Protocol of the Session on January 29, 2009

Vermitteln wir Kindern doch einen positiven Umgang mit Leistung! Werben wir nicht für ein leistungsabgewandtes Bildungssystem! Helfen wir vor allen Dingen auch, jungen Menschen einen ganz natürlichen und entspannten Umgang mit Notengebung, mit Leistungsfeststellung und Versetzungsordnung zu vermitteln!

Die Gesamtschule als Schule ohne Versetzungsordnung, wo jemand völlig unabhängig von Leistung bis Klasse 9 durchversetzt wird, hat erwiesenermaßen nicht zu den besten Leistungsergebnissen ge

führt. Deshalb haben Sie, glaube ich, als Antragsteller viel Grund, erneut nachzudenken. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Witzel. – Nun hat Frau Ministerin Sommer das Wort für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde mit Ihnen gerne auch erst die drei Siegerschulen, die Kleine Kielstraße, Möhnesee und die Wartburg-Schule, feiern. Aber mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit beschränke ich mich ausschließlich auf die Wartburg-Schule.

Meine Damen und Herren, für die Entwicklung der Schulen in unserem Land hat die Wartburg-Schule sehr viel zu bieten. Sie ist im besten Sinne eine kindgerechte Schule. Sie hat ein besonderes pädagogisches Konzept entwickelt. Ich denke, dass es an dieser Stelle wichtig ist, einmal die Kriterien vollständig zu nennen, warum das pädagogische Konzept so ausgezeichnet worden ist. Es wäre gar nicht redlich, stellte man dieses pädagogische Konzept nur anhand einiger Kriterien heraus, die einem vielleicht passen. Das wäre der Schule sicherlich nicht recht.

Die Kriterien sind Freiarbeit und selbstständiges Lernen, offener Unterricht bereits seit den 70erJahren. Dazu gehören eine Methodik und Didaktik, die auf das einzelne Kind bezogen sind, Integrationsklassen, ein Schülerparlament, Streicher- und Bläserklassen, viel Elternbeteiligung, auch Zeugnisse ohne Noten bis einschließlich Klasse 3. Dazu gehören das Helfersystem „Kinder helfen Kindern“, eine Grundschulwerkstatt, in der Pädagogen von- und miteinander lernen. Außerdem war die Wartburg-Schule die erste Ganztagsgrundschule der Stadt Münster.

Dieses Konzept, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis eines langjährigen Entwicklungsprozesses und eines äußerst engen Dialogs mit den Eltern. Das Angebot der Wartburg-Schule – ich habe es eben in seiner Vollständigkeit vorgestellt – kann auch nicht „eben mal so“ ohne Weiteres auf andere Schulen übertragen werden.

Wir müssen die Leistungen der Wartburg-Schule an den Leistungen, wie sie im Deutschen Schulpreis niedergelegt sind, spiegeln können. Da ist zum einen das Prinzip der Leistung. Das pädagogische Leistungsverständnis der Wartburg-Schule stellt den individuellen Lern- und Entwicklungsprozess jedes Kindes in den Mittelpunkt aller Überlegungen.

Umgang mit Vielfalt! Wir haben es gehört: Die Schule nimmt seit vielen Jahren behinderte Kinder in ihre Klassen in den gemeinsamen Unterricht auf.

Unterrichtsqualität! Die Wartburg-Schule arbeitet nach modernen, grundschulpädagogischen Prinzipien: jahrgangsübergreifend, fächerübergreifend, nach Wochenplänen. Sie praktiziert Freiarbeit, offenen Unterricht und selbstständiges Lernen.

Auch „Verantwortung“ ist ein Kriterium. In der Wartburg-Schule wird Partizipation großgeschrieben: Kinder, Lehrkräfte und Eltern tragen gemeinsam Verantwortung für die Schule. Die Eltern werden mit ihren Fähigkeiten und Interessen vielfältig eingebunden. Kinder bestimmen im Klassenrat, im Schul- und Hausparlament mit. Das ist eine wichtige Sache.

Schulklima! Die Räume der Wartburg-Schule sind wohnlich gestaltet. Kinderhäuser im eigenen Hof für vier Klassen bilden überschaubare Einheiten. Jeder kennt dort jeden. Die Großen helfen den Kleinen. Die Kinder lernen voneinander. Sie arbeiten in einer freundlichen, gelassenen und ermutigenden Atmosphäre.

In den einzelnen Häusern findet man überall Kunst; dazu viel Theater und viel Musik. Schule und Elternhaus tragen die gemeinsame Verantwortung für die Erziehung der Kinder. Lehrkräfte, Erzieherinnen und Sonderpädagoginnen arbeiten immer im Team in einzelnen Lerngruppen.

Zum Schulleben gehört die gebundene Ganztagsschule. Sie ermöglicht über den ganzen Tag verteiltes, kindorientiertes Schulleben.

Auch die außerschulischen Partner spielen eine große Rolle, Kooperationen mit Universitäten und Einrichtungen im Stadtteil, aber auch kontinuierliche Begleitung durch externe Schulberater und kritische Freunde. Schule wird dort als lernende Institution gesehen. Eine schulische Steuergruppe aus Lehrkräften, Sozialpädagogen, Sonderpädagogen sowie Eltern planen und begleiten den Entwicklungsprozess der Schule.

Alle Lehrerteams führen eine regelmäßige Evaluation ihrer Arbeit durch. Eine fortlaufende Begleitung und Diagnostik ist in den Alltag eingebunden.

