danach ist eben Sport ein ganz wichtiger Aspekt zur Entwicklung der Persönlichkeit sowie des Sozialverhaltens.

Dieses Konzept der täglichen Sportstunde wurde unter Rot-Grün zu einem wissenschaftlich begleiteten Projekt an einer Reihe von Schulen in diesem Land eingeführt. Das haben damals alle Fraktionen, auch Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, mitgetragen.

Es ist für meine Fraktion überhaupt keine Frage, dass die tägliche Sportstunde an möglichst vielen Grundschulen des Landes eingeführt werden sollte. Das empfehlen gerade auch die Wissenschaftler, die das Projekt begleitet haben.

Was macht nun die Landesregierung? – Sie will offenbar die Umsetzung auf die lange Bank schieben. Erst soll der Abschlussbericht genau geprüft und dann entschieden werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man die Sache auf den SanktNimmerleins-Tag vertagen will.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die zentralen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen liegen seit der Abschlusstagung des Projekts im Dezember 2008 vor. Eine alsbaldige Entscheidung ist also möglich.

Die Projektverantwortlichen haben dabei durchaus differenziert argumentiert. Es hat sich herausgestellt, dass man von stark ausgeweitetem Sportunterricht keine Wunder erwarten darf. Er ist kein „Universaltherapeutikum“, aber es gibt durchaus einen realistischen Gesamtnutzen.

Unstrittig sind danach die positiven Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit und auf den Lernerfolg, also die kognitiven Fähigkeiten. Die Effekte auf die Hebung der motorischen und körperlichen Entwicklung sind dagegen nicht ganz so deutlich. Aber zweifellos ist eine tägliche Sportstunde durchaus geeignet, die gesundheitliche Prävention im Sinne einer Verminderung von Bewegungsmangel und

Übergewicht zu flankieren. Insbesondere bei den Mädchen zeigten sich auch quantitativ nennenswerte Verbesserungen im Bereich der koordinativen Fähigkeiten und der psychosozialen Dimension.

Auch die Handlungsempfehlungen sind ähnlich differenziert und realistisch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Eine flächendeckende Einführung bei allen mittlerweile über 3.300 Grundschulen dieses Landes ist dabei sicherlich nur sukzessive möglich. Daher plädieren die Projektverantwortlichen auch für ein nachfrageorientiertes Implementierungskonzept mit entsprechenden Eckdaten.

Fragt man die Beteiligten am Modellprojekt, also die Lehrkräfte und die Schulen, ergibt sich ebenfalls ein klares Bild. Über 73 % der Lehrkräfte und über 80 % der Schulen sprechen sich unisono für eine Fortführung aus. Auch die Eltern und die Kinder, die daran beteiligt waren, waren fast überall begeistert.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ich frage Sie daher: Wieso verzögern Sie hier die Entscheidung, wenn dieses Projekt überall einhellig auf Zustimmung stößt? Meine Fraktion jedenfalls unterstützt im Interesse unserer Kinder den vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Die Landesregierung sollte die Umsetzung der Ausweitung der täglichen Sportstunde durch die zuständigen Stellen begleiten und unterstützen. Außerdem sollten bald alle Grundschulen im Land zur Teilnahme aufgefordert werden, sodass bereits im nächsten Schuljahr möglichst viele Schülerinnen und Schüler von dem Projekt profitieren können.

Wir halten es darüber hinaus auch für notwendig, dass sich die bisher beteiligten Partner weiterhin in der Sache engagieren, und fordern die Landesregierung auf, hierfür weitere Partner zu finden.

Nun gibt es in diesem Hause so etwas wie eine Sportfraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ich gebe der Hoffnung Ausdruck, wenngleich diese Hoffnung zugegebenermaßen relativ gering ist, dass wir vielleicht in den Ausschussberatungen doch noch zu einer vernünftigen Lösung im Interesse unserer Kinder an den Grundschulen des Landes kommen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Stüttgen. – Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Pieper-von Heiden für die Fraktion der FDP das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen ist natürlich zu diesem Zeitpunkt parteipolitisch motiviert.

Uns alle verbindet parteiübergreifend der Wille, den Schulsport wieder deutlich zu stärken. Wir wissen, dass gerade in jungem Alter viele Grundlagen der körperlichen Fitness für das Erwachsenenalter gelegt werden. Auch wissen wir, dass die Begeisterung für die körperliche Betätigung, die frühzeitige Heranführung an den Sport in jungem Alter erfolgen soll. Ansonsten besteht oftmals die Gefahr, dass sich die Freude an physischer und der damit einhergehenden psychischen Fitness mit steigendem Alter nicht mehr einstellt.

Dass die Grünen der Landesregierung Abwiegeln, Abwarten, also letztlich Nichtstun vorwerfen, das ist schon ziemlich dreist. FDP und CDU haben in den vergangenen Jahren den Sport massiv gestärkt.

