Protocol of the Session on January 29, 2009

Der Groll der Eltern nahm zu, und die Schulministerin kam auf die Idee, am Samstag wieder unterrichten zu lassen. Ein Sturm der Entrüstung gipfelte zu Recht in dem Slogan „Ganztag statt Samstag“ und brachte damit die gesamte Landesregierung unter Druck.

Was wir dann in NRW beobachten konnten, gleicht einem bekannten Muster: Diese Landesregierung lässt die Kommunen bei der Ausstattung des Ganztages an weiterführenden Schulen im Regen stehen. Aus der Not geboren stellen Sie nach massivem Druck ein Miniinvestitionsprogramm für den Ganztag an Realschulen und Gymnasien auf. Die Kommunen müssen ernüchtert feststellen, dass man, wenn man 100.000 € Landesmittel haben möchte, gleichzeitig selbst 100.000 € kommunales Geld zur Verfügung stellen muss.

(Zuruf von der CDU)

Fifty-fifty-Förderung! 90 : 10 ist die übliche Förderung.

(Zuruf von der CDU)

In dieses weitere Jahr Ihrer verkorksten Bildungspolitik

(Zuruf von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

passt dann auch die eigens von der CDU in Auftrag gegebene Umfrage, Frau Pieper-von Heiden, die die größten Probleme der Schulen in NordrheinWestfalen offenlegt: Zu wenige Lehrer, sagen 84 %. Zu viel Stundenausfall, sagen 73 %. Zu große Klassen, sagen 70 %. Das ist Ihre eigene Umfrage.

Zu dem Zeitpunkt, als Sie Ihre eigene Umfrage gemacht haben – im Jahr 2008 –, hatten Sie angeblich bereits 3.500 Lehrer gegen Unterrichtsausfall und für individuelle Förderung eingestellt. Nur, in den Schulen kommen diese Lehrer offensichtlich gar nicht an.

(Zuruf von der CDU)

Den Beweis dafür präsentierte die Landesregierung letztes Jahr selbst mit einer Unterrichtsausfallstatistik. Sie sollte belegen, dass der Unterrichtsausfall in Nordrhein-Westfalen halbiert worden sei. Eine Stichprobe wurde für alle Schulen hochgerechnet.

Diese Statistik hatte aber einen bemerkenswerten Schönheitsfehler. Sie legte gleichermaßen dar, dass die von der Landesregierung immer wieder vorgegaukelte Lehrerstellenversorgung von im Schnitt 104 % für die Schulen nur auf dem Papier Bestand hatte. In der Realität waren im Februar 2008 an den Schulen nur ca. 100 % angekommen.

(Zuruf von der CDU: Und früher? – Weitere Zurufe von der CDU)

Dies wiederum hochgerechnet bedeutet: 5.800 Lehrerstellen existieren nur auf dem Papier! Der virtuelle Lehrer war enttarnt.

(Zuruf von der CDU: Wie war es denn früher? – Weitere Zurufe von der CDU)

Die Landesregierung versucht zwar, mit einer abenteuerlichen Argumentationsakrobatik den Nachweis anzutreten, dass die 2 % Unterrichtsausfall, die mit derselben Untersuchung an denselben Schulen gemessen wurden, repräsentativ sind, die Zahl der offenen Stellen aber offensichtlich nicht.

Frau Schäfer, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock.

Ich möchte gerne meine Rede zu Ende vortragen; danach dürfen Sie zwischenfragen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Das ist aber scha- de!)

Sie kommen später noch zu Ihrer Frage, Herr Ellerbrock.

Ein gründlicher Blick in den Haushaltsentwurf 2009 untermauert diese Trickserei. Es gibt eine strukturelle Lücke zwischen Ankündigung und Realität. Auf Seite 338 des Erläuterungsbandes zum Einzelplan 05 – vielleicht haben Sie alle mal reingeschaut – schreibt die Landesregierung vollmundig: „Die Lehrerversorgung war im Schuljahr 2007/2008 gesichert. Über alle Schulformen … betrug der Deckungsgrad … 103,8 %.“

Wir erinnern uns: Die Statistik zum Unterrichtsausfall hatte 100 % ergeben. Warum, das können wir genau auf dieser Seite 338 nachlesen. Sie benötigen nämlich nur zwei Absätze auf dieser Seite im Erläuterungsband, um sich selber in der Frage der Bedarfsdeckungsquote von 103,8 % zu widerlegen. Sie legen auf dieser Seite dar, dass aufgrund der sogenannten Kienbaum-Lücke immer noch 4.300 Stellen im System fehlen.