In die Beispiele, die ich weiter benennen möchte, um Ihnen zu zeigen, wie breit das Spektrum dieser Schule ist, beziehe ich insbesondere das ein, was uns heute im Zusammenhang mit dem Antrag der Grünen interessiert: Wie geht es mit der Ausdifferenzierung im Leistungsbereich weiter? – Meine Damen und Herren, an dieser Schule gibt es ausführliche Lernstandsberichte, Lerntagebücher, Kindersprechtage, Reflexionsgespräche, Präsentationszeiten und Lernlandkarten. Ich kann es abschließend sagen: Die Auswahlkommission hat – deswegen habe ich es in dieser Breite dargestellt – diese Schule wirklich zu Recht ausgezeichnet.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich erzähle Ihnen das alles, um deutlich zu machen: Eine Verengung auf die Notenfrage, wie Sie sie in

Ihrem Antrag darstellen, wird dieser Förderkonzeption alleine nicht gerecht.

(Beifall von Bernhard Recker [CDU])

Der Verzicht auf Ziffernoten bis einschließlich Klasse 3 ist nur ein Bestandteil des umfassenden pädagogischen Entwurfs der Wartburg Schule. Die Wartburg Schule hat den Deutschen Schulpreis wegen ihres ausgezeichneten Gesamtkonzepts erhalten. Dieses außergewöhnliche und innovative Konzept ist nicht beliebig auf andere Schulen zu übertragen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Die Landesregierung hält an der Überzeugung fest, die Ministerpräsident Rüttgers in der Regierungserklärung am 13. Juli 2005 für das Versetzungszeugnis der Klasse 2 in die Klasse 3 und für die beiden Zeugnisse der Klasse 3 dargelegt hat.

Frau Ministerin, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Jäger.

Ich möchte gern weitermachen.

Ja, okay.

Eine Kombination aus Lernentwicklungsberichten in den Fächern und Ziffernoten gewährleistet eine verlässliche Rückmeldung an die Kinder und deren Eltern.

Daher wird es die Landesregierung der WartburgSchule zwar ermöglichen, in den Versetzungszeugnissen von der Klasse 2 in die Klasse 3 weiterhin auf Ziffernoten zu verzichten.

Aber dieses Projekt – und das ist eine Auflage – wird, wie wir schon gehört haben, auch wissenschaftlich begleitet. Frau Schäfer, nicht nur dieses Detail wird begleitet, sondern das Gesamtkonzept der Schule.

Sehr geehrte Frau Beer, wer nun der Retter in der Not ist bzw. was wirklich dazu geführt hat, dass dieses Gesamtkonzept so weitergeführt werden kann, das überlasse ich Ihrer Interpretation. Ich kann jedenfalls für mich in Anspruch nehmen, dass ich diese Schule, lange bevor der Deutsche Schulpreis an sie vergeben wurde, zusammen mit Frau Kastner besucht habe und dass die Schulleiterin gerade über diesen Punkt und auch über andere Punkte mit uns gesprochen und uns darum gebeten hat, dass sie ihr innovatives Konzept weiterführen kann.

Um ein Fazit zu ziehen: Die Landesregierung wird diese Ausnahmeregelung nicht automatisch auf andere Schulen ausdehnen, wie es im Antrag der

Fraktion der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen formuliert ist. Bei der Wartburg-Grundschule handelt es sich um einen Einzelfall, den wir genau geprüft haben. Sollte es weitere Schulen im Land geben, die ein genauso gutes Konzept vorweisen können, werden wir in der Einzelfallprüfung ebenso strenge Maßstäbe anlegen.

Wir stehen für Vielfalt. Wir stehen nicht für Beliebigkeit. – Ich danke Ihnen. Einen guten Abend!

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Frau Ministerin. – Als Nächster hat Herr Recker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei kurze Anmerkungen. Besser als Frau Sommer kann man es nicht sagen: Es ist alles gesagt. – Und angesichts der vorgerückten Zeit möchte ich meine Rede zu Protokoll geben. (Siehe Anlage)

(Beifall von der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Recker. – Frau Beer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren. Das ist in der Tat ein umfassendes pädagogisches Konzept. Was kann man eigentlich zum Abschluss Besseres tun, als die Schule selbst sprechen zu lassen? Deshalb zitiere ich aus dem Schulportrait, das anlässlich der Verleihung des Deutschen Schulpreises an die Wartburg-Grundschule erstellt wurde:

Obwohl es keine Noten gibt, sondern ausführliche Lernstandsberichte, keine Hausaufgaben und keine Klassenarbeiten, sondern viele Pausen, und alle Kinder ihre Lehrer duzen, herrscht an der Wartburg-Grundschule keine Kuschelpädagogik. „Wir sind eine Leistungsschule“, betont Schulleiterin Gisela Gravelaar. Und die ist in weiten Teilen überdurchschnittlich …

Das sind die Leistungsdaten, die man ablesen kann:

Rund 70 Prozent der Schüler wechseln nach der vierten Klasse aufs Gymnasium oder die Gesamtschule, gut 20 Prozent gehen zur Realschule und nur 5 Prozent besuchen eine Hauptschule.

Die Schulen sollten mehr Freiheiten bekommen, fordert die Schulleiterin. Sie und ihre Kollegen würden die Grundschulzeit gern um zwei Jahre verlängern, damit sie die Kinder nicht mehr so früh auf die weiterführenden Schulen verteilen müssen.

Auch die Noten am Ende der vierten Klasse würden die Lehrer am liebsten abschaffen:

Noten sind ungerecht, sie beschämen die Kinder. Wir brauchen sie nicht, weil die Kinder auch ohne lernen wollen“, sagt Gisela Gravelaar. Durch die erfolgreiche Teilnahme am Deutschen Schulpreis, so hofft sie, „bekommen wir mehr Spielraum.

Diesen Spielraum können Sie jetzt allen Schulen in Nordrhein-Westfalen verschaffen.

Frau Beer, Herr Witzel hat eine Zwischenfrage.

Ja, gerne.