Ich möchte nur zwei Beispiele nennen: Da sind zum einen die fünf Sportschulen. Die bisherigen Ergebnisse sind sehr ermutigend, und ich denke, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Zum anderen möchte ich hier die nahezu 7.000 zusätzlichen Lehrerstellen erwähnen,

(Zuruf von Gerd Stüttgen [SPD])

auch die aus Demografiegewinnen. Denn auch diese Stellen kommen selbstverständlich dem Sport der Schulen zugute. Selbstverständlich muss ein Unterricht zunächst einmal stattfinden, damit er den Kindern und Jugendlichen etwas vermitteln kann.

Dass wir den rot-grünen Unterrichtsausfall bereits mehr als halbiert haben, stimmt zuversichtlich. Auch das kommt dem Sport zugute.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Wir alle haben gemeinsam im Sportausschuss im Jahr 2003 das Projekt „Tägliche Sportstunde an Grundschulen in NRW“ beschlossen. Das unterstreicht noch einmal, wie konstruktiv und sachorientiert FDP und CDU bereits in der Zeit, als SPD und Grüne die Regierungsverantwortung trugen, mitgearbeitet haben.

Dass die Grünen nun um des politischen Effekts willen ausscheren, finde ich bedauerlich.

In den vergangenen Jahren haben wir gemeinsam mit Partnern in dieses Projekt mehrere hunderttausend Euro investiert. Das zeigt, wie wichtig uns dieses Projekt ist.

Es ist sehr erfreulich, dass aus vielen der 25 Pilotschulen positive Rückmeldungen eintreffen. Das hat offenbar auch noch einmal der Besuch des Sportausschusses in der Ludgerusschule in Bocholt unterstrichen, wie ich gehört habe.

Meine Damen und Herren, gerade weil wir uns der Wichtigkeit der Thematik bewusst sind, sollten wir nun mit Besonnenheit reagieren

(Lachen von Ewald Groth [GRÜNE])

und die endgültige Auswertung der Ergebnisse abwarten. Darum bitte ich doch sehr.

Prof. Thiele von der Technischen Universität Dortmund hat bei seinem Bericht deutlich gemacht, dass man zunächst alle wissenschaftlichen Ergebnisse abwarten muss und der Endbericht noch nicht vorliegt.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ganz im Gegenteil!)

Herr Groth! – Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin Prof. Thiele, der in diesem Zusammenhang auch festgestellt hat – was die Grünen gerne übersehen, wenn sie fordern, alle Grundschulen umgehend einzuladen, möglichst ab dem nächsten Schuljahr die tägliche Sportstunde einzurichten –: „Eine Einbeziehung aller Grundschulen ist weder realistisch noch sinnvoll.“

Meine Damen und Herren, die Stärkung des Schulsports gerade an den Grundschulen ist der FDP ein wichtiges Anliegen. Hierbei muss es uns vor allem auch um die Qualität der Angebote gehen. Das hat der Besuch in Bocholt noch einmal unterstrichen. Für diese Qualität bedarf es der Ressourcen. Es ist eine Frage der Zeit-, der Personal- und auch der Raumplanung vor Ort. Um diese Qualität zu sichern, sollten wir zunächst abwarten, bis wirklich alle Daten der wissenschaftlichen Begleitung auf dem Tisch liegen, statt jetzt aktionistisch von einem Tag auf den anderen etwas über das Knie zu brechen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Fünf Jahre Projekte!)

Ja, ja, fünf Jahre! Davor waren Sie noch! – Selbstverständlich sind die Signale der Partner und die bisherigen Erfahrungen mehrheitlich erfreulich. Aber Qualität geht vor parteipolitischen Aktionismus.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Wir verschließen uns dem Thema doch überhaupt nicht; wir wollen es ja. Das wissen Sie, Herr Groth. Nur, es zu diesem Zeitpunkt noch einmal einzufordern, just bevor die Auswertung vorliegt, das ist nicht wirklich seriös.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laschet in Vertretung von Frau Ministerin Sommer das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte wirkt auf jemanden, der sich nicht ständig mit Schulsport beschäftigt, so, als wenn hier künstlich Konflikte aufgebaut würden, die gar nicht da sind.

Niemand bestreitet, dass Sport und Bewegung wichtig sind. Niemand bestreitet, dass das in die Schule hineingehört. Niemand bestreitet, dass, wenn Kinder sich im Kindergarten und zu Beginn

ihrer Schullaufbahn beim Spielen und beim Sport ausreichend bewegen können, damit auch eine Grundlage für die gesunde geistige und körperliche Entwicklung geschaffen wird.

Aber wenn man eine Studie in Auftrag gibt, ein Pilotprojekt macht, ist es doch kein Verzögern, wenn man erst einmal das Ergebnis abwartet und es dann analysiert.

(Beifall von der CDU)

Das ist doch in jedem Politikbereich das Selbstverständlichste der Welt: Man macht eine Studie, man wartet das Ergebnis ab, man analysiert das Ergebnis, und dann setzt man es um.

Genau in diesem Prozess befinden wir uns. Das von allen Fraktionen getragene Pilotprojekt „Tägliche Sportstunde an Grundschulen in NordrheinWestfalen“ wurde im Sportausschuss intensiv erörtert. Der Abschlussbericht wurde uns für das Ende des ersten Quartals 2009 zugesagt. Er liegt noch nicht vor.