(Beifall von Hannelore Kraft [SPD])

Das steht auf derselben Seite. Wie kommentieren Sie diesen Widerspruch, Frau Sommer? Ich will an dieser Stelle nichts verschleiern und verschweigen, sondern deutlich machen, dass die KienbaumLücke von Ihnen als Altlast vorgefunden wurde.

Allerdings haben wir in dem letzten Haushaltsplan, den wir zu verantworten hatten, dieses ganz klar dokumentiert und keine heile Welt der Unterrichtsversorgung vorgegaukelt.

(Beifall von der SPD)

Uns war an Transparenz und Ehrlichkeit gelegen – als wichtigstem Kriterium für das Parlament bei der Beratung.

Doch die nächste strukturelle Lücke kommt gleich hinterher. Die Zuweisung der Lehrerstellen erfolgt nach Klassengröße. Für die Grundschule und die Hauptschule sind das 24 Schülerinnen und Schüler. Geregelt ist dies in einer Verordnung zur Ausführung von § 93 Abs. 2 des Schulgesetzes. In seiner eigenen Statistik zum Schuljahr 2007/2008 stellt das Schulministerium fest, dass im Schnitt in der Grundschule 23,4 und in der Hauptschule 21,9 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse sind. Wenn die Lehrerzuweisung dann aber anhand der Klassengröße 24 vorgenommen wird, wie Sie es tun, fehlen diesen Schulen in logischer Konsequenz Lehrerinnen und Lehrer, und zwar nicht zu knapp.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nach meinen Schätzungen macht das ca. 2.000 Lehrerstellen aus, die aufgrund dieser Berechnungsgrundlage in Ihrem Haushaltsplan fehlen, um die Grundversorgung der einzelnen Klassen abzusichern.

Frau Sommer, können Sie diese Differenz zwischen Zuweisung und Berechnung bitte gleich aufklären? Das würde mich wirklich sehr interessieren. Den rund 6.915 Stellen, die Sie im Haushaltsplan als neu geschaffene Lehrerinnen- und Lehrerstellen ausweisen und die auf dem Papier stehen, stehen nach meinen Ausführungen 6.300 Lehrerstellen gegenüber, die den Schulen strukturell fehlen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Luftblasen!)

Ihr Wahlversprechen, den Unterrichtsausfall mit 4.000 zusätzlichen Stellen zu bekämpfen, löst sich in Luft auf –

(Beifall von der SPD – Hannelore Kraft [SPD]: Ja!)

auch das Versprechen an die Weiterbildungslandschaft. Denn vor der Wahl haben Sie gesagt, Sie wollen die Mittel erhöhen. Nach der Wahl haben Sie kalt lächelnd 13,5 Millionen € gestrichen. Unserem Antrag, 8 Millionen € aufzustocken, haben Sie nicht entsprochen. So begreifen Sie Regierungsverantwortung. Ich sage: Das ist Regierungsunverantwortung.

(Beifall von der SPD – Hannelore Kraft [SPD]: Genau!)

„Versprochen – gebrochen“ ist ein Markenzeichen Ihrer Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen. Getrickst und getäuscht haben Sie mit der Vorlage

dieses Einzelplans 05. Ihr Haushalt ist aus meiner Sicht ein Produkt für das Phantasialand. Ihre Versprechen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schäfer. – Für die CDU-Fraktion spricht Kollege Kaiser.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schäfer, wenn es eines Beweises bedurft hätte, warum Sie abgewählt worden sind, braucht man sich Ihre Rede heute nur noch einmal durchzulesen.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD: Och!)

Es ist unglaublich, was Sie morgens um viertel nach zehn für eine Schimpfkanonade loslassen.

(Bodo Wißen [SPD]: Wann stehen Sie denn sonst auf?)

Sie haben nicht einen Satz dazu verloren, wie Ihre eigenen Pläne aussehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Das zeigt, warum Sie abgewählt worden sind: weil Sie konzeptionslos waren und im Bildungsbereich gnadenlos gekürzt, aber laute Propaganda darübergelegt haben. Wie Sie das heute dargestellt haben, das war das beste Beispiel.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn man sich mit der Wirklichkeit befasst, ergibt sich Folgendes: Ich hatte gestern ein Gespräch mit unserem Minister, meinem Landtagskollegen Oliver Wittke, der mit der Bemerkung abschloss, dass ich zu den Glücksrittern der Koalition gehöre; denn ich dürfe einen Bereich vertreten, in dem es immer nur um mehr Geld gehe. – Natürlich hatte er recht.

(Lachen von Hannelore Kraft [SPD])

Ich bin stolz drauf, dass ich bei diesen Haushaltsplanberatungen wiederum das Fazit ziehen kann: Auch 2009 wird in Nordrhein-Westfalen deutlich mehr Geld für Bildung ausgegeben.